Unverhofft/ Teil4

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   4-Unverhofft


Angst hat viele Gesichter: Angst verleiht Flügel, Angst fesselt und rettet uns. Es ist ein starkes Gefühl.

Noch stärker ist nur die Angst vor der Angst.

Und die hatte ich nun.

Verzweifelt versuchte ich den Stein in die Einkerbung des Felsens zu stecken, doch meine Luft wurde knapp und durch die Blasen, die ich ausatmete, sah ich wie immer mehr dieser kleinen Schmarotzer in meine Richtung schwammen, als witterten sie ein Festmahl.

Meine Finger glitten über moosigen Fels und keine Spur von einer Aussparung. Mir ging die Luft aus und ich schüttelte meinen Arm, wo sich einige Egel festgebissen hatten.

»Da!« Ich fühlte die Ränder. Schnell! Ich fummelte den Stein hervor und versuchte ihn einzupassen.

Ich würde bald atmen müssen.

»Schnell, Livy!« meine Finger zitterten, ich sah meinen letzten Atemblasen nach.

Da ein scharfer Schmerz, das Dreieck rutschte aus meiner Hand. »Nein! Nein! Nein! War ich so weit gekommen, um nun in dieser Drecksbrühe zu sterben.«

Ich sah den dunklen Umriss des Steines fallen.

Sollte ich? Oben schimmerte grünlich etwas Helligkeit.

Sollte ich hoch, sollte ich runter? Ich hörte meinen Freund aus Kindertagen:

»Wetten, dass ich besser tauche als du!«

»Wetten nicht!«

Ich verfolgte den Stein und alle Blutegel der westlichen Stratosphäre verfolgten mich. Leider wusste ich nicht mehr, wo oben und unten war und verlor den Stein aus dem Blick. Hier unten war es so dunkel wie in einem Fass.

Plötzlich ließen die Egel von mir ab und ich sah sie fortschwimmen.

Ich tastete auf dem sandigen Boden umher und war schon nicht mehr ganz bei Sinnen, als das Gefühl im Hinterkopf, das die Haare im Nacken aufstellt, Alarm schlug.

Der Boden vibrierte, ich zuckte zurück und wollte aufsteigen, da packte mich etwas am Bein. Wie ich auch zog und zerrte, ich kam nicht los und dann erklang ein Grollen.

Mir wurde schwarz vor Augen, als da ein Umriss auf mich zukam. Um ihn her waren lauter schwimmende Leuchtfäden.

Gab es unter Wasser Engel?

Der Engel trug mich fort und dann blutete er. Oder war ich es?

Schwärze!

»Wo ist Mama?« Sterne am Himmel. Ich und meine Oma lagen in der alten Schunken-Stadt. Damals hatte es manchmal ausgereicht Hütten auf Stelzen zu bauen.

Doch Opa hatte ein kleines Hausboot erworben. Denn eines war sicher: Das Wasser stieg.

Meine Großmutter schwieg. Manchmal war sie gewitzt und tat so, als ob sie schliefe, wenn ich sie etwas Unangenehmes fragte.

»Oma, wo ist Mama? Ist sie ein Engel?« Ich rüttelte sie, sie stöhnte. Dann gingen wir auf Deck. Wir lehnten uns weit hinaus und sahen, wie die Lichter der Lagunenstadt Ying-Yang-City langsam ausgingen und die Sterne strahlten.

Die Bewahrer von ArbosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt