9 - [Zu Nah]

181 13 2
                                    

Evette ließ ihre Tasse auf dem Tisch stehen. Sie hatte schon bezahlt, meinte sie.

Aber ein Blick nach draußen verriet, dass ich nicht die beste Zeit war, um uns auf den Nachhauseweg zu machen.

Dunkle Wolken hatten sich über uns gezogen, aus denen tonnenweise Wasser fielen.

Der Sommer fühlte sich plötzlich wie der kältesten Herbst an.

,,Du hast nicht zufällig einen Regenschirm dabei?" Fragte sie mich lachend, auch wenn es nicht ernst gemeint war.
,,Nein. Du hast nicht zufällig eine Jacke dabei?" Stellte ich ihr nun eine Frage.

Mit einem Lächeln schüttelte sie den Kopf und hielt sich ihre Hand über die Brille, damit sie erst gar nicht nass wurde, bevor wir aus der Tür in die Kälte liefen.

Der Regen fiel hart auf uns herab. Vielleicht brauchte ich auch eine Brille, denn ich war mir wirklich nicht sicher gewesen, ob es nun Regentropfen oder Hagel war.

,,Wir sollten uns irgendwo unterstellen" Redete sie schnell mit zitternden Lippen. Ich fragte mich, warum wir nicht im Café geblieben wären, so lange wie der Regen anhielt.

Aber als ich meinen Kopf nach hinten drehte, fiel mir das kleine Schild im Fenster auf, dass verkündete, dass der Laden aus persönlichen Gründen früher schloss.

Deswegen wollte Evette sich woanders unterstellen. Mein Blick glitt zurück zu ihr. Im Gegensatz zu mir, waren nicht nur ihre Arme frei, sondern auch noch ihre Beine. Sie musste sehr stark frieren. Außerdem liefen ihre die Wassertropfen im Nacken herab, da ihre Haare nicht offen waren.

Fützen bildeten sich schon auf dem Boden, denen ich ungeschickt versuchte auszuweichen, bis wir bei einer Bushaltestelle ankam, die nicht überfüllter hätte sein können.

In einer winzige Ecke unter dem Dach drängten wir uns. Genervte Laute entkamen den Menschen um uns herum, als wir sie versehentlich berührten.

,,Glaubst du, der Regen hält noch lange an?" Fragte sie mich und hauchte auf ihre verbundenen Hände, um sie warm zu halten.

Evette realisiert aber wahrscheinlich gar nicht, dass sie mir so nah war, dass mir ihr Atem gegen mein Schlüsselbein schlug.

Sie war mir so nah, dass es sich verboten anfühlte, sie überhaupt anzusehen.

,,Die Wolken ziehen nicht weg" Sprach ich mit einer etwas schrillen Stimme, aber trotzdem war ich stolz auf mich gewesen, dass ich es geschafft hatte, ihr eine richtige Antwort zu geben.

Sie Seufzte.
,,Ich will echt nicht im Regen nach Hause laufen" Konnte ich verstehen. Evette wäre wahrscheinlich noch krank geworden, so dünn wie sie angezogen war.

Da hatte ich wirklich Glück,  dass ich heute eine Hose trug, die auch noch etwas weiter geschnitten war, damit die Nässe nicht direkt auf meine Haut ging.

,,Ich könnte meinen Bruder anrufen, damit er uns abholt" Stammelte ich. Evettes Augen weiteten sich etwas. Sie wirkte glücklich, aber auch besorgt.
,,Ich will dir und deinem Bruder echt keine Unannehmlichkeiten bereiten" Sagte sie schnell, aber ihre Antwort wollte ich nicht so wirklich akzeptieren.
,,Tust du nicht, wirklich" Versicherte ich ihr sofort und wartete auf ein kleines Lächeln, bevor ich Owens Nummer wählte.

Das Klingen meines Handy war kaum zu hören, so laut schlug der Regen auf das Glasdach auf.

Immer mehr Menschen suchten Schutz vor dem Regen und zwängten sich zu uns. Evette wurde von den anderen näher an mich gedrückt.

Sie war so nah.
Nicht einmal mehr Zentimeter waren noch zwischen uns.
Sie wurde rot.
Ich wurde rot.

,,Ja?" Ertönte seine genervte Stimme von der anderen Seite der Leitung.
,,Du könntest mich" Begann ich.
,,Und eine Freundin nicht zufällig abholen?" Fragte ich, aber zweifelte ich, dass er mich richtig bei der Lautstärke verstand.

Aber Evette hatte mich gehört. Mit einem fast schon frechen Grinsen sah sie zu mir. Ich konnte auch nicht glauben, dass ich sagte, sie wäre eine Freundin. Betonung lag dabei auf eine!

,,Und warum sollte ich das machen?" Owen wollte für seine Dienste eine Gegenleistung, aber die konnte er vergessen.
,,Dann werde ich Mom nicht verraten, dass du mehr als nur die Hälfte ihrer Pflanzen umgebracht hast"

Er wurde still. Heimlich lächelte ich triumphierend in mich hinein. Wie oft hatte ich ihn wohl schon dabei erwischt, als er mit einer neuen nach Hause kam und die alte Pflanze in den Müll schmiss? Vielleicht acht mal? Von denen ich aber auch nur mitbekam. Wahrscheinlich lag die eigentliche Nummer im dreistelligen Bereich.

,,Fein" Gab er mürrisch von sich, dabei konnte ich mir bildlich vorstellen, wie er seine Augen verdrehte.
,,Du und 'ne Freundin? Wer? Aubrey, Cal?" Fragte er nach.

Ich musste mir den Drang verkneifen ihn zu korrigieren, da er es an diesen Punkt mit Absicht machte.

Ich wollte Evette ihren Namen sagen, aber dazu ließ er mich nicht kommen.
,,Schrieb mir einfach von wo, wenn es nicht die Schule ist, kann ich es mir sowieso nicht merken"

Das glaubte ich ihn auch aufs Wort, sonst hätte er ja nicht vergessen die Pflanzen zu wässern.

Danach hing er ab.

,,Und?" Hörte ich Evette fragen. Sie zitterte nicht mehr, aber ihre Lippen waren leicht blau angelaufen.
,,Ich schreib ihn nur schnell wo wir sind und dann fährt er los"

Ließ ich sie wissen und versuchte meinen Blick von ihren Lippen zu nehmen. Nickend lächelte sie mich an, aber sofort musste ich wieder zu ihren Lippen sehen.

Ungewollt Schlag ich meine Arme um ihre ihre Schultern und sah sie entschuldigend an. Anders konnte ich sonst keine Nachricht tippen, so eng wie es auch war.

Evette lächelte mich aber nur an, bis sie endgültig in meinen Armen lag, als ein Mann sie versehentlich in mich schubste.

Er entschuldigte sich zwar, doch reagierte keine von uns beiden darauf. Evette lachte nur, aber ich war wahrscheinlich schon rot angelaufen.

Noch nie war mir jemand so nah gewesen. Nicht Audrey, nicht Cam, auch nicht Austen und Miles. Nicht einmal Owen, wenn er wieder mal darauf bestand, dass er meinen persönlichen Bereich einnehmen musste.

Ob Evette meinen Herzschlag hören konnte? Hoffentlich nicht, auf die Konversation war nicht bereit.

Oder fühlte sie sich genauso wie ich, dass jede Sekunde einfach ihr Herz aus ihren Brustkorb springen würde und zusammen mit ihren Verstand ein Wettrennen machen möchte?

So wollte ich mich nicht fühlen! Schon gar nicht, wenn wir beide klitschnass waren und gegen eine Glasscheibe von einen Haufen Fremder gedrückt wurden!

Stupid CupidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt