0 - Ich denke, unsere Gesichte endet hier

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PROLOG
CASSANDRA PEREZ

Ich spaziere in diesem Gelände herum und hoffe dabei nicht wirklich erwischt zu werden, denn dieser Ort ist eigentlich Tabu für mich. Meine Neugierde hat jedoch überwogen und ich bin Silas hierher gefolgt. Zu gerne möchte ich erfahren, was sich hier abspielt. Denn irgendwie redet jeder darüber, aber irgendwie auch zu wenig. Ich konnte bisher kaum entziffern, um was es sich hier handeln könnte. Dieser Ort sieht echt verlassen und angsteinflößend aus. Ich bräuchte für diesen Ort das ganze FBI und nicht einmal da wären wir denke ich mal sicher. Und was zur Hölle mache ich? Ich spiele mit meinem Leben und spaziere hier herum, als würde es mir gehören. Plötzlich höre ich einen lauten Schuss und Geschrei. Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, folge ich dem Geschrei und lande bei irgendwelchen großen Containern. Langsam schleiche ich mich durch diese durch, bis ich nicht endlich zu dem Punkt ankomme, wo ich etwas sehe. Tatsächlich würde ich mir gerade wünschen es nicht zu sehen, denn ich bin dezent angeekelt. Ich sehe zwei Kinder und eine Frau am Weinen und ich vermute einmal, dass es der Vater ist, der am Boden erschossen liegt. Und das sogar direkt in den Kopf. Die vier sind umzingelt von den Mafiosi. Und das wäre eigentlich der Zeitpunkt wo ich gehen sollte, denn das hier ist sogar eine Gefahr für mich.

Ich drehe mich um und will zum Gehen ansetzen. Doch plötzlich pralle ich gegen eine Brust ab. Ich sehe hoch und sehe Silas vor mir. Ich puste erleichtert aus und umarme ihn. Dieser löst sich von mir und schubst mich weg. Immer weiter weg. Bis ich an die Bildfläche komme. Panisch sehe ich Silas an, jedoch lacht dieser nur und rückt mir noch mehr an die Pelle bis ich stolpere und mein Gewicht nicht mehr halte und somit auf dem Boden lande.

„Mein Sohn, wen haben wir denn da. Cassandra?", beginnt sein Vater seine Aufmerksamkeit mir zu schenken und ich merke schon die vereinzelten Gesichter, der anderen als ich in die Runde sehe. Diese sehen gar nicht mehr menschlich aus, sondern eher wie hungernde Tiere, die nur auf ihre Beute gewartet haben. Zum ersten Mal verspüre ich eine so große Angst. Nicht weil ich mein Leben verlieren könnte, eher davor, wie ich es verlieren könnte.

„Steh auf!", befehlt mir sein Vater, jedoch bleibe ich vor lauter Angst sitzen. Es dauert nicht lange, bis mich Silas an den Armen packt und mich wortwörtlich nach oben zieht. Ich blicke ihm dabei in die Augen, jedoch kann ich in diesen gar nichts erlesen. Sie sehen so leer aus. Vor mir steht nicht der Silas, den ich kenn' und liebe. Das ist ein ganz anderer Silas.

„Bring sie hier in die Mitte", erteilt sein Vater den nächsten Befehl. Und im nächsten Moment werde ich von ihm in die Mitte gezerrt. Der Silas, der sich eigentlich nie Befehle erteilen lässt, tanzt jetzt ganz brav nach der Pfeife seines Vaters. Er sieht wie ausgewechselt aus und das ist unheimlich.

„Nimm deine Waffe und erschieß sie." Meine Augen landen auf seine Hand, denn er ist gerade dabei seine Pistole rauszuziehen. Ich schlucke. Macht er das wirklich? Er geht zwei Schritte zurück und richtet seine Pistole auf mich.

Ich stehe wie angewurzelt da, während Silas seine Pistole auf mich gerichtet hat. Ich versuche, Augenkontakt zu ihm aufzubauen, aber momentan geht das sehr schwer. Es fühlt sich so an, als würde mein Blick nicht bei ihm durchdringen können. Ich frage mich nun, was der Grund für das hier ist. Dass ich aufgeflogen bin, denke ich eher weniger. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass meine Anwesenheit auf diesem Territorium so schlimm ist, dass er mich erschießen muss. Vor allem, dass er mich einfach so seinem Vater und den Männern als Fraß vorwirft, obwohl er mich auch hätte gehen lassen.

„Bitte tu es nicht. Ich liebe dich", sage ich zu ihm. Er hält die Pistole noch aufrecht und spielt dabei mit seinem Fuß mit den kleinen Steinen, die am Boden sind herum. Er fängt an zu lachen und der Rest auch. So als wäre mein »ich liebe dich« das lächerlichste, dass sie je gehört haben. So als wäre es Silas total egal, was er als Nächstes machen muss. Als hätte es uns nie gegeben – als wäre unsere Liebe erloschen. Er ist mir so fremd.

„Wenn du mich je geliebt hast, auch nur ein kleines bisschen, wirst du das nicht tun", sage ich zu ihm und plötzlich sieht er zu mir hoch. Neigt seinen Kopf etwas nach rechts, so als würde er versuchen diesen zu knacksen und ohne mit einer Wimper zu zucken, drückt er ab. Ich erstarre förmlich und gucke runter und erblicke dabei, wie Blut aus meinem Bauch kommt. Langsam gehe ich zu Knie und halte mit meiner Hand an diese Stelle. Meinen Blick richte ich hoch zu Silas, der mich noch immer gleichgültig ansieht. Eine Träne nach der anderen fließt über meine Wangen. Nicht wegen des Schmerzes von diesem Schuss, sondern wegen des Schmerzes, der mir im Herzen verpasst wurde. Er hat genau das getan, auf was ich verzichtet hab. Ich habe ihm am Leben gelassen und habe ihn nicht umgebracht, obwohl ich schon so oft die Möglichkeit dazu gehabt hab. Ich hätte ihn auch ausliefern lassen können, aber ich habe es nicht getan, weil ich mich verliebt hab. Meine Liebe zu Silas war so stark, dass ich wirklich das FBI aufgeben wollte. Und hier bin ich. So naiv wie ich doch eigentlich bin, knie ich hier am Boden und habe einen Schuss von meinem Liebhaber abbekommen. Den Grund weiß ich noch nicht und diesen werde ich wohl auch nicht erfahren. Du hattest mir die Welt versprochen und hast sie mir in wenigen Augenblicken genommen. Ich denke, unsere Geschichte endet hier, Silas.

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Doch damit ihr versteht, weshalb sich Cassandra in Silas verliebt hat und ihren Job aufgeben wollte, müssen wir an den Anfang. Komplett an den Anfang, wo sie Silas noch nicht kannte, wo ihr Leben noch gut war und sagen wir mal so, die Vorbereitung auf diese Operation ihr größtes Problem waren.

The Perez DealWo Geschichten leben. Entdecke jetzt