Vivi

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"MOM!", schrie ich wütend die Treppe herunter. "Wo ist meine Hose?" "Welche?", rief meine Mutter unschuldig zurück. "Na die blaue" Ich verdrehte die Augen. "Du hats viele blaue Hosen", kam es von unten zurück. Ich gab die Hoffnung auf. Mit meiner Mutter zu diskutieren hatte keinen Sinn. In Unterwäsche eilte ich nach unten, um auf dem riesigen Wäscheberg, der seit Tagen auf unserer Couch thronte, nach meiner blauen, viel zu großen Hose zu suchen. "Ach, die", bemerkte meine Mutter, die plötzlich neben mir stand, als ich mir die Hose anzog. Ohne weitere Worte schleppte ich mich wieder die knarzende Treppe herauf und verschloss mich in meinem Zimmer. Ich setzte mich an meinen Schminktisch. Die kurze Nacht hatte wie immer ihre Spuren hinterlassen, und ich hatte tiefe Augenringe. Meine dunklen Augen waren noch klein und ich hatte den typischen Schlafzimmerblick. Den hatte ich immer, und tatsächlich war ich dankbar dafür. Es war Sommer, weshalb meine unzähligen Sommersprossen besonders deutlich zu sehen waren. Ich griff nach meinem Kajal und umrandete meine Augen damit. Das wars. Mehr brauchte ich nicht. Dann suchte ich mein verwüstetes Zimmer nach einem Haargummi ab, und als ich eines fand, band ich meine schulterlange, zottelige braune Haare zu einem unordentlichen Knoten zusammen. Meine curtain Bangs hingen mir in den Augen, aber das störte mich nicht im geringsten. Dann schnappte ich mir noch ein enges, schlichtes weißes Top und zog eine extrem weite graue Weste darüber, auf dessen Rücken ein roter Totenkopf abgebildet war. Dazu zog ich mir eine rote Cap an und zog die Kapuze hoch. Als ich das Wohnzimmer betrat, schaute meine Mutter mich tadelnd an. Das tat sie jeden Tag, denn sie hasste die Art, wie ich mich kleidete. Mittlerweile beachtete ich ihre Enttäuschung nicht mehr. Früher hatte ich mich echt mies deswegen gefühlt, denn alles was ich tat ging ihr absolut gegen den Strich, aber jetzt war mir das wie vieles andere egeal. Sollte sie doch enttäuscht sein. Ich ging zur Haustür und griff nach meinem Skate Board. Als ich draußen war, lief ich direkt zur Bushaltestelle, um mit dem nächsten Bus zum Skate Park zu fahren. Zur Abwechslung stand jemand an der Bushaltestelle, denn eigentlich war ich die einzige im Ort, die noch kein Auto oder Mofa hatte. Die meisten Bewohner in dem kleinen Ort waren sowieso über 40. Das Mädchen hatte strohblondes dünnes Haar, das ihr bis unter die Brust reichte. Ihre blauen Augen glänzten wie ein Kristall in der Sonne, und ihre Wimpern waren so lange, das sie ihre Sicht einschränken müssten. Sie trug einen weißen Rock, und ein babyblaues, bauchfreies Top, dazu eine schwarze, kleine Handtasche. Sie war so perfekt, das ich beinahe würgen müsste. Es bereitete mir Kopfschmerzen das meine Mutter sich wünschte, das ich wie dieses Mädchen war. Das Mädchen schaute mich kurz an, dann lächelte sie. "Hi, ich bin Sara", sagte sie und blickte mir in die Augen. Ich schaute schnell auf den Boden, um ihren gruselig hellen Augen auszuweichen. Warum sprach sie mit mir? Ich fand sie jetzt schon nervig. "Vivi", antwortete ich knapp. Ich hoffte sie bemerkte, wie wenig Interesse ich an einem Gespräch mit ihr hatte. "Wohnst du auch hier?", fragte sie. Ich seufzte. "Ja. Und du?" Ich zwang mich, wenigstens ein bisschen mit ihr zu reden. "Ja, wir sind gestern hier her gezogen", sagte sie ein wenig...nervös? "Wo willst du hin?", fragte sie unbeholfen, als ich nichts mehr antwortete. "In den Skate Park", antwortete ich und deutete auf mein Skate Board, das unter meinem Arm klemmte. "Oh, natürlich", sagte sie schnell. "Und du?", fragte ich. "Weiß noch nicht. ein bisschen in die Stadt oder so" "Alleine?", fragte ich skeptisch. Wer ging bitte alleine in die Stadt? "Tja, Freunde hab ich noch keine", sagte sie verlegen und ich zuckte mit den Schultern. "Darf ich vielleicht mit dir kommen?", fragte sie nach einer Weile schweigen. Sie überraschte mich so mit dieser Idee, das ich sie wortlos und mit einem nicht sehr freundlichem Blick anstarrte. "Sorry, das ist mir rausgerutscht. Das war aufdringlich. Ich kann verstehen das du mich nicht dabei haben möchtest.", entschuldigte sie sich sofort und zupfte an ihrem Rock herum. Gott, ich hatte tatsächlich Mitleid mit ihr. Bestimmt war sie früher das beliebte Mädchen an der Schule, auf die alle Jungen standen und die, die mit jedem befreundet war. Jetzt hatte sie nichts und wollte ihren Tag alleine mit shoppen verbringen. "Du siehst nicht aus als ob du...fahren könntest", sage ich und schaue an ihr herab. Sie hatte ja nicht mal eine Board. "Ich schaue zu", versicherte sie mir. "Meinetwegen", murmelte ich. "Ehrlich? Ich will dich auf gar keinen Fall stören", stammelte sie. "Tust du nicht. Außer du frägst weiter ob es okay ist", gab ich zurück und wunderte mich selbst, warum ich so nett zu diesem Barbie-Mädchen war. "Danke", sagte sie und ich musste lächeln.

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