Kapitel 2

5 2 1
                                    

Henry

Die Suppe schmeckte nach vergammelten Socken.

Als mein Vater mir mitteilte, dass ich auf eine Privatschule wechseln würde, hatte ich so einen noblen Schuppen mit goldenen Treppen, Kronleuchtern in den Gängen und Seefisch zum Mittagessen erwartet.

Stattdessen gab es ganz normale Treppen, ganz normale Lampen und Linsensuppe. Ich schob mein Mittagessen unmotiviert auf meinem Teller herum.

Der einzige Grund, warum ich überhaupt einem Schulwechsel zugestimmt hatte, war, dass ich erwartet hatte, dass ich nicht alleine wechseln würde. Schließlich hatte ich mich nicht alleine in die Scheiße geritten, die zu alldem hier geführt hatte.

Leider schien eine Privatschule am anderen Ende der Stadt nur für meinen Vater eine sinnvolle Lösung (oder Bestrafung, wie man's nimmt) zu sein. Nun saß ich hier also. Alleine beim Mittagessen in einer neuen Schule, ohne Freunde oder Anschluss jeglicher Weise (ich hatte keine Ahnung wo die Räume hier waren und um sie zu finden hatte ich mich in jeder Stunde bei fremden Gesichtern erkundigen müssen, was mir zugegebenermaßen etwas peinlich war) und Linsensuppe.

Linsen waren wirklich das Gemüse des Teufels.. waren Linsen überhaupt Gemüse? Und selbst wenn, welcher Mensch hatte vor tausenden von Jahren eine Linse gesehen und sich gedacht, das runde Ding, dass aussieht wie ein platter Kaninchenköttel, das ess' ich mal..

Während ich im Kopf schon einen inneren Krieg gegen kleine Linsenmännchen führte, merkte ich kaum, wie sich eine Hand auf meine Schulter legte. Erschrocken schaute ich vom Tisch auf, in das Gesicht, das zur Hand gehörte. Mein Blick streifte über helle Haut zu einem Sommersprossen- übersäten Gesicht mit blonden Haaren und blauen Augen, die hinter einer Brille hervorblitzten.

„Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich hatte dich nur einige Male angesprochen und du hattest nicht reagiert..", sagte der Typ, der aussah wie, das größte Klischee für Nerds, er trug sogar ein Polo-Hemd, wäre es nicht für seine gute Statur. Ich würde auf Schwimmer tippen.

Ich schien ihn wohl etwas irritiert anzustarren, denn er wurde rot und ging schnell an sich zu vorzustellen: „Ich bin Logan, der Schulsprecher. Ich bin eigentlich dafür verantwortlich dich hier als neuen Schüler herumzuzeigen, ich bin aber heute morgen anderweitig beschäftigt gewesen."

Ich wusste immer noch nicht ganz was er von mir wollte, aber das erklärte schonmal, warum ich heute morgen so unbeholfen nach Wegweisungen fragen musste. Außerdem hielt er schon seit er sich vorgestellt hatte seine Hand aus, damit ich sie schütteln konnte, also tat ich das, jedoch immer noch verwirrt. 

„Henry Bullock.", murmelte ich.

„Freut mich. Ich wollte fragen, ob du dich vielleicht zu mir und meinen Freunden setzten wolltest, da du ja heute morgen, bestimmt noch keine Möglichkeit hattest dich irgendwo vorzustellen."

Er lächelte mich mit perfekten weißen Zähnen an und ab diesem Moment fand ich ihn wirklich sympathisch. Er hätte auch einfach nichts machen können, aber stattdessen sah er es als Möglichkeit mir auszuhelfen.

„Klar, warum nicht. Alles um von dieser Suppe wegzukommen.", witzelte ich.

Logan grinste mich wieder an und deutete mit seinem Kopf in die andere Richtung der Mensa, damit ich ihm folgte.

„Oh ja, man lernt schnell das Essen hier stehen zu lassen und sich stattdessen etwas mitzubringen oder von draußen zu holen."

„Man darf sich hier Sachen von draußen holen?", fragte ich erstaunt. „Nein, aber solange es niemand mitkriegt, kann kein Lehrer beweisen, dass man die frische Dominos Pizza nicht von Zuhause mitgebracht hat.", grinste Logan.

Wir waren mittlerweile fast an einem Tisch, genau in der Mitte des Raumes angekommen und ich nahm an, dass es genau der war, den wir ansteuerten. Am Tisch saßen drei weitere Personen: zwei Typen und ein Mädchen.

Der erste Typ sah Logan ziemlich ähnlich, nur breiter gebaut und ohne die Sommersprossen und Brille. Das Mädchen neben ihm genauso. Nur dass sie aussah wie das exakte Gegenstück von Logan, nur ohne Brille und in weiblich. Der letzte Typ hingegen hatte pechschwarzes Haar und sah im Gegensatz zu den meisten anderen weißen hier aus, als wäre er asiatischer Herkunft. Er sah außerdem ziemlich müde aus. Oder high. Vielleicht auch beides.

„Leute, das hier ist Henry. Er hat gerade schon Bekanntschaft mit dem Essen hier gemacht.", stellte mich Logan vor, während er sich auf den Stuhl neben dem Bekifften hinunter ließ.

Es waren noch zwei weitere Plätze frei ich und ich setzte mich auf den neben ihm.

„Mein Beileid", sagte die Blonde: „Willst du was von der Pizza?", fragte sie während sie mir schon eins auf einer Servierte in die Hand drückte. „Danke", sagte ich überrumpelt.

„Gerne. Ich bin übrigens Stella. Das sind Reese", sie deutete auf den Muskelprotz neben sich und dann auf den schwarzhaarigen: „und Easton. Logan kennst du ja bereits." Reese und Easton murmelten beide Begrüßungen in meine Richtung, schienen aber momentan noch nicht ganz in Stimmung für eine lange Unterhaltung zu sein, was Logan und Stella nichts auszumachen schien, den sie fingen direkt an weiter zu reden.

„Also Henry, wie kommt es, dass du hierher gewechselt bist?", fragte Logan mich.

Über den Vorfall zu sprechen hatte ich bestimmt nicht vor, weswegen ich so wage wie möglich antwortete: „Ich war vorher auf der Bridgewood- High aber mein Vater hat mich hier hin geschickt nachdem ich, in seinen Worten; meinen 'Pegel an jugendlichem Fehlverhalten' überschritten habe."

„Bridgewood- High?", fragte Stella erstaunt: „Aber das ist doch am anderen Ende der Stadt?"

Ich nickte. Mir erschien es auch unglaublich idiotisch, dass ich für diese Schule, die von dem Image einer Privatschule, die ich mir vorgestellt hatte, sehr weit abwich, jeden Morgen 50 Minuten mit meinem Auto fahren musste. Ich war mir ziemlich sicher, es war einer der Wege meines Vaters mich zu bestrafen. Aber hey, wenigstens musste ich meine Benzinpreise nicht selber bezahlen.

„Ja, da wohne ich auch. Ich bin eigentlich sonst auch selten hier gewesen."

Stella bekam teller-runde Augen. Anschließend geschah etwas in ihrem Gesicht, dass ich nicht besser beschreiben konnte als, dass sie in Millisekunden von verdutzt zu nachdenklich bis hin zu begeistert wurde. „Was ist wenn wir dir die Tage diesen Stadtteil zeigen? Wir können dich herumführen und dir alle geheimen Orte zeigen die jeder Schüler dieser Schule wissen muss und Pizza essen!" Sie schaute abwartend in die Runde. Von den anderen erklangen zustimmende Laute.

„Warum nicht? Aber nur unter einer Bedingung."

„Und zwar?", fragte mich Easton. Das war das erste Mal, dass er mich bisher angesprochen hatte. Während seine Miene steinkalt blieb, erkannte ich das belustigte Schimmern in seinen Augen.

„Wir warten mit der Pizza bis ihr bei mir vorbeikommt. Ich wette, ich kenne bessere, als ihr." Noch bevor mir meine lachenden neuen Freunde? widersprechen konnten, fügte ich hinzu: „Ich bin Italiener."

Und damit war das Eis gebrochen.

...

Der darauf folgende restliche erste Tag verlief daraufhin viel besser. Nun, dass ich Leute hatte mit denen ich im Unterricht zusammen sitzen konnte- Wir hatten unsere Stundenpläne verglichen und außer Literatur, was alle von ihnen zu langweilig fanden, hatte ich mit jedem mindestens einen Unterricht zusammen- fühlte ich mich schon um einiges besser. Sogar die Nachricht von meinem Vater die ich auf dem Weg nach Hause erhielt ließ mich kalt.

Wir erhalten morgen wichtige Geschäftspartner zum Abendessen. Sei nicht zu spät. 19:00.

Im Nachhinein hätte ich seiner Nachricht lieber mehr Achtung geschenkt und mein Handy nicht nur mit einem Augenrollen auf den Beifahrersitz geworfen.  Ich hatte ja keine Ahnung, dass dieses Essen mein Leben für immer verändern würde.

LovesongWhere stories live. Discover now