Auf abwegen

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*Lesenacht Kapitel 3/5*

Kapitel 12

Veronika

Sie starrte in den Spiegel der Umkleidekabine und versuchte nicht einmal, sich irgendwie für das Oberteil zu begeistern, das ihre Mutter ihr aufgeschwatzt hatte. Sie brauchte keine neuen Anziehsachen. Schon gar nicht so ein teures, das seinen Wert ganz sicher nicht widerspiegelt. Es ging nur um den Namen, nur um das Label, einfach nur um ... Nichts. Nie zuvor in ihrem Leben hatte Veronika so deutlich festgestellt, wie unfassbar Leer, das alles hier war.

Teure Klamotten. Immer neu, immer mehr, ohne einen Zweck zu haben. Unsinniger Konsum. Immer schneller, immer bedeutungsloser, immer einfach nur Geldausgeben. Sie hatte es so satt. Das alles bedeutete ihr gar nichts.

Veronika hatte genügend Kleidungsstücke in ihrem Schrank, genug Schuhe in der Garderobe genügend Accourcoirs. Sie wollte mehr als das.

Sie wollte etwas schaffen, etwas tun, was zeigte, wer sie war und entgegen allem, was die Reklamen der Welt immer wieder versprachen, würde sie das nicht durch Klamotten und Konsum erreichen. Nur mit ihren Händen. Mit dem, was sie erschuf.

Unfassbar frustriert zog Veronika sich das Oberteil wieder über den Kopf, schlüpfte in ihr altes und kam aus der Kabine.

Vor dieser stand eine Verkäuferin, die sie breit anstrahlte und den Arm voller weiteren Kleidungsstück hatte, die ja so individuell waren. Nichts davon war individuell. Sie sahen genauso aus, wie alles, was sie bereits in ihrem Schrank hatte und wie es aussah, war Veronika endlich darüber hinweg, sich durch überteuerte Marken zu definieren. Sie hatte etwas gefunden, was wirklich wiedergab, wer sie war. Das Malen.

Am liebsten hätte Veronika diesen Haufen genommen und angezündet um zu sehen wie der scheiß hier abgefackelte. Am besten diese gesamte beschissene Shopping-Straße. Alle Läden!

Bis auf einen.

„Mum, ich habe die Straße herunter ein tolles Paar Schuhe gesehen, dass ich gerne zu einer Hose von hier tragen würde, kann ich die schnell kaufen gehen?", fragte Veronika dennoch scheinheilig, weil ihr Vater ihr vor ein paar Tagen ihre Kreditkarte gesperrt hatte.

Nicht weil sie hemmungslos geshoppt hatte, sondern weil er sie beim Zeichnen erwischte und der Meinung war, dass sie dafür nicht sein Geld ausgeben sollte. Lächerlich, wenn man bedachte, dass er bei ein paar nutzlosen Kleidungsstücken, nicht mal mit der Wimper zuckte. Aber wehe, es könnte ein Blatt Papier sein.

Der Moment, in dem er ihr das Skizzenbuch aus der Hand gerissen hatte, hatte ihr größere Schmerzen zugefügt, als irgendwelche gehässigen Worte es jemals gekonnt hätten. Doch sie würde sich davon nicht unterkriegen lassen!

Veronika hatte mit den letzten zwei Wochen lang genug um ihr Skizzenbuch und den Kunstunterricht hinterher getrauert.

Dem Unterricht! Nicht ihrem Kunstlehrer! Auf keinen Fall, hatte sie an Hitch gedacht, während sie versucht hatte, sich nicht in den Schlaf zu weinen! Es ging nur um die Kunst

Jawohl! Und diesem Elend würde sie jetzt ein Ende setzte.

„Klar doch, Schatz!", rief ihre Mutter begeistert aus der Kabine neben ihr.

„Meine Karten ist der Handtasche bei der Verkäuferin, nehm dir da einfach eine", meinte sie ohne auch nur daran zu denken, dass ihre Tochter lügen könnte. Da ihre Eltern kaum miteinander sprachen, hatte Veronika leichtes Spiel gehabt, ihrer Mutter einzureden, ihr Vater hätte ihr die Karten wegen zu teurem Schmuck abgenommen.

Was bei ihrer Mutter einfach nur für Unverständnis gesorgt hatte. Für sie gab es nichts anderes auf der Welt, als sich ständig neu einzukleiden und so gut wie möglich auszusehen. Ein Gefühl, dass Veronika schon längst nicht mit ihrer Mutter teilte.

Während Veronika die Kreditkarte ihrer Mutter nahm und aus dem Laden verschwand, warf ihr Chauffeur ihr einen überraschten Blick zu. Er hatte an der Karosserie der Limousine gestanden, ohne die ihre Mutter nie irgendwo hinfuhr, und drückte nun erschrocken seine Zigarette aus.

„Miss Woodhall, wollen Sie..." Veronika hielt die Hand nach oben, um ihn zu unterbrechen.

„Warten Sie hier auf meine Mutter, sie wird nicht nach mir fragen.", erwiderte Veronika schlicht und stampfte den Gehweg entlang. Der Chauffeur sah ihr nach, allerdings nicht, weil er an ihren Worten zweifelte.

Ihre Mutter würde fleißig weiter shoppen und nicht einmal daran denken, dass sie ihre Tochter mitgenommen hatte. Aus den Augen aus dem Sinn. So einfach war das bei ihr.

Veronika bog in eine Seitenstraße ein und betrat das kleine Kunstgeschäft, dass sie vorhin beim Vorbeifahren gesehen hatte und machte keine Anstalten sich umzusehen. Sie griff mutig ins Regal mit Skizzenblöcken und ein Komplettset zum Zeichnen, bevor sie alles auf den Bedientresen warf und die Kreditkarte ihrer Mutter hinterher.

Das Mädchen, das nur wenige Jahre älter war, als Veronika selbst begann geradezu gelangweilt alles einzuscannen, konnte es aber nicht lassen Veronika immer wieder ein überraschter Blick zu werfen.

„Hab ich was im Gesicht oder so?", fragte Veronika etwas spitz und die Kassiererin lachte nur.

„Das sind Grafitstifte, der Staub kann einen ganz schönen Dreck machen und deine hübschen Klamotten einsauen", brachte sie schließlich entgegen und deutete auf die weiße Bluse von Luisa Cerano. Doch Veronika grinste nur spöttisch.

„Tja, das Schöne an Designerkleidung ist: Sie sieht immer gut aus. Vielleicht setze ich einen neuen Trend." Darauf schwieg das Mädchen hinter dem Tresen und rechnete die Materialien ab, bevor sie Veronika ihre Einkäufe und die Kreditkarte zurückschob.

„Du hast nicht gesagt, wie viel es gekostet hat", stellte Veronika fest.

„Interessiert es dich?", fragte das Mädchen kess zurück und Veronika konnte sich nicht helfen, sie mochte diese unhöfliche Art. Es war irgendwie erfrischend. Kassiererinnen die ihre Kleidung und ihre Kreditkarte sahen reagierten meist mit ekelhaft, aufgesetzter Höflichkeit.

„Nein", gab Veronika noch breiter grinsend zu.

„Dachte ich mir.", erwiderte die Kassiererin gelangweilt und wandte sich wieder dem Smartphone zu, das sie neben sich zu liegen hatte und auf dem irgendeine Sitcom lief. Doch etwas anderes als die Show fesselte Veronikas Aufmerksamkeit. Eine kleine Karte, die in ihrer Handyhülle herauslugte und Veronika bekannt vorkam.

„Was ist das für eine Karte?", fragte sie und deutete darauf. Die Frau grinste sie breit an, zog sie hinaus und hielt sie Veronika vor die Nase.

„Eine Eintrittskarte von Croffort Hitchs neuste Ausstellung. Er ist ein ziemlich angesagter Künstler. Interessierst du dich wirklich fürs Zeichnen oder ist das nur so ein Feine-Töchter-Ding?" Veronika hatte keine Ahnung, was diese Frau mit 'Feine-Töchter-Ding' meinte, aber zumindest wusste sie nun woher ihr das Designe der Karte so bekannt vorkam. Es zierte auch die Internetseite von Hitch. Die Karte war für eine Ausstellung, die erst in ein paar Wochen starten würde.

Nach Veronikas Schulabschluss, aber es waren jetzt bereits keine Karten mehr dafür zu bekommen. Selbst nachdem Hitch aufgehört hatte ihr Lehrer zu sein, würde sie ihn so also nicht mehr zu sehen bekommen.

Der Knoten in Veronikas Magen verengte sich erst, als sie daran dachte, und dann löste er sich plötzlich wieder.

Vielleicht hatte sie die Signale, die Hitch sandte falsch verstanden, aber sie könnte schwören, dass er mit ihr geflirtet hatte. Konnte es sein, dass er an ihr interessiert war? Tatsächlich Richtig? Er würde schon bald nicht immer ihr Lehrer sein und sie nicht für immer seine Schülerin. Es wäre möglich das -.

Veronika wusste, dass sie diesen Gedanken nicht zu Ende denken sollte, aber es war schwer. So verdammt schwer, dieser Vorstellung zu widerstehen. Sie wollte ihn und wenn auch nur der Hauch einer Chance bestand, dass er sie auch wollte, dann musste sie es wissen. Und das konnte definitiv keine Wochen mehr warten.

Let me Deep, Kitten - Seven SinsTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang