Diebe! Wir haben Diebe!

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Monate später? Jahre später? Jahrzehnte später? Nein, erst Jahrhunderte Jahre später sollte unsere Geschichte nun fortgesetzt werden. Man erzählte sich gegenseitig noch immer von dem großen und sagenumwobenen Schatz des alten Königs und wirklich jeder würde alles dafür geben, diesen Schatz einmal sehen zu dürfen, anfassen zu können, ihn in den Händen zu spüren. Sie alle hatten keinen blassen Schimmer, um welches Ausmaß es sich bei dem Schatz handelte. Jeder hörte nur die Geschichten, die von der Vergangenheit überliefert wurden und keiner wusste so recht, ob man diesen Geschichten Glauben schenken durfte. Der Schatz war von den Bewohnern nie gesichtet worden, er war ja, so überliefern es die Ältesten des Dorfes, verbannt worden in eine Unterwelt und bewacht werden von unzähligen schaurigen Wesen, Kreaturen, Drachen! Einer tödlicher und gefährlicher als der andere. Und keiner von ganz ArcánaMundí wusste überhaupt, wo sich der Eingang in diese Unterwelt befinden sollte. Nie hatte man jemals einen Hinweis dazu entdeckt. Keiner wusste, wo man anfangen sollte danach zu suchen. Aber einmal ganz ehrlich: Selbst wenn es einer wüsste, sie alle waren sehr skeptisch, ob es das Risiko wert war, sich den Kreaturen zu stellen. Denn es wurde viel erzählt. In den Büchern stand so einiges über die Wesen, die Grucius damals erschaffen haben sollte.  Und das, was in den Büchern stand, ließ einem die Haare zu Berge stehen, das Blut in den Adern gefrieren, eine Gänsehaut am ganzen Körper spüren. Wenn die Geschichten wahr wären, dann hätte man, selbst wenn man den Eingang finden würde, noch unzählige Hindernisse, um dann womöglich kurz vorm Ende doch noch zu sterben.

Aufgrund dessen, dass es nie jemand ansatzweise geschafft hatte, den Eingang zu finden, zumindest wusste niemand von jemanden, der es geschafft haben sollte, lebten die Dorfbewohner nicht gut, die Königsfamilie aber auch nicht. Auch ihr ging es nicht gerade prächtig. Jeder Einzelne musste für sich selbst kämpfen und keiner durfte sich etwas vom König erhoffen, da auch die Königsfamilie wenig hatte und schwere Zeiten durchleben musste. Sie wurde kaum gepriesen. Viele Wesen und Menschen hatten keinen Respekt mehr vor ihr. Der König hatte kaum noch etwas zu sagen. Das Leben von der Adelsfamilie unterschied sich nicht wirklich von dem der Bauern und Handwerker. Tagein, tagaus mussten sie arbeiten, um für Brot und Wasser zu sorgen. Kurz gesagt: Allen vom Dorf Murík ging es elend, sie hofften auf ein Wunder, warteten auf den Retter, so wie es in den Büchern niedergeschrieben stand. Der Erlöser von der Armut. Der Mann, der laut Grucius würdig sein sollte, der es schaffen sollte, in die Unterwelt zu gelangen, um den Schatz zu befreien und die Armut zu besiegen. Denn von anderen Adelsfamilien und Dörfern konnte man leider nichts erwarten. Sie alle hatten kein Mitleid mit dem Dorf Murík, kein Mitleid mit der Königsfamilie. Auch Sie kannten die Überlieferungen und wussten den Grund für die Armut. Sie fanden es fair und gerecht, dass der Schatz nicht mehr in dieser Welt war. Doch wann sollte das Wunder geschehen? Jetzt waren schon so viele Jahre vergangen, eine endlos lange Zeit und noch immer keine Spur eines Retters.

Es war gerade Mitte August, die Sonne schien, die Luft war klar und die Bauern arbeiteten auf den Feldern, als der siebzehnjährige Prinz Jéremy-Jaysón Prince, Sohn von König Luíz-Sacháris Prince und Bruder des zukünftigen Herrschers Jáissy-Jáck Prince durchs prächtige und wunderschöne Schloss, sein Zuhause schlich. Ihm war langweilig. Alle waren beschäftig. Sein Vater war auf den Feldern, um den Bauern zu helfen. Sein Bruder bei den Dienern, um zu lernen, was es bedeut, König eines Landes zu sein. Seine Mutter in der Küche das Essen zubereiten und seine kleine Schwester Méry-Sophíne in ihrem Zimmer mit zwei anderen ihres Alters. So machte er sich auf den Weg hinunter in die unterirdischen Gemäuer des Palastes. Er wollte ein wenig in den alten Utensilien schmökern. Hier konnte man sozusagen in alte Zeiten zurückreisen. Die Räumlichkeiten unten waren Hunderte von Jahren alt und nicht ganz so intakt wie der Rest des Schlosses. Prinz Jéremy betrat einen Raum am Ende eines Tunnels und fand einen großen braunen Schrank, komplett morsch und staubig in der linken Ecke stehen. Mit Vorsicht zog er eine Schublade aus dem Schrank und neugierig schaute er auf den Inhalt der Lade. Alte Federn eines längst toten Vogels und eine kleine goldene Uhr, die allerdings wertlos war. Er öffnete noch weitere Schubladen. Alte Messer und Ringe, Gläser und Bücher befanden sich noch im Schrank. Jéremy drehte sich um, verließ den Raum und schritt noch weiter hinab. Noch weiter unten betrat er eine dunkle Kammer mit vielen langen dunklen Kästen. Der junge Erwachsene näherte sich langsam und vorsichtig einem, der von oben bis unten verziert war mit lauter kleinen funkelnden Steinen, Edelsteinen. Vermutlich die einzigen Kostbarkeiten im Schloss. Wenige Überreste des großen Schatzes. Verwendet, um den Kasten so schön wie möglich aussehen zu lassen. Doch für was, fragte sich der Prinz. Wieso nutzte man diese Steine nicht, um das Leben der Dorfbewohner zu erleichtern. Wieso befanden sich diese Kostbarkeiten unter dem Schloss, wo sie keiner zu Gesicht bekam? Wieso vergammeln sie hier auf dem Kasten, anstatt oben auf Erden zu sein, wo man sie nutzen könnte, um ein wenig der Armut zu entfliehen? Langsam trat er näher an den Kasten heran. Er wollte wissen, was es mit dem auf sich hatte, denn er wusste es nicht. Er hatte keine Ahnung. Er öffnete den Schrank und besah sich den Inhalt. Es brachte seinen Atem zum Stillstand. Jéremy konnte kaum glauben, was er da sah. Er hatte soeben die letzte Ruhestätte seines Vorfahren, dem großen und mächtigsten Herrscher Grucius Prince, entdeckt und sah nun hinab in das kahle Gesicht des toten Mannes. Die letzten Überreste. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte er ihn lediglich von alten Büchern und Gemälden. Jetzt lag er da vor ihm. Wie lange schon, fragte sich der weit, weit entfernte Verwandte. Eine traurige Stimmung hing in der Luft und dem Siebzehnjährigen kamen fast die Tränen. Es war für ihn so surreal. Was hatte dieser Mann alles erlebt? Welch wunderbare Zeiten mit dem Schatz hatte dieser Mann hinter sich? Wie war das Leben damals? Jéremy wollte mehr über seinen Vorfahren wissen. Er wollte herausfinden, wie es damals war zu jener Zeit. Atemlos starrte er dem Toten in die dunklen Augen, die irgendwohin ins Leere starrten. Es roch ein wenig nach Verderbnis, aber dem Jungen machte dies nichts aus. Zögerlich wollte der Prinz den Sarg wieder schließen, doch da fiel sein Blick auf ein kleines Schwarzes etwas. Es war fast nicht zu sehen. Wenn man nicht genau schaute, so konnte man sehr leicht darüber schauen. Er steckte seine Hand aus, nahm das schwarze Etwas und betrachtete seinen Fund genauer. Der Gegenstand war extrem staubig und alt, doch man konnte genau erkennen, um was es sich handelte - ein Buch. Uralt und anscheinend von kaum jemanden angesehen. Vorsichtig wischte der Jugendliche mit einem Handschlag den Staub weg. Der Titel war schwer zu lesen. Erstens war die Schrift schon aufgrund des Alters ein wenig schwächer und zweitens dürfte es sich hierbei um eine noch alte Sprache handeln, die der Junge nicht konnte. Nocturíus ár Maestro Grucíus las Jéremy. Komplett verwirrt blätterte der Junge um keine Ahnung habend, was da niedergeschrieben stand. Stirnrunzelnd las er weiter, was auf der nächsten Seite geschrieben stand. Auch hier dürfte es sich um die alte rätselhafte Sprache handeln, denn er verstand rein gar nichts. Xyrem el portchor fúevo ív detroxy wor narechá tscheffe tredhar locom empadche mokortz wí fopuí derá. Dejó en la wela de upsidé on fig la bestialos on také la treásure. On la fartan el relajo Ébere tarcó. Jéremy hatte keinen Schimmer, was dies bedeuten sollte. Er blätterte weiter, wollte wissen, ob noch mehr niedergeschrieben war. Ein paar weitere Zeilen fand er, ansonsten war das Buch leer. Extrem viele unbeschriebene Seiten. Am Ende fand er noch eine kurze Notiz. Liá wurx y cor ekpa teje andro plesob. Nachdenklich durchforstete er noch einmal das gesamte Buch, ob er auch nichts übersehen hatte. War das wirklich schon alles? Und was bedeuteten diese Wörter überhaupt? Fragen über Fragen. Er wollte antworten. Er wollte wissen, um welches Buch es sich hier handelte und was der Inhalt in der heutigen Sprache aussagte. So überlegte er. Gibt es jemanden, der ihm da weiterhelfen könnte? Und schon nach kurzer Zeit fiel ihm jemand ein. Er wollte einen der Diener fragen, Scrupius. Zu ihm hatte Jéremy am meisten Kontakt. Vielleicht wusste ja dieser, wie man die Sprache übersetzen konnte. So ging der Siebzehnjährige hinauf in sein Zimmer und ließ Scrupius zu sich rufen. Nach kurzem Warten, der Junge war inzwischen schon sehr nervös und zappelig, erschien ein prachtvoller Bursche mit breiten Schultern und einem Walrossbart. Er war glatzköpfig, seine Augen zu Schlitzen verengt und seine Ohren eng am Kopf anliegend. „Kannst du das lesen?", wurde der gut gebaute Mann, gleich nachdem er den Raum betreten hatte, von Jéremy gefragt. Voller Hoffnung starrte der Junge den Diener an. Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn er gleich wissen würde, was in dem Buch geschrieben stand. Doch leider wurde er enttäuscht. Scrupius besah sich die Seiten des Buches und musste die Stirn runzeln. Nach kurzem Zögern sprach er: „Nein, es tut mir leid. Aber ich bin noch zu jung und kann diese Sprache nicht. Ich habe zwar von ihr gehört, oft von Überlieferungen und Sagen, bin aber nicht in der Lage, sie zu übersetzen. Aber du kannst es bei Jajób probieren. Möglicherweise kann er es. Er ist der älteste Diener hier im Schloss. Eventuell kann er diese Sprache noch verstehen und dir sagen, was diese Zeilen da bedeuten." Schulterzuckend verließ er den Raum. Jajób, das ist eine gute Idee. Daran hätte ich gleich denken können, dachte Jéremy. Keiner war so alt wie Jajób und keiner war so lange Diener für die königliche Familie wie Jajób. Oft hatte er einen Plan, wusste etwas, wo andere nur schulterzuckend dastanden und nichts wussten. Ihn würde er jetzt fragen. Hoffentlich konnte dieser ihm helfen. Sofort ließ Jéremy den alten Diener herbeiholen. Es dauerte nicht lange, da trat ein Mann ein, sein Bart war lang und glänzte weiß. Seine Augen voller Liebe und Zuneigung. Auf der etwas schiefen Nase hatte er eine alte Brille und seine Finger waren lang und dünn. „Was gibt es mein Herr, was kann ich für dich tun? Du hast mich rufen lassen, wofür?" „Ich habe ein Buch gefunden. Doch leider kann ich den Inhalt nicht verstehen. Er wurde in einer noch alten Sprache geschrieben und ich möchte gerne wissen, was er bedeutet. Ist es euch zugetan, dass ihr diese Sprache versteht? Können Sie mir sagen, um was es bei diesen Zeilen geht?" „Nun Jéremy, zeige mir einmal dieses Buch", krächzte der alte Mann. Der Königssohn reichte dem Mann seinen Fund vorsichtig und ein klein wenig ängstlich. Dieser nahm das Werk etwas zimperlich entgegen und begann den Text zu studieren. Er fing an zu lesen und zu verstehen. „Tagebuch des großen Königs Grucius" lautete die erste Zeile. Jéremy drängte. Voller Neugierde und Wissensdurst. Es fing an, spannend zu werden. Das war also das Tagebuch des alten Königs. Und ausgerechnet er hatte das entdeckt. Jajób setzte fort: „Suche die fünf Ringe und stecke sie an die rechte Hand meines Abbilds. Tauche ein in die Unterwelt und bekämpfe die Bestien. Sollte dir gelingen, alle zu besiegen, so bist du würdig, den Schatz mitzunehmen und über ArcánaMundí zu herrschen. Nur ein wahrer Erbe wird dies schaffen. Die Ringe sind in ganz ArcánaMundí verteilt. Du findest jeweils einen Hinweis bei jedem Ring. Verliere mich nicht, denn du wirst mich noch benötigen! Der erste Ring befindet sich an dem Ort, an dem sich Anfang und Ende vereinen!" Nach Beenden des letzten Satzes blickte der Diener den Prinzen an und räusperte sich. „Woher hast du dieses Buch, mein Herr?" „Ich fand es in der Grabkammer vom alten König höchst persönlich" „Dies ist eine alte wichtige Hinterlassenschaft. Ich muss dieses Buch dem König bringen! Es tut mir leid." Jéremy versuchte ihm zu erwidern, es ihm auszureden. Doch vergebens. Der Alte verließ mit dem Buch den Raum und ließ den Königssohn verdattert und enttäuscht zurück. Noch am selben Tag versuchte er seinen Vater zu überzeugen, ihm das Buch zu geben, doch dieser meinte nur, er sei noch zu jung und er hätte auch nichts verloren in den unterirdischen Gemäuern. Kein Dank, kein Applaus für die Entdeckung. Stattdessen ein Verbot. Er solle nicht weiter recherchieren und normal spielen, wie seine kleine Schwester.

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⏰ Last updated: Dec 06, 2022 ⏰

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Arcána Mundí - Der königliche SchatzWhere stories live. Discover now