Der Zweikampf

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Kaspian pov.

Ich beobachtete, wie die Königin wütend auf den Hügel zurannte und Peter alleine unten an den Säulen dastehen ließ. Sie hatten sich gestritten, so viel konnte ich erkennen, doch um die Worte zu verstehen, war ich zu weit weg.
Ich saß mit meinem Professor Cornelius auf Aslans Haug. Von hier oben hatte man einen guten Ausblick. Ich konnte bis zu den Wäldern sehen und wenn man die Augen zusammenkniff, erblickte man vielleicht die leichten Umrisse von meinem Schloss.
»Was ist passiert, dass der Zauber der Königin erloschen ist?«, fragte ich den alten Mann.
»Man sagt«, begann er, »dass ihr Herz zerbrochen sei.« Er machte eine Bewegung, als würde er etwas durchbrechen. »Liebe macht blind, so heißt es.«
»Also hat sie Hochkönig Peter geliebt?«, wollte ich wissen.
Der Mann nickte. »So ist es. Man munkelt, sie habe ihn verführt und dann verlassen. Als Rache soll er abgehauen sein. Doch das ist alles völliger Unsinn.« Er schüttelte den Kopf. »In Wahrheit sind die Könige und Königinnen der Alten Zeit in ihre Welt zurückgegangen. Durch Zufall. Die Königin dachte, er hätte sie verlassen und das mit Absicht.«
»Woher wisst Ihr so viel?«
»Ich habe sie gefragt«, gab er zu, was mich überraschte. Sie hatte noch nie ein Wort mit mir gewechselt. Eigentlich mit keinem und wenn, dann nur knappe Sätze.
»Ich habe versagt«, murmelte ich.
»Nein. Ihr habt nur den Glauben verloren, Mein Prinz. Wie alle anderen hier auch. Macht nicht denselben Fehler wie die Königin. Ihr wisst nicht, wie sehr sie leidet.« Mein Professor stand auf und wollte gehen, doch da kamen aber die Soldaten Miraz' aus dem Wald marschiert. Ohne zu zögern sprang ich auf und rannte zu Peter.

Belle pov.

»Das ist also Euer Plan?«, fragte Trumpkin fassungslos. »Ein kleines Mädchen alleine durch den Wald schicken, um nach jemanden zu suchen, der gar nicht existiert?«
Wir waren alle in dem Raum mit dem Steinernen Tisch versammelt und warteten auf Peters Befehle. Er selbst stand verzweifelt vor dem Tisch und hielt sich die Hände vor dem Kopf.
»Sie wird nicht alleine gehen«, meinte Susan.
Kaspian erhob sich von dem Stein und ging auf das Mädchen zu. »Dann werde ich mit dir gehen.«
»Nein«, sagte Peter sofort. »Wir brauchen dich hier. Du bist der einzige, der Miraz kennt.«
»Mein Onkel mag zwar grausam sein«, erklärte der Prinz, »aber er ist kein Gesetzesbrecher. Auch er muss sich an die Regeln seines Volkes halten.«
Ich musterte den Telmarer. Ich vertraute ihn immer noch nicht. Auch wenn er vielleicht seinen Onkel töten würde, waren es immer noch seine Vorfahren, die Narnia überfallen hatten.
»Woher wissen wir, dass du uns nicht hintergehst?«, fragte ich.
»Sein Onkel hat seinen Vater umgebracht. Ich glaube nicht, dass Kaspian uns verrät«, meinte Peter.
»Jetzt, auf einmal, bist du auf seiner Seite?«, fragte ich verständnislos.
»Ich habe nicht gesagt, dass ich auf seiner Seite bin. Ich habe gesagt, dass ich es glaube -«
»Ich weiß, was du gesagt hast«, ging ich verärgert dazwischen.
Kaspian sah mich an. »Wir haben Euch auch vertraut. Nun seid Ihr an der Reihe.«
Ich winkte ab, als Zeichen dafür, dass er mit seinem Plan fortfahren konnte.
»Allein werden wir es nicht schaffen. Wir gegen Tausende - unmöglich«, erklärte der Telmarer.
Peter nickte. »Wir müssen es schaffen, ihn so lange abzulenken, bis Lucy Aslan gefunden hat.«
»Ja«, sagte Kaspian. Aufgeregt lief er umher. »Wenn wir Miraz zum Zweikampf heraus fordern, schaffen wir es vielleicht, Zeit zu gewinnen.«
Peters Augen strahlten. Es war ein guter Plan, doch würde ich das niemals zugeben.
»Was sagt Ihr dazu, Eure Majestät?«, fragte der Prinz mich plötzlich. Überrascht starrte ich ihn an. Hatte er gerade mich nach meiner Meinung gefragt? Abwartend beobachteten mich die Narnianen. Mir blieb nichts anderes übrig.
»So, wie du gesagt hast.«

Edmund pov.

Mit einem Riesen und einem Zentauren lief ich langsam zur anderen Seite der Ebene, wo Miraz Zelte standen. Ich sah, wie er uns durch ein Fernglas beobachtete. Der selbsternannte König schaute unschlüssig und ich musste mir ein Lachen verkneifen, obwohl es nicht unbedingt lustig war, was wir hier taten.
Zum Glück stellte sich kein Telmarer uns in den Weg, als wir das Zelt des Königs und seiner Lords betraten. Neben Miraz saß Lord Sorpespian, den auf der anderen Seite kannte ich nicht. Am Eingang stand General Glozelle. Ohne Zweifel. Das konnte ich an seiner Ausrüstung und seinem Aussehen erkennen.
Ich stellte mich mitten ins Zelt vor Miraz und öffnete die Pergamentrolle, die Peter geschrieben hatte. »Ich, Peter von Aslans Gnaden - durch Wahl, Verordnung und Sieg - , Hochkönig von Narnia, Herr von Cair Paravel und Kaiser der Einsamen Inseln, fordere hiermit, um abscheuliches Blutvergießen zu verhindern, den Thronräuber Miraz zum Zweikampf auf dem Schlachtfeld heraus. Der Kampf ist um Leben und Tod. Der Verlierer kapituliert«, las ich laut vor. Ich schloss die Rolle und wartete ab.
Miraz starrte mich eine Weile an, dann sagte er: »Sagt mir Prinz Edmund -«
»König«, unterbrach ich ihn sofort.
Verwundert runzelte der Mann die Stirn. »Wie bitte?«
»Es heißt König - eigentlich. Und zwar nur König. Peter ist Hochkönig«, antwortete ich.
»Und wer ist diese«, Miraz wedelte mit der Hand umher, als wollte er eine Fliege verscheuchen, »Königin?«
»Welche meint Ihr?«, fragte ich provokant.
»Die große. Die letztens von eurem Bruder auf dem Pferd mitgenommen wurde, als ihr in mein Schloss eingedrungen seid.« Miraz wirkte ziemlich wütend.
»Eigentlich ist sie ziemlich klein. Sogar ich übertrumpfe sie genauso groß ist wie sie.« Ich rollte die Rolle auf. »Aber ich schweife ab ... Das ist die einzige und wahre Königin von Narnia. Normalerweise müsste sie ja Hoch-Hochkönigin heißen. Das hört sich aber bescheuert an. Ich seh da selber nicht so ganz durch.«
»Man meint, sie habe Zauberkräfte. Stimmt das?«
»Oh ja«, bejahte ich. »Aber wir schweifen vom Thema ab. Wie ist Eure Meinung zu dem Kampf?«
»Sagt mir König Edmund«, nahm Miraz den Faden wieder auf. »Wieso sollte ich auf solch einen Vorschlag eingehen, wenn meine Armee euch bis heute Nacht«, er injizierte einen Schlag mit der Hand, »auslöschen könnte?«
Ich lächelte. »Ihr habt schon mal unterschätzt, wie viele es von uns gibt. Ich meine, bis vor einer Woche haben die Narnianen angeblich nicht existiert. Ihr habt doch eigentlich nichts zu befürchten.«
Miraz begann laut zu lachen. »Es geht hier nicht um so was wie Mut!«
»Dann weigert Ihr euch mutig gegen einen Gegner zu kämpfen, der halb so alt ist wie Ihr?«, warf ich ein.
Wütend lehnte sich der Mann nach vorne. »Das Wort weigern ist hier nicht gefallen!«
Lord Sorpespian lehnte sich zu Kaspians Onkel rüber. »Sir, unser militärischer Vorteil bietet den perfekten Vorwand, um zu vermeiden -«, begann der Lord.
Miraz aber sprang auf und brüllte: »Ich vermeide hier gar nichts!«
»Ich wollte Seine Majestät nur darauf hinweisen, dass es Sein gutes Recht ist, zu verweigern -«, meinte Lord Sorpespian.
»Seine Majestät würde sich niemals weigern«, warf Glozelle ein.
Miraz nickte und setzte sich wieder. »Sage deinem Bruder, ich werde kommen - und möge er hoffen, dass seine Klinge schärfer ist als seine Feder.«

Belle pov.

Peter verließ vor mir den Haug, neben ihm Edmund. Alle Narnianen hatten sich vor oder auf dem Hügel versammelt, während Miraz und einige seiner Lords und sein General am Ring standen. Im Hintergrund wartete seine Armee, die formiert und diszipliniert am Wald stand.
»Peter!«, rief ich und er drehte sich um. »Du musst das nicht machen. Es gibt auch andere Wege.«
Er trug die Rüstung, die ich ihm damals geschenkt hatte. Ja, sie war durch meinen damaligen Zauber mit seiner Größe mitgewachsen.
»Da macht sich ja jemand Sorgen. Oder sehe ich das falsch?«, sagte er grinsend. Ohne auf eine Antwort zu warten wandte er sich um und ging zu dem Feld, wo er gegen Miraz kämpfen sollte.
Wie sehr ich dich hasse, dachte ich innerlich. Ich kochte beinahe vor Wut. Vielleicht hat er recht, aber das werde ich niemals zugeben.
Ich folgte Peter in einem schnellen Tempo, da ich ihn einholen wollte. Doch dies war in meinem roten bodenlangen Kleid nicht so einfach, da er ziemlich große Schritte machte.
Nun war Peter angekommen. »Ihr könnt Euch immer noch ergeben!«, rief er rüber.
Kaspians Onkel, der auf einem Stuhl saß - so eitel - lachte. »Nur zu! Ich lasse Euch gerne den Vortritt!«
Peter nahm seinen Helm, den Edmund ihm entgegenhielt, und sein Schild. Ich sah, wie Miraz seinem General etwas zuflüsterte und ich konnte nur erahnen, was er gesagt hatte.
»Peter, bitte. Überdenk' das doch noch einmal«, flehte ich. »Auf Leben und Tod.. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Er ist viel älter!«
»Und genau das nutze ich aus«, antwortete der Hochkönig. Er stülpte seinen Helm über und betrat das Kampffeld.
»Der Verlierer bekommt alles«, wiederholte Miraz die Worte vom Pergament.
Peter nickte. »Ja, aber der werde ich nicht sein.« Mit einem lauten Brüllen schlug er zu, aber der telmarische König parierte sofort und schlug sein Schild gegen Peters Kopf. Dieser taumelte benommen nach hinten, konnte sich aber noch rechtzeitig fangen.
Dann begann es erst richtig. Peter attackierte wieder Miraz, dieser parierte und er schlug zu. Und das ging so eine ganze Weile. Bis Peter sich unter dem Schlag hinweg duckte und auf das Bein seines Gegners einschlug. Der Thronräuber schrie auf und riss sein Bein weg.
Der blonde Junge wollte mit seinem Schild zuschlagen, aber Miraz hielt es fest, drehte sich im Kreis, so dass Peters Arme und sein Schild auf seinen Rücken verdreht war, und drückte noch einmal kräftig zu. Ich hörte ein lautes Knacken und schrie auf. Peter stöhnte und fiel nach vorne.
»Was hält M'lord von einer kleinen Pause?«, fragte Miraz, der vollkommen aus der Puste war.
»Fünf Minuten«, meinte der Junge knapp.
»Drei.« Der Telmarer humpelte zu seinen Leuten und knurrte seinen General wütend an. Auch wieder verstand ich kein Wort, da sie zu weit weg waren.
Auf einmal tauchten Kaspian und Susan neben auf.
»Lucy..?«, wollte Peter sofort mit unruhiger Stimme wissen.
»Ihr geht es gut«, antwortete Susan.
»Geh lieber nach oben«, erklärte Peter und deutete auf den Haug. »Dort ist es sicherer.«
Susan nickte, umarmte ihren Bruder, der wieder aufstöhnte, und verschwand.
»Du müsst lächeln«, flüsterte Edmund.
Peter wandte sich seinem Volk zu und hob die Hand. Die Narnianen jubelten. Erschöpft setzte er sich auf einen großen Stein. Edmund kam zu ihm und sah sich seine Schulter an.
»Ich glaube, sie ist ausgerenkt«, hörte ich ihn sagen.
»Was wohl zu Hause passiert, wenn man hier stirbt?«, fragte Peter sich. Kurz darauf schrie er leise auf - Edmund hatte ihm die Schulter wieder eingerenkt.
»Sag so was nicht«, der braunhaarige Junge klopfte seinem Bruder den Rücken, dann ging er zu Kaspian.
Peter wollte gerade aufstehen und in den Ring gehen, als ich ihn festhielt. »Es tut mir leid«, flüsterte ich.
Überrascht drehte er sich zu mir um. Seine wunderschönen blauen Augen musterten mich. Er riss sich von mir los und wollte gehen, dann wandte er sich aber blitzartig um und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. Erschrocken sah ich ihm hinterher, als er den Ring wieder betrat. Alle hatten es gesehen. Alle!
Augenblicklich waren Miraz und Peter wieder in einem Kampf verwickelt. Ich fieberte krampfhaft mit. Oft sah es schlecht für den Sechzehnjährigen aus, doch in der entscheidenden Sekunde, wo Miraz' Bein nicht geschützt war, schlug er darauf ein. Es knackte laut. Der Thronräuber sank mit einem Schmerzensschrei vor Peter auf die Knie. Dieser hob sein Schwert und hätte Miraz töten können. Er tat es jedoch nicht.
»Na los, Junge. Oder bist du zu feige«, verhöhnte der Telmarer den Hochkönig.
»Peter, mach schon!«, brüllte ich. »Setz dem Ganzen ein Ende!«
Er tat nichts. Er bewegte sich kein Stück. Wütend schritt ich auf Miraz zu, nahm im Lauf Edmunds Schwert und wollte zuschlagen, als ich vor dem Thronräuber stand. Doch Peter hielt mich fest.
»Es ist nicht meine Aufgabe, das zu beenden«, sagte er und zog mich mit sich. Er überreichte Kaspian sein Schwert und dieser lief auf seinen immer noch knienden Onkel zu.
»Vielleicht hast du doch das Zeug zum Töten«, meinte er und sah seinem Neffen in die Augen. Kaspian lies ein Brüllen von sich und schlug das Schwert - zur Überraschung aller Versammelten - vor Miraz in das Gras.
»Ich bin nicht wie du«, spie er verachtend aus. «Behalte dein Leben. Aber ich werde den Narnianen ihr Königreich zurückgeben!«
Er drehte sich um und lief auf uns zu. Lord Sorpespian ging zu seinem König und half ihm auf.
»Es ist vorbei«, erklärte er unter Schmerzen.
»Noch nicht ganz.« Ich sah, wie der Lord einen von Susans Pfeilen, den das Mädchen im telmarischen Schloss verschossen hatte, hinter seinem Rücken hervorzog und mit ihm den König tötete. Dieser sank sterbend zu Boden. Erschrocken drehte sich Kaspian um. Miraz Beschützer stiegen auf ihre Pferde und ritten ihrer Armee entgegen, während Lord Sorpespian immer wieder »Wir wurden verraten!« brüllte.
Dann ging alles ganz schnell. Die Narnianen sammelten sich, Kaspian rannte in den Haug, Edmund gesellte sich an den Eingang und Peter zog mich mit sich.


Die Chroniken von Narnia - Die Rache || Band 2Where stories live. Discover now