L I N A
»Lina, ich will ungern deine Phase des Liebeskummers stören, jedoch glaube ich, dass du überreagierst und Dean eine Chance geben solltest, es selbst zu entscheiden. Woher willst du wissen, dass er dich verlassen hätte?«
Mona sieht mich aus verquollenen Augen an. Ihre Hände hat sie um mein Gesicht gelegt und versucht mich mit einem halbherzigen Lächeln und ihren Worten zur Vernunft zu bringen. »Weil er es mir gesagt hat! Auch wenn es nicht diese Worte waren, sondern eher der Gedanke an das große Ganze.«
Kopfschüttelnd steht sie auf und zeigt mit ihrer Hand auf die Tür des Badezimmers. »Das ist Blödsinn. Aber darüber reden wir, nachdem du geduscht hast. Ich liebe dich wirklich, Bohne, aber du musst dich echt waschen.« Mona rümpft ihre Nase und macht deutlich, dass ich müffele. Na ja, ich war Tage in diesem Zimmer eingesperrt.
Meine Termine für diese Woche musste ich verschieben und ich hatte großes Glück, dass es nur Schulen waren, die ein Klassenfoto wollten. Die werden eins bekommen, halt einfach einen Monat später. Aber ich habe das gerade gebraucht, weil ich die Befürchtung hatte, dass ich meine Kunden verscheuche. Immerhin habe ich einer Vogelscheuche starke Konkurrenz gemacht, wenn ich mein Spiegelbild ansehe, sobald ich ins Badezimmer eintrete.
»Heilige Scheiße«, entfährt es mir.
Meine Augen sind geweitet und von meiner Schminke verschmiert. Meine Haare stehen in alle Richtungen ab und mein Schlafshirt weist überall Flecken auf. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so ausgesehen habe. Da bin ich froh, dass es Mona war, die mich aufgesucht hat. Mein Bruder hätte bestimmt noch vorher ein Foto geschossen, damit er mich mein ganzes Leben lang erpressen kann.
»Du hast es erfasst. Nicht mal die Hölle würde dich so in Empfang nehmen, also hopp, Bohne.« Irgendwie hat sie recht, weswegen ich mich entkleide und unter die Dusche hüpfe. Ich will mich wieder, wie ein normaler Mensch fühlen oder halt einfach nach Lina.
Sobald das heiße Wasser auf meinen Körper trifft, seufze ich laut auf. Es tut gut, diesen ganzen Schmutz von mir zu waschen. Es wäre noch besser, wenn ich den Schmerz auf die gleiche Weise verschwinden lassen könnte, nur ist das leider ein Wunschgedanke. Mit jedem Atemzug wird er nur größer und verpasst mir alle Sekunden einen Stich in der Brust. Eigentlich sollte das nicht möglich sein, weil ich mein Herz bei meinem Adonis gelassen habe. Ich will es nicht, da ich weiß, dass es ohne ihn nicht leben will.
Viele würden mich nicht verstehen. Ich meine, wir kennen uns jetzt seit zwei Monaten und waren immer noch am Anfang unserer Beziehung. Nicht mal ich habe gedacht, dass die Liebe zu ihm, in einem solchen Tempo heranwachsen kann.
Dean ist wie ein Tornado. Er ist so plötzlich in mein Leben erschienen, hat alles durcheinander gewirbelt und mich atemlos zurückgelassen. Wimmernd schließe ich meine Augen, weil sich die Tränendrüse ankündigt. Nur sein Name genügt und sofort muss ich wieder anfangen zu weinen. Ich hoffe nur, dass es irgendwann besser wird. Die Zeit wird diese Risse in meinem Inneren heilen und Narben hinterlassen. Narben, die mich immer wieder an ihn erinnern werden.
Ich hoffe nur, dass er mich irgendwann verstehen wird und glücklich sein kann. Auch wenn das bedeutet, dass er es ohne mich sein muss.
»Oh mein Gott, Lina. Du musst dir das ansehen.« Monas Stimme bringt mich dazu, sofort das Wasser abzustellen. Notgedrungen trockne ich mich ab, bevor ich mir meinen Bademantel überziehe. Mit schnellen Schritten gelange ich in das Wohnzimmer und reiße meine Augen weit auf.
Überall kann ich verschiedene Blumen erkennen. Bunte Farben mischen sich miteinander und lassen meine Wohnung wie ein Blumenparadies wirken. Nicht mal den Boden kann ich sehen, da alles voll damit ist. Rosen, Hortensien, wie auch Gerber und Sonnenblumen haben ein neues zu Hause bei mir gefunden. Der Duft, der mir in die Nase strömt, ist berauschend und himmlisch. Ich versuche, eine Karte auszumachen. Auch wenn ich tief in meinem Inneren bereits weiß, wer sie mir geschickt hat, so will ich mich richtig davon überzeugen.
»Wer hat sie geliefert?«
»Der Bote kam gerade vorbei und hat sie alle hier reingestellt. Ich habe also keine Ahnung«, antwortet Mona und sieht sich, mit einem Lächeln im Gesicht, um. »Hat er wenigstens eine Karte dagelassen?«, hake ich weiter nach. Ich kann keine sehen, verdammt. Ich hoffe doch, dass es eine gibt.
»Du weißt auch so, wer sie dir geschickt hat, oder täusche ich mich?«
Ich weiß es, ja. Oder besser gesagt, ich vermute es. Aber wieso sollte er mir nach dieser kurzen Funkstille Blumen schenken? Immerhin war ich nicht unbedingt nett zu ihm gewesen, als ich unsere Beziehung ohne Grund beendet habe. Etwas, dass er nicht verdient hat. Und doch denke ich noch immer, dass es das Beste für uns beide ist. »Wieso tut er das, Mona? Er macht es nicht einfacher und er sollte wütend auf mich sein. Er sollte mich verfluchen und wünschen, dass er mich nie getroffen hat.«
Das darf er nicht tun. Wir sollten den anderen vergessen und mit unseren Leben weitermachen, als wären wir uns nie begegnet. Aber mit dieser Geste macht Dean es noch schlimmer. Nur der Gedanke daran, weit weg von ihm zu sein, schmerzt unglaublich.
»Wieso glaubst du das, Lina?«, will Mona wissen.
»Weil es besser ist. Auch wenn ich diesen Mann über alles liebe, so können wir nicht zusammen sein. Der Schmerz wird irgendwann vergehen und wir werden lernen, ohne einander sein zu müssen. Diese zwei Monate waren zwar wunderschön, die schönsten in meinem Leben und doch muss ich ihn gehen lassen.« Meine Wangen sind nass und automatisch wische ich die nächsten Tränen mit meiner Hand weg. Sie weiß doch alles.
Wieso versteht sie mich nicht?
»Aber glaubst du nicht, dass es besser wäre, mit ihm darüber zu reden? Ihr gehört zusammen und habt eine Chance eure Beziehung in den Griff zu bekommen«, redet sie weiter auf mich ein.
»Er will eine Familie, Mona! Kinder, die ich ihm nicht schenken werde, da ich keine bekommen kann«, schreie ich laut auf und breche zusammen, als ich nochmals an das Ergebnis der Ärztin zurückdenke.
Dicke Tränen kullern meine Wangen hinab, gefolgt von herzzerreißenden Schluchzer, die meiner Kehle entkommen. Ich weiß nicht, wieso mir etwas verwehrt wird, was ich mir immer gewünscht habe. Es fühlt sich an, als hätte mein Körper mich im Stich gelassen.
»Du hast mich deshalb verlassen?«
Eine Stimme hallt durch den Raum, lässt meine Nackenhaare aufstellen und ein Schauer den Rücken hinab laufen. Eine Stimme, die ich schmerzlichst vermisst habe und mich jede Nacht in meinen Träumen gesucht hat. Am liebsten würde ich meinen Kopf heben, um in seine funkelnden Smaragde zu blicken, nur hält mich meine Angst davon ab. Ich habe solche Angst, etwas in seinen Augen zu sehen, was ich in diesem Moment nicht ertragen kann.
Was macht er überhaupt hier?
Weiße Sneaker kommen mir näher, die er auch bei unserer ersten Begegnung anhatte. Langsam beugt er sich zu mir herunter und legt sanft einen Finger unter mein Kinn. »Sieh mich an, Lina«, fleht Adonis mich an.
Auch wenn sich alles in mir dagegen sträubt, gehorcht mein Körper auf seine Bitte. Und als ich ihn ansehe, zersplittert meine Seele noch ein Stück mehr. Nichts als Schmerz kann ich in seinen Iriden erkennen. Enormen Schmerz, der mit meinem vergleichbar ist.
»Du dummes Mädchen«, murmelt er leise. Auch wenn er mich gerade beleidigt hat, so hört sich seine Aussage mehr nach einer Liebkosung an, nach der ich mich so sehr gesehnt habe.
»Ich glaube, wir müssen uns dringend unterhalten.« Deans Aussage klingt mehr nach einer Forderung als nach einer Bitte.
»Das glaube ich auch. Deshalb verabschiede ich mich von euch. Also, bis dann«, schaltet sich Mona ein und lässt mich mit diesem wundervollen Mann allein.

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Zuckersüß wie dunkle Schokolade | ✔
Romance[𝗪𝗔𝗧𝗧𝗬𝗦 𝗦𝗛𝗢𝗥𝗧𝗟𝗜𝗦𝗧 𝟮𝟬𝟮𝟯] Adelina Hamilton hat alles, was sie sich wünschen kann. Eine erfolgreiche Karriere, beste Freunde und Familie, die immer für sie da sind und Sammy, ihren Hund. Trotzdem gibt es eine Sache, die ihr fehlt, au...