Kapitel Sechzehn

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Das letzte Rennen stand an.

Chris, Amy, Aurelio und ich saßen bereits auf der Tribüne und warteten ungeduldig bis die Wagen vorfuhren. Dieses Rennen sollte über alles entscheiden.

Natürlich verstand ich das Chris mehr mit Augustus Team sympathisierte und er verstand das ich Joshua den Sieg gönnte. Nur Amy und Aurelio waren völlig unvoreingenommen und wollten nichts weiter als eine gute Zeit zu erleben.

Das Rennen startete, Chris und ich standen auf. Wir waren furchtbar nervös und auch wenn 'unsere' Männer uns nicht hören konnten, so jubelten wir und feuerten sie an. Ich konnte mir vorstellen wie berauschend es gewesen sein musste in einem der Wagen zu sitzen.

Runde um Runde kristallisierte sich Augustus mehr und mehr als Favorit heraus, während Joshua mit dem anderen Fahrer konkurrierte. Das laute jaulen des Motors - als Joshua aufs Gas trat - war deutlich zu hören und schon schoss er erneut an uns vorbei. Dann krachte es laut und jeder Zuschauer auf der Tribüne hielt den Atem an. Es war erneut zu einer Kollision gekommen. Chris sah mich an, genauso wie ich ihn in diesem Moment - dann sprinteten wir bereits los. Es war Zuschauern aus Sicherheitsgründen verboten die Strecke zu betreten und die Ordner liefen bereits los um uns zu stoppen, aber sie hatten keine Chance. Wir rannten, als ginge es um Leben und Tod.

Augustus zog erneut an uns vorbei, doch diesmal war er sehr viel langsamer. Nach der nächsten Kurve hielt er, kletterte aus seinem Wagen und schloss sich uns an, bis wir Joshua erreichten. Dieser war mit einer Bande zusammen gekracht und sein Wagen qualmte bereits. Er jedoch hatte offenbar keinen Schaden davon getragen und stieg seelenruhig aus. "Josh!" schrie ich. "Geht es dir gut?"

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Am Ende gewann der Fahrer der Red Eagles das Rennen. Er war mehr daran interessiert über die Ziellinie zu kommen als nach einem seiner Rennsport Kollegen zu schauen. Ganz anders war da Augustus, der sich scheinbar ernsthaft für Joshua interessierte. Den beiden war es vollkommen egal ob sie verloren oder nicht.

Schließlich kam Carl Porter auf uns zu. Er schlenderte arrogant, hielt seinen Helm unterm Arm und grinste schmutzig. Sein Sieg war nicht sein eigener Verdienst, auch wenn er dies gern glauben wollte. "Tja wies aussieht wissen wir jetzt wer der beste Fahrer ist." warf er Joshua und Augustus entgegen. Die beiden sahen sich kurz an, zuckten dann mit den Schultern und zu viert wollten wir die Strecke verlassen, als sich Augustus schließlich doch nochmal umdrehte.

"Hey Carl... Du hast das Rennen gewonnen. Glückwunsch. Du hättest aber auch stehen bleiben und nachsehen können ob alles in Ordnung ist." sagte er, was deutlich als Vorwurf zu deuten war. "Aber weißt du was? Du hast vielleicht den ersten Platz geholt, aber WIR haben gewonnen. Sehr viel mehr als du je gewinnen kannst."

Dann legte er den Arm um Chris' Schulter und schlenderte davon, dicht gefolgt von Joshua und mir. Ich musste schmunzeln, denn ich verstand wie Augustus das gemeint hatte.

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Wir saßen beisammen. Alle.
Augustus wollte uns unbedingt kennen lernen, wollte mehr über die Familie erfahren die Chris so sehr liebte und als seine eigene bezeichnete. Der Mann wusste Komplimente zu verteilen, hatte Humor und verbarg auch nicht, wie sehr er Chris mochte. Es war so schön das Zusammenspiel der beiden zu beobachten. Plötzlich erhob sich Aurelio und zog Amy mit sich. "Ich beende den Abend ungern so abrupt, allerdings geht unser Flug sehr früh." erklärte er. "Ihr fliegt? Wohin?" fragte ich. Amy hatte gar nichts darüber gesagt. "Zurück nach Italien. Dein Vater ist der Meinung das es Zeit ist dich machen zu lassen. Wenn ich ehrlich bin glaube ich das er bedroht wurde von deiner Mum." gab Aurelio zurück und lachte. Alle stimmten mit ein.

Am Ende blieben nur noch Chris, Augustus, Joshua und ich übrig.

Chris griff nach seinem Telefon und obwohl es schon spät war konnte ich nach kurzem läuten die Stimme meines Dads hören. "Keine Sorge, es ist alles okay." beschwichtigte Chris Dad sofort. "Ich wollte nur etwas sagen... Etwas, das ich heute beschlossen habe. Und es betrifft die Familie, aber hauptsächlich Maxine." fuhr er fort. Nachdem ich Dad kurz begrüßt hatte und auch Joshua sich zu Wort gemeldet hatte, sah Chris mich eindringlich an. Eine Hand ruhte auf dem Oberschenkel von Augustus, während die andere locker über seinem Knie hing. Dad war auf Lautsprecher. "Ich habe mein Leben dieser Familie gewidmet. Ich habe die Mädchen aufwachsen sehen, aber auch, wie zerbrechlich selbst der stärkste Mann sein kann. Es war nie nur ein Job für mich und ihr wisst das. Amy ist nicht länger unter meinen Fittichen, sie ist verheiratet und Aurelio wird sie beschützen. Und du, Max... Du hast scheinbar dein Gegenstück gefunden. Deswegen möchte ich gerne meine Arbeit niederlegen denn ihr seid erwachsen und braucht keinen Aufpasser mehr... Oder Babysitter."

Chris zwinkerte in Richtung Joshua.

"Ich habe lange darüber nachgedacht und jetzt, da ich Augustus kennen gelernt habe... Möchte ich gerne etwas mehr Zeit mit ihm haben. Seine Heimat kennen lernen, seine Familie."

Ich hatte Tränen in den Augen. Es stand ein Abschied bevor - schmerzhaft, wenn auch nicht für immer.

"Und nun? Willst du... Meine Erlaubnis?" fragte Dad irritiert. "Chris, du bist mein Bruder, denn Familie definiert sich nicht nur über Blut. Du hast deinen Kopf mehr als einmal für mich, für die Mädchen hin gehalten. Nichts auf der Welt kann das je vergelten. Und du hast recht... Die Mädchen sind soweit. Du wusstest es, auch wenn ich noch nicht soweit war es zu sehen. Jetzt ist es an der Zeit aus dem Nest zu treten... Aber du solltest wissen das du jederzeit nach Hause kommen kannst. Vorzugsweise mit deinem Partner."

Der taffe Schrank von Mann der mich mein Leben lang beschützt hatte hielt seine Tränen nicht zurück bei den Worten die Dad sprach. Und auch Dad zog mehr als einmal die Nase hoch, was ein eindeutiges Zeichen war.

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Tränen flossen über meine Wange als ich Chris und Augustus in den Arm nahm. Die beiden hatten alles Glück der Welt verdient und jetzt war es an der Zeit hinaus in die große weite Welt zu gehen und ihrer Zuneigung Zeit zum reifen zu geben. Ich umarmte sie, drückte sie fest an mich, weil ich dankbar für alles war was dieser Mann für mich, für meine Familie getan hatte.

Joshua stand die ganze Zeit neben mir, schüttelte anschließend den beiden Männern die Hand und nickte, als sie sich langsam davon machten. Wir sahen ihnen nach.

"Ich wusste es." sagte Joshua schließlich. "Ich hatte vorher schon mit Chris geredet und auch mit deinem Dad. Ich wollte von ihm den Segen dich mitnehmen zu können und Chris hat das unterstützt."

Ich sah ihn verwirrt an... Wohin mitnehmen?

"Bee ist schon auf dem Rückweg zu ihrem Mann. Ich lebe dort... Oder möchte es zumindest versuchen. Mit dir. Ich will dir alles schöne der Welt zeigen und ich glaube die Malediven sind nicht unbedingt der schlechteste Startpunkt." erklärte er. "Dein Vater hat eingewilligt, aber nur wenn wir uns regelmäßig melden und ich musste ihm versprechen das wir deine Eltern besuchen werden. Also... Frage ich dich... Ganz offiziell... Möchtest du mitkommen?"

Ich war gerührt.
Wir standen noch am Anfang unserer Beziehung, aber es war bereits so als würde ich ihn mein Leben lang kennen. Ich wusste das irgendwann der Moment kommen würde, an dem ich mich entscheiden musste für immer sesshaft - an einem Ort - zu werden. Und dieser Moment war gerade gekommen.

"Natürlich komme ich mit." antwortete ich hastig. Joshua legte eine Hand an meine Wange, lächelte und küsste mich, als würde nichts mehr zählen außer uns beiden. Dann nahm er meine Hand in seine.

Unsere Zukunft begann jetzt.

Maxine Where stories live. Discover now