Kapitel 4 - Nachtbesuch

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„Hallo zusammen, bitte entschuldigt die Verspätung, jetzt sind wir ja da", begrüßte uns Clara mit einem offenen, kaum merklich angespannten Lachen und bat eilig Jalia, an ihr vorbei weiter in das Rauminnere zu treten. Nach einem kurzen Dank entschuldigte sie sich ebenfalls bei allen Anwesenden. Niemanden von uns sah sie ganz direkt an, mied förmlich jeden Blickkontakt. Dass sie unpünktlich war, war ihr sichtlich unangenehm. Egal, wie lange wir vor unserer Begegnung vor einigen Wochen nicht aufeinandergetroffen waren, ich kannte ihre Körpersprache noch immer in und auswendig. Ich wusste, wie sie sich bewegte, wie sie schaute und handelte, wenn sie unsicher war.

Zuerst schien sie mich überhaupt nicht wahrzunehmen, worüber ich auch recht froh war, da ich auf diese Weise vorher realisieren konnte, weshalb sie hier war. Meine Akklimatisierung dauerte kurz, denn natürlich wurde mir innerhalb weniger Millisekunden bewusst, dass ich künftig mit ihr zusammenarbeiten würde. Sie ist die neue Doktorandin, fiel mir das Unausweichliche wie Schuppen von den Augen.

Unruhig erinnerte ich mich, meine Contenance nach außen zu halten, immerhin wusste niemand außer uns, welche Vergangenheit uns beide verband.

„Frau Dr. Eckhoff, schön, Sie wiederzusehen. Setzen Sie sich doch bitte", freundlich wie eh und je erhob sich Herr Winkler zu seiner Antwort und wies mit seiner Hand auf einen Stuhl zwischen Angela und einem anderen Dozenten. Wir saßen alle an einer Hälfte des Tisches, drei der fünf freien Plätze befanden sich neben mir.

„Guten Tag Frau Bließmann, super, dass Sie es einrichten konnten. Wir freuen uns, Sie im Team willkommen zu heißen. Suchen Sie sich gern einen Platz aus", richtete er sich anschließend an Jalia, die in diesem Moment erstmals direkt meinen – unseren – Vorgesetzten anschaute und aus ihrer Schamstarre erwachte. Ich erkannte die Situation sofort; auch mir bot Herr Winkler, als ich neu im Team war, keinen Platz an, sondern wollte beobachten, zu wem ich mich von mir aus setzte. Meine Wahl fiel damals auf Clara, weil sie die Einzige war, die ich bis dato kannte. Ähnlich war es jetzt offenbar um Jalias Bekanntenkreis gestellt, doch ihr blieb diese Möglichkeit durch Herr Winklers vorigen Hinweis zur Sitzordnung nicht. Er zog fragend die Augenbrauen hoch, als sie plötzlich in ihrer Bewegung innehielt. Heiß wie Feuer spürte ich ihren Blick auf mir, nun hatte sie auch mich wahrgenommen. Es war, als stünde die Welt einen Moment still. Als gäbe es nur sie und mich. Als wären wir nicht im Büro unseres Chefs, der uns mitsamt seinem Team beobachtete, sondern als wären wir an einem Ort zwischen Raum und Zeit, der nur für uns beide existierte. Mir wurde auf einmal unglaublich warm und wie in einem Zeitraffer sah ich einige der Situationen, die zwischen ihr und mir geschehen waren, vor mir. Ich musste tief durchatmen und konnte mir nicht vorstellen, mit ihr zu arbeiten, während sie schließlich antwortete.

„Danke, Herr Winkler, ich würde mich neben Frau Heß setzen." Damit war ihre Wahl mit leicht zittriger Stimme auf die Koordinatorin für interdisziplinäres Arbeiten gefallen, die oft zwischen den Fachgebieten kommunizierte. Sie nahm schräg gegenüber von mir Platz, weshalb ich sie das gesamte Meeting wunderbar betrachten können sollte. Welch erfreuliche Nachricht.

„Natürlich. Dann beginnen wir auch gleich." Nachfolgend wurden diverse Inhalte des Instituts besprochen, bei denen ich jedoch größtenteils nur halbherzig zuhörte. Immer wieder haderte ich mit mir, ob ich Jalia ansehen sollte oder nicht. Unverständlicherweise machte ich mir Gedanken, was die Angemessenheit betraf. Würden die anderen mir anmerken, dass wir uns kannten? Aus Unsicherheit fokussierte ich hauptsächlich den Block vor mir und den Stift in meiner Hand. Dennoch platzte ich fast vor Neugier, ich wollte wissen, wie Jalia auf die Themen reagierte, die besprochen wurden. Bisher beteiligte sie sich nicht aktiv am Gespräch. Meine Augen wanderten zaghaft zu ihr, mein Herzschlag nahm zu und sie erschien in meinem Sichtfeld. Sofort zuckten ihre Augen in meine Richtung und ich versuchte ebenso wie sie, mir nicht anmerken zu lassen, dass wir uns kannten. Sie ist so atemberaubend, geisterte es durch meinen Kopf und ich drehte mich hingerissen ein Stück zur Seite.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 11, 2023 ⏰

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