Epilog

467 38 23
                                    

Das mir so vertraute Kratzen der Kohlemine auf Papier erfüllte die stille Ecke in der Bibliothek, in der Kenma und ich schweigend über unseren Zeichenblöcken saßen und die letzten Feinheiten an seinem Zeichenprojekt beendeten.

Der erste Herbststurm peitschte Regen gegen das große Fenster vor uns und erinnerte daran, dass der Sommer nun endlich vorbei war. Die letzten sonnigen Tage hatte ich damit verbracht, Kenma dabei zu helfen, Fantasiewelten und Figuren für sein Onlinespiel zu skizzieren.

Der Gedanke, dass aus unseren jetzt noch leblosen Zeichnungen später mal aktive Welten und Personen mit Charakter werden würden, die wilde Abenteuer bestehen mussten, faszinierte mich und bildete eine angenehme Abwechslung zu den Arbeiten, die ich sonst vor der Nase hatte.

Kunstgeschichte, Bürstentechniken und Farbkunde konnten da nicht mal ansatzweise mithalten.

Zufrieden legte ich den Bleistift zur Seite und blickte zu Kenma, der an einer ziemlich realistischen Elfenfigur arbeitete und gleichzeitig seine Arbeit beendete. Bittend sah er mich an und hielt mir den Block unter die Nase, da er kein Freund von vielen Worten war, was mich nicht wirklich störte. Wir verstanden uns auch so.

Ich nahm die Zeichnung entgegen und überflog sorgfältig die Details, bevor ich mit einem kleinen Lächeln nickte. Kenma schenkte mir ein verhaltenes zurück und ich kam nicht darüber hinweg, wie jung der Grafikdesign-Student wirkte.

„Seid ihr fertig?", fragte plötzlich eine Stimme hinter uns und wir beide zuckten heftig zusammen. Gleichzeitig fuhren wir herum und blickten in das amüsierte Gesicht von Kuroo. „Tetsu, du hast uns zu Tode erschreckt", maulte Kenma ihn an, doch so wirklich sauer klang er nicht.

Unbeeindruckt zuckte der Schwarzhaarige die Schultern und fischte nach dem Block in meinen Händen, den ich ihm widerstandslos überließ. „Hast du das gezeichnet, Kenma?", fragte er und überflog sichtlich beeindruckt die Elfen-Zeichnung. Kenma nickte schüchtern, während seine Wangen sich leicht rosa färbten.

„Du bist in den letzten Wochen so viel besser geworden", lobte Kuroo ihn und legte ihm sanft eine Hand auf die schmale Schulter.

Das leichte Pink auf seinen Wangen färbte sich eine Nuance dunkler und seine Lippen verzogen sich zu einem dieser seltenen ehrlichen Lächeln, die ihn noch jünger und unschuldiger wirken ließen.

Sichtlich stolz erwiderte Kuroo es und plötzlich hatte ich das Gefühl, die beiden bei etwas zu beobachten, das nicht für meine Augen bestimmt war, und so sammelte ich eilig meine Sachen zusammen. Das Rascheln holte Kenma ins Hier und Jetzt zurück und er beeilte sich, mir beim Zusammenräumen zu helfen.

„Ko müsste auch gleich da sein", verkündete Kuroo und überreichte Kenma den Block zurück, der ihn in seinen Rucksack verschwinden ließ. Kaum hatte er den Satz beendet, bog Bokuto tatsächlich schon um die letzte Bücherregal-Reihe und kam mit einem großen Grinsen auf uns zu.

„Hey hey hey", rief er euphorisch und wir Drei hielten uns synchron den Zeigefinger vor den Mund.

„Shhhh, du darfst hier nicht so laut sein", ermahnte Kuroo ihn und erntete lediglich ein Augenrollen von seinem besten Freund, der nun langsam auf mich zukam.

„Hey", flüsterte er und keinen Moment später schloss er mich in seine Arme. Ich erwiderte die Umarmung und kuschelte mich an seinen großen, starken Körper. Dabei versuchte ich bewusst zu ignorieren, dass wir uns in der Bibliothek befanden, und konzentrierte mich ganz auf Bokuto, seinen Geruch und seine Wärme, die mein Herz aufgeregt in meiner Brust flattern ließ.

Seit unserer Unterhaltung machte ich jeden Tag kleine Fortschritte, um unsere Beziehung auch in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Ich würde sie zwar nie, wie Bokuto es vorgehabt hatte, vom Dach der Universität verkünden, aber inzwischen schaffte ich es sogar schon auf dem Nachhauseweg, nach seiner Hand zu greifen - natürlich erst, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass niemand in der Nähe war..

The SketchbookWhere stories live. Discover now