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POV Rezo
Mexi wohnte seit bald einer Woche bei mir. Es ging ihm zwar alles andere als gut, dass wusste ich, aber soweit ich es mitbekommen hatte, hatte er sich kein weiteres Mal selbstverletzt, worüber ich sehr stolz war. Und er war am Leben. Das war das wichtigste.

Es war Sonntag, als ich ihn fragte, ob er beim Stream dabei sein wollte. „Wann denn?", stellte er eine Gegenfrage und schaute von seinem Handy auf. „Um 18 Uhr, also in zehn Minuten." „Ich bin dabei, hab sowieso nichts besseres zu tun", antwortete Mexi ohne zu Zögern.

Ich lächelte freudig und ging schon voraus ins Streamingzimmer. Als der Countdown begann, rief ich Mexi und holte ihm einen zweiten Sessel, den ich neben meinen eigenen stellte.

Jetzt, als ich darauf achtete, merkte ich, dass ein paar Leute mich fragten, ob ich mal etwas mit Mexify machen könnte. Wie war mir das früher nie aufgefallen?

Der Jüngere neben mir sah erst interessiert auf den Chat, dann in die vor uns aufgebaute Kamera. „Hast du schon mal gestreamt?"
„Nein, noch nie. Hab ich mir nicht zugetraut, bei einer Aufnahme kann ich ja jederzeit was rausschneiden, bei einem Livestream halt nicht."

„Versteh ich", nickte ich und meinte es zu hundert Prozent ernst.

„Bereit?"
„Bereit."

Damit startete ich den Stream. Grinsend sah ich, wie der Chat komplett ausrastete, als sie sahen, wer neben mir saß.

„Hi", grüßte Mexi leise und winkte schüchtern in die Kamera.

„Leute, wer ihn noch nicht kennt, dass ist Mexify, schaut nach dem Stream gerne alle bei ihm vorbei", stellte ich ihn vor, nachdem auch ich meine Community begrüßt hatte.

„Ich würde auf Jus neues Hauptvideo reagieren, wenn ihr einverstanden seit?"

Sie waren einverstanden.

Und Mexi auch. Hoffte ich zumindestend, wirklich viel sprechen tat er nicht. Während des Videos wurde er immer ruhiger, nur seinen unregelmäßigen Atem hörte ich.

Jetzt, wo ich ihn richtig betrachtete, merkte ich auch, wie sehr seine Beine zitterte, wie er durchgehend seine Hände knetete und seine Nägel biss.

„Leute, wir kommen gleich wieder, in ein paar Minuten, wir holen nur schnell was zu essen."

„Ich drückte auf Pause und stupste Mexi leicht an, der nicht auf meinen Satz reagiert hatte.

Er stand auf und ging so schnell aus dem Zimmer, so schnell, dass ich ihm kaum folgen konnte. Als ich Tür hinter uns schloss, sackte er sofort in sich zusammen und begann zu schluchzen.

„Mexi? Alles gut. Atme mit mir. Einatmen... Ausatmen. Alles okay. Ich bin bei dir", versuchte ich ihn zu beruhigen, aber er reagierte kaum. Zu sehr war er in seinem Kopf gefangen.

„Mexi!"

Ich legte die Arme um ihn, umarmte ihn ganz fest, um ihm zu zeigen, dass er nicht alleine war.

„Atme mit mir. Lass dir Zeit, der Stream ist gerade völlig egal."

Er schüttelte hilflos den Kopf, brachte kein Wort heraus. Aber er hatte mich wahrgenommen. Das war ein deutlicher Fortschritt, weshalb ich einfach genauso weitermachte, wie bis jetzt.

„Tief einatmen... genau so... du machst das super. Jetzt ausatmen... genau. Wieder einatmen. Ich bin bei dir Mexi. Wir schaffen das. Du schaffst das."

Und tatsächlich, langsam begann sein Atem sich zu beruhigen, sein Schluchzen wurde dafür umso lauter.

Als ich mir sicher war, dass seine Panik einigermaßen weg war, erhob ich mich kurz und lief ins Streamingzimmer.

a tiny light - RezofyDove le storie prendono vita. Scoprilo ora