Kapitel 2

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»Es war ein Vergnügen, Sie alle heute mal richtig zu Gesicht zu bekommen. Es hat Spaß gemacht, ich hoffe, für Sie war es auch etwas angenehmer, als immer nur über den Bildschirm zu lernen. Bitte gehen Sie bis morgen die nächsten zwei Kapitel durch und schreiben Sie eine Zusammenfassung, ich sammle sie dann ein.«

Erschöpft lasse ich meinen Stift fallen und lege meine Stirn auf das Buch vor mir. Neben mir erklingt ein kehliges Lachen. »So schlimm war es nun auch nicht.« Der blonde junge Mann, der zwei Sitze weiter sitzt, schließt sein Buch, genau wie ich hat er sich die letzten drei Kursstunden nur Notizen gemacht. Ich spüre meine Hand nicht mehr. Ich habe gerade das Gefühl, das erste Mal ausatmen zu können.

Pünktlich um neun habe ich diesen Raum betreten und außer nach dem zweiten Kurs, als der Professor gewechselt hat und ich von der Toilette zum Snackautomaten und wieder zurück geeilt bin, hatte ich keine Verschnaufpause. Als hätten die Professoren nur darauf gewartet, uns wieder richtig unterrichten zu können, hat keiner der beiden aufgehört zu reden und ich musste mir die ganze Zeit Notizen machen. Jetzt ist es kurz nach eins, mein Magen knurrt wie verrückt und ich bin fix und fertig.

»Also zu Hause, wo ich einfach mal Kellogs essen konnte und zwischen den Kursen immer zwanzig Minuten Pause lag, war es etwas ganz anderes.« Der junge Mann steht auf, seine eisblauen Augen fahren einmal mein Gesicht entlang, was mich dazu bringt, mich wieder richtig hinzusetzen. Das mit den Kellogs war jetzt nicht besonders sexy, aber leider wahr, ich liebe diese Dinger einfach.

»Das stimmt, aber so ist das wahre Studentenleben, habe ich zumindest gehört. Ich bin Kian, hast du auch alle Juragrundkurse im zweiten Semester belegt?« Ich nicke und reiche ihm die Hand. »Das war wohl etwas zu voreilig, doch ich dachte, das schaffe ich schon. Emilia, die jetzt noch einen weiteren Kurs Rechtsjournalismus hat und dann bis tief in die Nacht eine Zusammenfassung schreiben wird.« Kian lacht auf und wir laufen zusammen aus dem Kursraum. »Ich habe noch zwei Kurse Sportwissenschaften mit der juristischen Auslegung und dann noch Training, also wird es bei mir sogar noch länger dauern.«

Heute Morgen habe ich eine Nachricht bekommen, dass ich im Forum der San Francisco Devils aufgenommen bin, ich hatte noch keine Zeit reinzusehen, doch jetzt blicke ich interessiert auf. »Oh, Training? Schwimmen? Football? Softball? Hier wird ja einiges geboten.« Wir verlassen zusammen den Juratrakt, bis zu den nächsten Kursen sind vierzig Minuten Pause und alle strömen in Richtung Cafeteria. »Ich spiele bei den Devils.« Wie praktisch, ich spüre, wie sich ein interessiertes Lächeln auf meine Lippen setzt. »Oh, ein Devil, ihr seid ganz schön bekannt auf dem Campus. Ich hatte nicht erwartet, dass ich einen von euch im Jurakurs treffe.«

Kian hält mir die Tür zur Cafeteria auf, schon hier stauen sich die Studenten, ich werde viel zu lange in der Schlange stehen. »Berühmt sind eher die Stammspieler, ich sitze noch auf der Bank und durch das Virus muss ich erst den Weg ins Team finden. Die Freshmen und die aus dem zweiten Semester haben es generell schwerer reinzukommen als die, die schon lange dabei sind. Die Stammspieler bestehen überwiegend aus Seniors, doch wie im Jurastudium heißt es einfach am Ball bleiben, dann klappt es schon. Ich hoffe doch nicht, du bist eine der Personen, die noch das Klischeebild vom dummen Footballer im Kopf haben. Die meisten Footballspieler gehören zu den Studenten mit den besten Noten, das wird sogar erwartet. Da vorne sind welche aus der Mannschaft, ich schätze, wir sehen uns, Emilia, und bleib am Ball.«

Das werde ich. Mit Sicherheit. Ich notiere mir im Kopf zu überprüfen, ob es stimmt, dass die Spieler zu den besten Studenten gehören, tatsächlich habe ich ein wenig das Bild von dem etwas weniger fleißigen Spieler aus der Highschool im Kopf. Ich weiß, dass sie immer einen bestimmten Notendurchschnitt halten mussten, doch der war nicht sehr hoch angesetzt.

The Game of Trust - San Francisco DevilsWhere stories live. Discover now