Neue in der Klasse

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,,Oha, Leona, was ist dir denn passiert?" , kicherte meine Freundin von der Seite. Ich stöhnte: ,,Habe verschlafen." ,,Du? Das gab's ja auch noch nie." ,,Der Wecker muss defekt sein." Ich schnitt eine Grimasse. ,,Sehe ich denn so schlimm aus?" ,,Ne, du bist nur knallrot im Gesicht." Ich sendete Laura einen Todesblick und erklärte ihr: ,,Was glaubst du, wie ich rennen musste um den Bus zu erwischen?" Mein Magen meldete sich lautstark zu Wort, da ich noch keine Zeit gehabt hatte etwas zu essen. Ich wurde knallrot im Gesicht.
In diesem Moment trat Frau Stein ein und die Klasse verstummte. Hinter Frau Stein kamen zwei Mädchen in's Zimmer: Eines hatte lange, glatte, schwarze Haare und ein wunderschönes schwarzes Kleid, dazupassende Lackschuhe und das andere Mädchen hatte blonde, gewellte Haare, ein noch schöneres weißes Kleid und ebenfalls dazupassende Lackschuhe. Und beide hatten so unglaublich strahlende blaue Augen, dass man das selbst in der letzten Reihe noch sehen musste. Außergewöhnlich blass waren sie auch. Bei den Mädchen wurde sofort getuschelt und die Jungs schauten einfach nur. Meine Freundin flüsterte mir amüsiert zu: ,,Wie sie aussehen! Das sind bestimmt Zwillinge, die möglichst gut unterschieden werden wollen." ,,Still!", rief Frau Stein und es wurde sofort wieder ruhig.
,,Das sind Amia und Moon. Sie sind neu hier in der Klasse und sie sind Zwillinge. Wenn ihr so freundlich wärt, euch vorzustellen... ?" ,,Siehst du?", flüsterte Laura wieder. Ich nickte. ,,Moon!", rief einer der Jungen, aber es lachte keiner. Komisch: Die Jungen warfen sich normalerweise wegen jeder Kleinigkeit weg. Alle total albern. Aber heute... Die beiden Zwillinge sahen mir direkt in die Augen und rissen mich so aus meinen Gedanken. Ich schluckte und starrte zu Boden. Das blonde Mädchen trat vor und begann: ,,Hallo, ich bin Amia. Frau Stein hat euch ja bereits gesagt, dass Moon und ich Zwillinge sind. Leider kann ich nicht so viel zu uns sagen... Hat jemand Fragen?" Sie hatte eine ungeheuer sanfte, wohlklingende Stimme. Das passte zu ihr, fand ich. Einer der Jungen ruft: ,,Seit ihr eineiige oder zweieiige Zwillinge?" ,,Das kann man ja wohl sehen!", antwortete das Mädchen, dass Moon hieß, schroff. Ihre Stimme war nicht so sanft wie die von Amia, sondern viel härter, aber trotzdem auch wunderschön.
,,Was bedeutet eineiig und zweieiig?", fragt Samuel, und alle verdrehen die Augen.
Nach einem zehnminütigen Vortrag von Frau Stein was das denn bedeutet, und alle mit dem Kopf in den Händen hofften, dass sie bald fertig wurde, wurde Moon gefragt: ,,Sind deine Haare gefärbt?" Sie verneinte. Wieder wurde getuschelt. Laura gab dazu auch ihren Senf ab: ,,Als ob eine von beiden hellblond und die andere Schwarzhaarig ist! Ich meine, das sind doch Zwillinge! Die lügt doch. Was sagst du denn dazu?" Ich zuckte nur mit den Schultern. Wieder wurden die Gespräche von Frau Stein sofort unterbunden. Sie verwies die Zwillinge an einen Platz hinten rechts im Eck und sagte dann: ,,So, und damit wir uns alle kennenlernen, machen wir jetzt eine Vorstellungsrunde. Ich mache mal den Anfang. Ich bin Annegret Stein, nach dem Alter fragt man eine Dame nicht, ich bin aus Wasserhof und ich bin Lehrerin. Luise, mach weiter."
,,Ich bin Luise Meier, 15 Jahre alt und wohne in Vogeltal. Meine Hobbys sind reiten und Klavier spielen." So ging das dann weiter, bis wir in den letzten zehn Minuten Matheaufgaben lösen mussten. Irgendwie passten Amia und Moon so gar nicht in diese Klasse. Sie schienen sowieso so... was wäre das richtige Wort dafür? Höher gestellt? So wie Adelige halt. Die bräuchten doch eher Privatunterricht. Ich begann direkt, mich für meine Klasse fremdzuschämen, wegen zwei Mädchen, die ich nicht mal kannte.

In der Pause konnte ich endlich etwas essen. Ich schob mir ein Stück Butterbreze in den Mund und Laura schwatzte drauf los: ,,Wie die beiden aussehen! Unmöglich. Also, Moon geht ja noch, aber diese Lackschuhe... So kann man doch nicht rumlaufen! Wir sind doch nicht auf einer Hochzeit." Mit vollem Mund meinte ich: ,,Ich finde die schön." aber Laura überhörte mich einfach. Wie immer. Vielleicht sollte ich versuchen, lauter zu sprechen... und den Mund dabei auch freizuhaben. Aus welchen Gründen auch immer fand ich das lustig und verschluckte mich an der Breze. ,,Aber die Augenfarbe von denen ist echt genial. Ich werde sie mal fragen, ob sie Kontaktlinsen... Huch, Leona!" Kichernd klopfte sie mir auf den Rücken bis ich wieder normal atmen konnte. ,,Danke." ,,Ja. Wenn sie Kontaktlinsen tragen, kaufe ich mir die auch. Aber stell dir vor, das ist eine natürliche Augenfarbe! Wie geil wäre das denn!", sprach sie weiter wo sie aufgehört hatte und ich versuchte, sie auszublenden. Manchmal war Laura echt anstrengend.

In der nächsten Stunde hatten wir Biologie. Amia meldete sich ständig. Faszinierend. In Biologie wusste ich normalerweise vieles, aber über das Thema, dass wir im Moment hatten, nichts. Vermutlich interessierte sich Amia ja für das Thema. Das wäre toll, dann hätten wir ein gemeinsames Interesse - ich sammelte in meiner Freizeit liebend gerne Blumen und trocknete sie. Biologie an sich fand ich sehr interessant: Der Aufbau eines Körpers, wie er funktioniert und das alles. Aber was würde es mir nützen, wenn wir ein gemeinsames Interesse hatten? Amia spielte in einer völlig anderen Liga, so eine wie ich würde sie bestimmt nicht als Freundin haben wollen. Ich sah mich nach ihr um, sie schrieb gerade den Tafeleintrag in ihr Heft ab. Moon hatte den Kopf in die linke Hand gestützt und zeichnete irgendwas auf einen Block. Ihr Haar lag dabei auf dem Tisch, was irgendwie richtig toll aussah. ,,Leona?", fragte Frau Übersee und ich drehte mich hektisch wieder nach vorne um. ,,Ja?" ,,Es wäre schön, wenn du auch aufpasst und das jetzt in dein Heft schreibst." ,,Ähm... Ja." Ich spürte alle Blicke in der Klasse auf mich gerichtet und wurde wieder rot. So schnell ich konnte schnappte ich mir meinen Kugelschreiber, der mir zu allem Überfluss aus der Hand fiel und nach hinten rollte. Ich wurde noch röter. Verdammt, wie peinlich! ,,Hier, dein Kugelschreiber.", sagte jemand hinter mir - Amia! Ich blieb stocksteif sitzen. Sie legte ihn mir auf dem Tisch und ich brachte gerade so ein ,,Danke" heraus. Dabei kam ich mir noch blöder vor. Amia lächelte und ging zurück zu ihrem Platz. ,,Habe ich doch gerne gemacht!" Mein Gesicht sah mit Sicherheit gerade aus wie eine Tomate. Nein, noch schlimmer.

,,Das war ja der schrecklichste Tag aller Zeiten heute!", stöhnte ich auf dem Nachhauseweg. ,,Sooo peinlich!" ,,In's Rekordebuch wirst du damit schon nicht kommen.", versuchte meine Freundin mich zu trösten. ,,Aber was muss ich für einen Eindruck auf die Neuen gemacht haben?" ,,Denk doch nicht nur an die Neuen." Das sagte die Richtige. ,,Jeder hat mal einen schlechten Tag." ,,Kann sein. Aber nicht so oft wie ich. Das ist ja echt nichts neues heute.", sagte ich. Laura grinste: ,,Möglich. Aber so haben Amia und Moon wenigstens keinen falschen Eindruck von dir bekommen." ,,Ich hasse dich." ,,Tschüss, bis morgen.", zwitscherte sie. ,,Ciau.", verabschiedete ich mich und bog in die Straße rechts ab, wo ich wohnte. Etwas weiter war die Bushaltestelle, und gerade fuhr der Bus an uns vorbei. ,,Scheiße!", rief Laura und rannte los.

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⏰ Última atualização: Sep 01, 2016 ⏰

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