Kapitel 5

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Elodye

Ich fand den Gedanken, die Königin der Nacht könnte nicht echt sein, mehr als drollig.

Nach meiner exakt zehnminütigen Zwangspause führte ich Meyre Nehal in Richtung der Ehrenhalle des Palastes. Ich nahm ihr das rigorose Verhalten von Ihr zwar noch übel, doch ich musste gestehen, es hatte mir tatsächlich gutgetan. Mein Kopf fühlte sich klarer und frischer an, und ich hatte mehr das Gefühl, dieser Situation vielleicht doch mehr gewachsen zu sein. Mama hatte von Kindheit an auf eine strikte Diät bestanden, die die kognitiven Fähigkeiten wie die Figur in Bestform erhalten sollte, doch seit der Nachricht des Todes von König Methyn und meinem Antritt als seine Nachfolgerin hatte ich es kaum über mich bringen können, irgendetwas hinabzubekommen, geschweige denn im Magen zu behalten.

Noch vor wenigen Stunden hatte ich beobachtet, wie die Bewohner des Palastes nach der Krönung nach und nach zurückgekehrt und langsam die tägliche Routine wieder aufgenommen hatten, nachdem Mama sie aus Angst vor einem weiteren Attentat ausgesperrt hatte. Allmählich hatten sich wieder Grüppchen von Hofdamen getummelt, die die reifen Früchte der überall wachsenden Pflanzen ernteten, Gelehrte, die über Schriftrollen diskutierten und einige wenige Nobelisten, die sich offenbar als Verwandtschaft eines Courtiers eine Ausrede geschaffen hatten, sich hier aufzuhalten.

Doch nach dem Auftritt der Königin der Nacht sah man wieder nichts mehr davon. Auf dem Boden lagen umgestürzte Körbe und verstreute Früchte, nicht wenige Hofdamen lagen halb bewusstlos auf Steinbänken, andere fächelten sich noch immer panisch Luft zu, Musikinstrumente, die achtlos fallen gelassen wurde, waren die Stufen der Treppenaufgänge hinabgekullert. Immerhin hatten ein Paar Mitglieder des Hofstaats ihre sieben Sinne wieder zusammengerauft und standen dicht beieinander in kleinen Versammlungen.

Sie allesamt verstummten, sobald sie uns erblickten, und vollführten, trotz Anbetracht der momentanen Situation, die im Hofprotokoll vorgesehene Höflichkeit durch eine stille, tiefe Verneigung, bis wir sie passiert hatten. Sobald ich ihnen den Rücken gekehrt hatte, brach eifriges Getuschel aus.

Getuschel und Gerüchte im Palast waren der Norm, doch es gefiel mir ganz und gar nicht, Objekt dieser Konversationen zu sein. Ich würde Dandelia dazu anhalten, die Ohren offen zu halten. Ich wollte schließlich wissen, was mein Volk hinter meinem Rücken über mich zu sagen hatte.

„Majestät!" Die mir mittlerweile sehr vertraute Stimme von Obert Seitna riss mich aus den Gedanken. So schnell seine kurzen Beine und sein wuchtiger Körper es ihm erlaubten, trabte er auf mich zu. Kurz überlegte ich, so zu tun, als hätte ich ihn nicht gehört. Wenn er meiner Aufmerksamkeit brauchte, bedeutete dies nichts Gutes. Er brachte sicher weitere Nachricht über noch mehr Katastrophen oder Aufstände oder irgendetwas dergleichen. Vielleicht war ein Vulkan ausgebrochen und hatte die Hälfte des Landes in Schutt und Asche gelegt. Ich ertappte mich dabei, fast darauf zu hoffen, denn dann hätte sich immerhin der Vulkan die Hälfte meiner Sorgen ebenfalls in Schutt und Asche gelegt.

Kurz rang ich mit mir selbst, doch mein Pflichtbewusstsein erlangte die Oberhand. Ich blieb stehen und drehte mich in seine Richtung.

„Obert.", grüßte ich ihn kurz, als er schwer schnaufend zum Stehen kam. Innerlich bereitete ich mich auf weitere Unglücksbotschaften vor.

„Majestät, Eure Mutter schickt mich.", brachte er zwischen zwei rasselnden Atemzügen hervor.

Sol im Himmel.

Das Blut rauschte in meinen Adern.

Ich hatte sie völlig vergessen.

Ich hatte sie zu lange mit der Gefolgschaft der Königin der Nacht allein gelassen.

Ich betete, sie möge niemand davon so sehr vergrault haben, dass wir uns nun im Krieg mit dem nördlichen Reich befanden.

„Sie wünscht Euch die Nachricht zu entrichten, dass Eure...Gäste unmütig werden." Kurz fürchtete ich, er würde erneut ohnmächtig werden, sein Gesicht war besorgniserregend lila verfärbt.

Die Wächterin des Faerynthrons // wlwWo Geschichten leben. Entdecke jetzt