Mein Alea Aquarius 9

Böse Vorahnung

Alea starrte Lennox für einen Moment bewegungslos an, unfähig irgendetwas zu tun. Dann kam wieder Leben in ihre Glieder. „Lennox!" Sie stapfte auf die Planken der Crucis und wenig später hatte sich die ganze Alpha Cru oben versammelt. Alea schilderte ihnen in kurzen Sätzen, was geschehen war, und gemeinsam trugen sie Lennox nach unten aufs Sofa. „Wo ist Cassaras eigentlich?", wollte Alea wissen, nachdem sie Lennox' heiße Stirn gefühlt hatte.

„Im Wasser", sagte Ben. „Was er da will, hat er nicht gesagt."

Alea biss sich auf die Lippe und hätte dem Nixenprinzen am liebsten ins Gesicht geschrien, warum es Lennox so schlecht ging. Er wusste es schließlich. Aber da kam ihr in den Sinn, dass Lennox gesagt hatte, er hätte alles in seinen Notizen aufgeschrieben.

Leider wusste Alea nicht, wo er sein Heft hingetan hatte.

„Scorpio sah irgendwie schon davor schlecht aus", sagte Sammy in die Stille herein. „Manchmal richtig abwesend." Alea hatte dies zwar auch bemerkt, aber sich keine so richtigen Gedanken gemacht. Sie kniete sich vor das Sofa, nahm Lennox' Hand und drückte sie fest.

„Ich wollte gerade eigentlich meine Mutter anrufen", begann Tess nun zögerlich, „aber ich denke, jetzt ist nicht so der richtige Zeitpunkt dafür, oder?"

Alea starrte auf Lennox' geschlossene Augen.

„Nein, eher nicht. Vielleicht sollten wir eh auf Cassaras warten." Ben hob die Schultern. „Habt ihr eine Ahnung, woran es liegen könnte, dass es Lennox so umgebombt hat?"

„Womöglich ist er einfach nur krank", schätzte Sammy.

Siska sah zu Alea. „Ich... ähm, ich hab euch gehört. Also, über was ihr geredet habt." Sie schien darauf zu warten, dass Alea etwas dazu sagte, aber sie blieb stumm. „Jedenfalls klang das schon ziemlich so, als wüsste Lennox, was abgeht. Und Cassaras ja auch! Lennox hat sogar gesagt, dass sämtliche Zweifel ausgeschlossen wären."

„Wobei?", fragte Tess.

„Ich glaub, er meint, dass er zu hundert Prozent irgend so eine Krankheit hat und dass Cassaras das bestätigen konnte." Siska zog die Augenbrauen zusammen. „Er muss schlimm dran sein, wenn er sich solche Sorgen macht."

„Cassaras scheint die Krankheit zu kennen. Wieso sonst wäre Lennox zu ihm gegangen?"

„Stimmt." Sammy nickte Tess bestätigend zu. „Vielleicht ist er aber auch zu irgendeinem Opa für ihn geworden, dem er alles leichter anvertrauen kann als uns."

Der Gedanke versetzte Alea einen Stich ins Herz. Aber sie hatte nicht das Gefühl, dass es so war. Cassaras musste etwas darüber wissen, das ihnen unbekannt war. Alea erforschte Lennox' Gesicht und suchte nach irgendeinem Anzeichen darin – auf irgendetwas.

Sie strich ihm eine Strähne hinters Ohr. Wo könnte er sein Notizheft aufbewahrt haben? Alles würde drinstehen, meinte er. Im nächsten Moment stellte sie die Frage an alle Anwesenden im Salon.

„Er hat es nicht zum Konzert mitgenommen, also muss es hier auf der Crucis sein", sagte Ben.

„Vielleicht hat er es unter dem Kopfkissen?", vermutete Sammy. „Damit er es immer bei sich hat und die Träume, die ihm in der Nacht kommen, schnell aufschreiben kann. Immerhin liegt er mit dem Kopf drauf, und seine Gedanken werden sofort in das Heft gelangen."

Tess schüttelte den Kopf, als wäre das Blödsinn. In zu vielen Filmen lag irgendetwas unter dem Kopfkissen.

Aleas Hand jedoch, die zuvor eine weitere Strähne weggestrichen hatte, verharrte. Ihr Kopf verarbeitete Sammys Theorie und mit einem Mal war ihre Kehle staubtrocken. Sie hob vorsichtig Lennox Kopf, aber nicht, um das Kopfkissen wegzulegen, sondern um auf seinen Nacken zu schauen. Ihre Hand zitterte, denn mit einem Mal machte sich eine böse Vorahnung in ihr breit. Bitte nicht, bat sie im Stillen mit geschlossenen Augen. Bitte lass das nicht wahr sein.

Sie senkte den Blick und atmete zittrig ein. Dann öffnete sie ihre Augen wieder.

Fein geschwungene, schwarze Linien zeichneten sich auf Lennox' Haut ab, kräuselten sich, gingen auseinander und wuchsen zusammen, um letztendlich wieder eine Einheit zu bilden.

Ein Nixenmal.