Straucheln

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„Ich habe mit Donghyuk Schluss gemacht“, sagte sein bester Freund.

„Du hast- was?“

Ganz ruhig sah ihn Minho an.

„Du hast mich schon verstanden, Bin.“

Vielleicht. Changbin hatte seine Stimme gehört und dabei gesehen, wie sich seine Lippen bewegten und er hatte Worte vernommen, die er seiner Muttersprache zuordnete.

„Nur du? Was ist mit Seungmin?“

Minho zuckte mit den Schultern. Er sah in Richtung der Drehtür, durch die er selbst soeben das Gebäude verlassen hatte und die jetzt, pünktlich zum Feierabend, in großer Zahl zerknitterte Menschen in glatt gebügelten Anzügen ausspuckte. Doch sein Blick schien ins Leere zu gehen, so als sähe er eigentlich etwas ganz anderes – an einem anderen Ort. Zu einer anderen Zeit. 

„Was soll mit Seungmin sein? Er ist mein Freund und er ist Donghyuks Freund und ich bin es nicht mehr.“

„Also überlässt du ihm Seungmin einfach?“

Das konnte doch nicht wahr sein.  

Minhos linke Augenbraue schoss in die Höhe.

„Überlassen?“ Er lachte. „Donghyuk und ich, wir hatten unsere Differenzen. Aber wenn Seungmin mit ihm zusammen sein möchte, dann ist das seine Entscheidung, meinst du nicht?“

„Du hast mir versprochen, dass du auf ihn aufpasst. Wie kannst du auf ihn aufpassen, wenn du ihn allein lässt?“

Changbins Gedanken und sein Herz rasten, seine Hände fühlten sich schwitzig an. Minho hatte Sicherheit bedeutet, Verantwortung, die er teilen konnte, weil auf Minho Verlass war. Verlass gewesen war. Minhos Augenbraue verschwand beinahe in seinem Haaransatz.

„Hörst du dich selbst eigentlich reden? Ich bleibe doch nicht mit Donghyuk zusammen, damit Seungmin nicht alleine mit ihm zusammen ist. Das wäre nicht fair, für keinen von uns. Außerdem – sehe ich aus wie die Caritas?“

Aber Changbin war für Logik nicht mehr empfänglich. Er konnte nur noch an fluffiges Haar über unsicheren braunen Augen denken, an eine Zahnspange und blitzende weiße Zähne. An ein viel zu weites Lotte Giants T-Shirt und an ein Lächeln, dass anfangs schüchtern war und später vertrauensvoll. Fahrig streifte er sich die Hände an der Hose ab, einer seiner Fingerringe verhakte sich im Stoff, er riss ihn los. 

„Ich- ich muss auf ihn aufpassen“, murmelte Changbin, denn das musste er, nicht wahr, auf seinen kleiner Babybruder im Geiste. Er musste besser auf ihn aufpassen, als Minho es tat.

„Er braucht keinen Babysitter“, sagte Minho scharf. „Er ist kein Kind mehr, Bin. Nächsten Monat wird er 28 und er ist sehr wohl in der Lage, seine eigenen Entscheidungen zu treffen.“

Warum ging das so schnell? Warum klang Minho so ernst? Irgendetwas stimmte hier nicht, fühlte sich falsch an, die Emotionen waren viel zu stark. Seine Haut fühlte sich auf einmal zu eng an, zu klein, Changbin musste hier raus. Er sah rot.

Er schrie Minho ins Gesicht: „Ich muss ihn da rausholen. Ich habe versprochen, auf ihn aufzupassen!“

Zu schnell.

„Er hat dich nicht darum gebeten!“, fauchte Minho zurück.

„Aber er braucht mich“, beharrte Changbin und das kam aus einem anderen Leben. Einem, von dem er glaubte, es lange hinter sich gelassen zu haben.

Bist du eigentlich zu irgendetwas zu gebrauchen?

„Himmel, Changbin, was ist denn los mit dir heute? Lass deinen Komplex nicht an meinem Freund aus! Er ist erwachsen.“

StrauchelnWhere stories live. Discover now