neunzehn

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Nach viel zu vielen Stunden im Unigebäude komme ich endlich wieder an die frische kalte Luft, die mir sehr gefehlt hat

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Nach viel zu vielen Stunden im Unigebäude komme ich endlich wieder an die frische kalte Luft, die mir sehr gefehlt hat. Heute habe ich mich zwar schon besser konzentrieren können, aber erschöpft bin ich immer noch. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich mir schon eine Ibu gegen meine Kopfschmerzen geschmissen habe.

Nichts ahnend ziehe ich meinen Schal weiter in mein Gesicht und gehe auf dem Ausgang des Grundstücks zu, als ich plötzlich glaube, nicht mehr richtig sehen zu können. An der Straßenlaterne am Tor lehnt ein Mann mit grünem Wintermantel und braunen Haaren.

Meine gerade erwähnte Erschöpfung verwandelt sich komplett in Aufregung und Nervosität.

„Was machst du denn hier?", frage ich, als ich vor ihm zum Stehen komme.

„Dich abholen", erwidert Gabriel selbstbewusst. Er nimmt meine Hand und zieht mich mit Richtung Bahnhof. Ich bin noch viel zu perplex, um zu verstehen, was gerade passiert. Erst als wir in die S-Bahn Richtung Neugraben steigen und nicht am Hauptbahnhof aussteigen, dämmert es bei mir.

An der Station Harburg Rathaus steigen wir aus und gehen noch ein kleines Stück, bis wir an einem einsamen Hochhaus angekommen sind. Dort holt Gabriel einen Schlüssel aus seiner Jackentasche und schließt die Tür auf. Hier wohnt er wohl.

Wir gehen direkt in den Fahrstuhl, wo der Braunhaarige auf die leuchtende 8 drückt. Wir haben die ganze Zeit nicht ein Wort miteinander gewechselt. Ich musste die Situation noch auf mich wirken lassen. Im Fahrstuhl schauen wir uns beide durch den großen Spiegel an.

Der Ausblick von der Fahrstuhltür geht auf einen schmalen Gang mit vielen Türen. Ich gehe ihm hinterher bis in die letzte Ecke. Würde ich es nicht besser wissen, könnte man denken, hier werden Leute gekidnappt. Nicht, weil es heruntergekommen aussieht, sondern weil es angsteinflößend und dunkel ist.

Als er seine Wohnungstür hinter mir schließt, beginnt er sofort zu reden. Es sprudelt nahezu aus ihm heraus. Als hätte ihm jemand die letzte halbe Stunde den Mund zugehalten. Oder eher die ganzen letzten Tage. „Es tut mir leid! Wirklich. Es tut mir alles so unfassbar leid!"

Ich schaue ihn überfordert an. Wir stehen wie bestellt und nicht abgeholt in seinem Flur, während er mir eine Rede hält.

„Ich dachte wirklich, die Weihnachtszeit wäre scheiße. Bis dieses Jahr war sie es auch. Aber nicht, wegen Weihnachten, sondern wegen der Zeit, als ich noch zu Hause gewohnt habe. Und dann bin ich dir begegnet und ich habe wirklich versucht, unfreundlich zu dir und mies gelaunt zu bleiben, aber irgendwie hat es nicht funktioniert. Du machst es einem nicht gerade leicht, dich nicht zu mögen.
Und du hattest Recht; die Weihnachtszeit ist gar nicht so übel. Wenn man sie mit den richtigen Menschen verbringt. Ich habe gemerkt, dass ich zu dieser Zeit nicht gerne allein bin, weil mich dann alles wieder einholt. In den letzten drei Tagen habe ich glaub so viel geheult, wie schon lange nicht mehr, sie waren die Hölle.
Aber ich war froh, dass du die Person warst, wegen der ich nicht allein war. Deswegen kann ich dich jetzt auch nicht einfach aufgeben. Ich will dich nicht aufgeben. Ich will uns nicht aufgeben."

driving home for christmas | adventskalender 2022Where stories live. Discover now