Kapitel 11

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„Du musst leise sein" ermahnte mich James während er mich auf dem Weg zum Auto stützte. Ich schnallte mich an und band mir die Haare zu einem Knoten zusammen. Meine linke Hand war bereits schwarz, umso länger dauerte es, das Haargummi fest zu halten und um die Haare zu binden. Ich hatte das Gefühl, die Infektion breitete sich immer schneller aus. Seit dem Gespräch mit James waren gerade einmal zwei Tage vergangen. Noch bevor sich meine Zehen verfärbten, waren bereits meine Fingerkuppen Rabenschwarz. Wir waren auf dem Weg zu den Highland Falls. James hatte meiner Bitte zugestimmt und mir versprochen, niemandem etwas zu sagen. Ich vertraute ihm. Welche Wahl hatte ich denn überhaupt noch. Niemand hätte mir meinen makaberen Wunsch erfüllt und mich direkt in Ragors Hände gefahren. Er hatte mir auch versprochen vor Stephen dicht zu halten. Er würde meine Entscheidung nicht verstehen und das war okay. Niemand musste es. Auf dem Weg dahin schwiegen wir. Keiner sagte etwas, zu groß war die Anspannung. Zwischendurch hatte James das Bedürfnis wieder umzudrehen und mich direkt bei Stephen abzulassen, doch er hat genug warnende Todes Blicke von mir bekommen, dass er lieber doch bei unserem Plan geblieben ist. Nach einer Stunde waren wir angekommen. Das Ziel des Navis zeigte auf eine Burg auf einem Berg. Sie war gigantisch und große Ruinen ummantelten die alten Gemäuer. Wir fuhren bis zu den Toren hoch, sodass ich nicht zu weit laufen musste. Vor dem großen hölzernen Tor drehte ich mich zu James um. Dieser starrte nach vorne und hatte beide Hände am Lenkrad. Seine Finger waren verkrampft und er atmete aufgeregt. „Ich fühle mich nicht wohl dabei..."
„Ich weiß. Aber das ist meine Entscheidung. Du hast nichts damit zu tun James, okay?" Er sah wieder aus der Windschutzscheibe und schwieg. Ich zog mein Handy aus der Tasche und öffnete Stephens Chat um ihm eine Nachricht zu schreiben. Nach kurzer Überlegung wusste ich genau was ich ihm schreiben wollte und schickte sie anschließend ab.

Ich sperrte das Handy und lies es in James Jackentasche fallen. Das brauchte ich wahrscheinlich nicht mehr. „Okay" sagte ich und schnallte mich ab. „Zeit sich zu verabschieden."
Er schloss die Augen und zog die Luft scharf ein.
„Danke, James. Ich bin dir was schuldig." Ich lächelte leicht.
„Ich wüsste auch schon wie du dich revanchieren könntest."
„Sag es mir nicht. Sag es mir dann wenn wir uns wieder sehen." Er nickte und hielt mir seine Hand entgegen. Ich nahm ihn kurzerhand in den Arm und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Machs gut James." Als ich ausstieg und noch ein letztes mal zurück sah, schoss Adrenalin in meinen Körper und ich fing an zu zittern. Ein Glück konnte er das aus der Entfernung nicht mehr sehen. Ich sah den Rücklichtern nach, bis sie in der morgendlichen Dunkelheit endgültig verschwanden. Jetzt gab es kein zurück mehr. Ich schlich leise wie eine Katze durch die Burg und versuchte mir alles einzuprägen, was ich sehen konnte. Jeden Gang, jeder Stein musste in meinem Gehirn gespeichert werden. Er musste hier irgendwo sein. Ich schloss die Augen und lauschte dem Wind der durch die fehlenden Backsteine pfiff. Vögel erwachten und zwitscherten laut. Aber da war noch etwas anderes. Leise Musik hallte aus einem Gang. Mit schwitzigen Händen lief ich darauf zu. Ragor musste hier in den tiefen dieses Labyrinths sein. Als ich gerade einen nächsten Schritt machen wollte, hörte ich ein tiefes Lachen. „Ich fragte mich schon wann du mich aufsuchen würdest."
„Du hast mich erwartet?" Fragte ich nervös und erreichte den letzten Raum. Er stand in einer menschlichen Figur vor einem Tisch und sah der sich drehenden Platte auf dem Plattenspieler zu. „Natürlich. Ich wusste, dass du nicht ohne deine Kräfte überleben kannst, also habe ich mich zurück gelehnt und abgewartet. Das war zu einfach." Es machte einfach keinen Sinn für mich. „Du hast nun meine Kräfte. Wieso hast du gewartet?"

Er drehte sich um und lehnte sich gegen den Tisch. „Ich dachte wirklich du wärst klüger..." Er schüttelte enttäuscht den Kopf. „Ich kann das Potenzial deiner Kräfte nicht vollständig ausschöpfen, wenn du noch am Leben bist. Es ist eher das Gegenteil, sie schwächen mich."
Dann gab es also doch noch eine winzige Chance für mich. Als ich das letzte mal nachgesehen hatte, waren meine Oberarme und von meinem Dekolleté aufwärts noch rosa anstatt schwarz. Ich hatte noch etwas Zeit. „Das wird aber nicht mehr lange dauern bis ich das stärkste Wesen im Universum werden kann. Ich muss nur diesen lästigen Klotz am Bein loswerden." Er grinste diabolisch. „Nun denn..." Er sah auf seine imaginäre Uhr und legte den Kopf schief. „Dann wollen wir deinen Tod mal beschleunigen..." Er lief auf mich zu und ich beobachtete jede seiner Bewegungen. Er zog einen langen Dolch hinter seinem Rücken hervor und positionierte ihn in meine Richtung. Bei jedem seiner Schritte schlug mein Herz stärker gegen meine Brust. In seiner menschlichen Gestalt konnte er nicht viel ausrichten. Er musste sich erst zurück verwandeln und dafür brauchte er mehr Kraft. Mit einem Satz sprang er auf und wollte auf mich einstechen. Gekonnt warf ich mich auf die Seite, rollte mich ab und stand sofort wieder auf. Ich schaffte es seinen schnellen Bewegungen auszuweichen und schnappte mir das Speer welches gegen die Wand gelehnt war, und benutzte es um mich vor seinen Angriffen zu schützen. Ich versuchte seine Technik herauszufinden und seine nächsten Schritte vorherzusehen, doch er war unberechenbar. Er war gut, zu gut trotz menschlicher Hülle. Er drängte mich in den Gang, ich sprang auf die Mauer und mit Schwung wieder herunter um ihm einen Schlag in den Rücken zu verpassen.  Er zischte und zog die Luft scharf ein vor Schmerz. Auch wenn es nur ein Holzstab war, konnte es ziemlich weh tun. Ich drehte mich wie eine Tänzerin in ihrem großen Solo und versuchte mit der Spitze des Speeres zuzustechen, doch er umfasste blitzschnell meine Waffe und zog mich zu sich. Ein gewaltiger Schlag beförderte mich auf den Boden bis zum Anfang der herabsteigenden Treppe. Es war ein Vorteil dass mein Körper begann abzusterben, denn ich fühlte nichts. Schnell richtete ich mich wieder auf und rannte die Treppe hinunter. Ich hatte in der Mitte der Ruine eine offene Tasche, gefüllt mit Handgranaten platziert, um mir schnell eine zu greifen und sie nach ihm zu werfen. Er schaffte es gerade noch in Deckung zu gehen, bevor eine gewaltige Explosion in meinen Ohren klingelte und sämtliche Überreste der Burg in seine Einzelteile zerlegte. Ich schnappte mir eine weitere Granate, zog den Stift aus der Halterung und warf sie erneut in seine Richtung. Ich hatte die Rechnung aber ohne seine schnellen Reflexe gemacht. Er sprang der Granate entgegen, fing sie in seiner Hand und warf sie zurück zu mir. Ich riss meine Augen auf und warf mich hinter Gemäuer die mich gerade noch rechtzeitig schützen konnten. Ich verdeckte meine Ohren und schloss meine Augen, um keine Splitter abzubekommen. Staub wurde nach der Explosion aufgewirbelt und ich hatte deutliche Schwierigkeiten zu atmen. Ich musste husten.

Whatever it takes - Dr. Strange FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt