1 - [Jedes Jahr Von Neu]

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Ich zog die Tür des WC's wieder hinter mir zu. Alle Schüler redeten unaufhörlich miteinander, während sie in ihre Klassen liefen.

In der riesigen Menschenmenge sah ich jedoch kein vertrautes Gesicht. Ich konnte nur mit den Augenrollen, sie war schon ohne mich vorgegangen.

Mein Körper folgte den Strom an Schüler, die alle in die Richtung meines Klassenzimmers liefen, allerdings betrat niemand von ihnen den Raum.

Ich hasste es, wie überfüllt der Flur war, doch hasste ich die Poster, die überall an den Wänden geklebt waren, nur noch mehr.

In leuchtenden und großen Buchstaben, standen die Worte "Projekt Cupid", geziert von einem Pfeil und unzähligen Herzen überall im Flur.

Valentinstag war dabei schon längst vergangen. Mir war es generell ein Rätsel gewesen, warum wir diese Projektwoche überhaupt im Sommer und nicht in der Winterzeit veranstalteten, wo der Valentinstag stattfand.

Ich hätte mich noch so sehr beschweren können, am Ende hätte es nichts gebracht, schließlich war es schon eine Tradition an dieser Schule gewesen, als selbst noch mein Bruder von den Lehrern hier genervt war.

Mein Blick glitt von den Posten und starrte endlich zur Tür, die mir nie so fern vorgekommen war.

Über die Hälfte der Schüler saßen schon auf ihren Plätzen. Es fühlte sich komisch an, erst jetzt zu erscheinen, auch wenn die Pause noch nicht vorbei und ich auch nicht die letzte war.

,,Elodie!" Hörte ich die vertraute Stimme meiner besten Freundin sagen, die mich zu ihr winkte.

Kopfschüttelnd schlenderte ich zu ihr.
,,Danke fürs warten, Audrey" Lachte ich sarkastisch und beobachtete das auf und ab zittern ihrer Mundwinkel.
,,Nicht meine Schuld, wenn du so lange brauchst" Schmollte sie mit einem Grinsen, dabei fiel ihr schwarzes Haar nach vorn.

Ich konnte meine Lippen nur zu einer kleinen Schnute verziehen und langsam mit dem Kopf nicken, während ich versuchte mein Lachen zu unterdrücken.

Aber in dem Moment, als ich Audrey schon lachen hörte, war es um mich geschehen und ich musste mich ihr anschließen.

,,Manchmal weiss ich echt nicht, ob ich dich hassen soll" Lachte ich noch, aber nicht mehr so doll wie vorher.
,,Ach, gibs doch zu, du liebst mich" Argumentierte Audrey einfach nur, worauf mir einfach der Atem im Hals stecken blieb.

Ein unangenehmer Ton verließ meine Kehle, welches sich verzweifelt wie ein Lachen anhören sollte. Audrey schien die Verzerrung in meiner Stimme aber nicht aufgefallen zu sein.

Ihr Blick glitt mit einem Lächeln von mir und sah zu Tür. Unser Mathelehrer kam hindurch geschneit. Sofort verschwand auch wieder das Lächeln.

Ich wusste wirklich nicht warum, aber konnte es sein, dass es eine universale Angewohnheit von Mathelehrern war, immer ein blau-weiß karierte Hemd zu tragen, welches sie auch immer schön fest in ihre Hose stopften?

Er Schritt zu seinen Pult vor und begann irgendetwas zu sagen, doch der Momente in denen er irgendwelche Formeln an die Tafel anfing zu schreiben, schaltete mein Gehirn auch schon ab.

Ich wusste nicht, was ich werden wollte, aber eines wusste ich genau: ich wollte so weit von Zahlen fern bleiben, wie es nur ging.

Es gab schließlich genug Jobs, in denen ich nicht den Satz des Pythagoras oder die binomische Formel benutzen musste.

Aus meinen Augenwinkel sah ich zu Audrey, sie war genauso gelangweilt wie ich, allerdings wollten wir beide nicht riskieren, dass wir auseinandergesetzt werden würden, wenn wir miteinander gesprochen hätten.

Stattdessen fiel mein Blick nach vorn. In der ersten Reihe - direkt bei der Tür - saß Alison. Sie spielte mit dem Bleistift in ihren Fingern herum, dann mit den vorderen Strähnen ihrer rotbraunen Haaren.

Wir hatte nie sonderlich viel miteinander gesprochen, für Quatschen und Emotionalbeistand beim lösen einer Aufgabe, hatte ich immer Audrey.

Weshalb ich auch nicht verstand, warum ich meinen Blick nicht von ihr nehmen konnte. Warum mir mein Atem im Halse stecken blieb, wenn ich ihr Lächeln von der Seite sah. Und warum ich mich so schäbig fühlte.

Ich sah sie nicht zum ersten Mal mit diesen Gefühl im Bauch an. Sie, Layla, Jessi, Alice, aber niemals Audrey.

In Audreys Nähe fühlte ich mich wohl - nicht so abgespannt, aber trotzdem völlig anders.

Ein Klopfen konnte man gedämpft hören. Alle Köpfe drehten sich zu Tür, bis sich diese ohne Aufforderung vom Lehrer öffnete.

Ein Mädchen und ein Junge stellten sich vor die Tafel. Sie beide waren vielleicht ein oder zwei Jahrgänge über uns.

Ugh, ich ahnte schon, was sie wollten. Letztes Jahr, das Jahr davor und auch das Jahr davor, kamen die Schüler aus den oberen Klassen und wollten uns von der Projektwoche erzählen.

Ich rollte mit den Augen und suchte den Blick von Audrey, der mir zustimmen sollte, sie sah aber völlig aufgeregt nach vorn. Ich hatte völlig vergessen, wie viel Spaß sie letztes Jahr hatte.

,,Ich glaube, viel muss ich nicht erklären" Sprach das Mädchen.
,,Ihr alle kennt doch das Cupid-Projekt" Alle im Raum wirkten so aufgeregt, selbst die Jungs aus meiner Klasse, welche die Projektwochen an der Schule eigentlich nie leiden konnten.
,,Wir würden uns freuen, wenn sich auch dieses Jahr wieder so viele Singles in der Aula anmelden würden" Sprach nun der Junge, der nicht ganz so viel Stimmung wie das Mädchen machte.

Audreys Blick lag auf mir. Sie wollte sich wieder mit mir dort anmelden, nach dem ich letzten Jahr endlich mal zugesagt hatte. Dabei meinte ich aber auch, dass das eine einmalige Sache wäre. Und darauf bestand ich auch, weshalb ich sie auch nicht ansah, selbst als sich ihr Blick in meinen Körper brannte.

Selbst als ich mir das Wispern ihrer Stimme in meinem Kopf einbildete.
,,Es hat doch letztes Jahr auch Spaß gemacht" Redete sie nun tatsächlich. Meine Augenbrauen waren zusammengezogen.
,,Ja, als ich Cupid war" Argumentierte ich zurück.

Jedes Jahr gab es schließlich eine 50/50 Chance, dass man entweder Cupid oder Lover war. Ich wollte keines von beiden sein, aber wenn ich mich schon entscheiden musste, dann nahm ich lieber die Option, bei der ich mein Liebesleben nicht offen auf den Tisch legen musste.

,,Wir hoffen, dass wir im der Aula viele von euch sehen werden" Beendete das Mädchen ihre Ankündigung und schleifte den Jungen hinterher, ohne sich für die Störung des Unterrichts zu entschuldigen.

Stupid CupidWhere stories live. Discover now