1. Der Geburtstag naht

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Sara

An einem Freitagabend saß ich in meiner kleinen Physiotherapiepraxis und blätterte durch meinen Terminkalender. Da fiel mir plötzlich auf, dass in ein paar Wochen Jules Geburtstag anstand. Ich seufzte leise. Jule ist nicht nur meine Mitarbeiterin, sondern auch meine beste Freundin. Eigentlich ist sie auch die einzige Freundin, die ich habe. Durch die Arbeit habe ich nicht noch viel Zeit nebenbei, um andere Leute kennen zu lernen. Ich will ihr etwas ganz Besonderes schenken. Etwas, das ihr zeigen würde, wie sehr ich sie schätze.

Seufzend lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und starrte an die Decke. Was könnte ich Jule schenken?Meine Freundin besaß im Grunde alles. Was also konnte ich ihr schenken? Bei Menschen, die mir besonders viel bedeuten, hatte ich immer das Gefühl, dass Blumen und Schokolade zu gewöhnlich sind. Ich brauchte etwas Außergewöhnliches. Etwas, das Jule niemals vergessen würde. Ich grübelte eine Weile, bis mir eine Idee kam. Doch bevor ich diese Sache angehen konnte, musste ich mich erst mal um die Arbeit kümmern. Schließlich war ich nicht umsonst länger geblieben. Auch wenn ich das Gefühl hatte, mir fallen jeden Moment die Augen zu.

Ich schaute mir die Abrechnungen an und sortierte sie richtig ein. Dann musste ich nur noch die nächsten Termine koordinieren, bevor ich endgültig Feierabend machen konnte. Als ich die Praxis verließ, war es bereits dunkel und ich konnte die ersten Sterne am Himmel sehen. Sehnsuchtsvoll sah ich zum Himmel und plötzlich lief mir eine Träne über die Wange. Als könnte meine Mama dort oben spüren, wie sehr ich sie, auch nach all den Jahren, noch immer vermisse, leuchteten ein paar der Sterne etwas heller. Es ist schon 19 Jahre her, sollte ich mich da nicht längst dran gewöhnt haben? Nein, da werde ich mich wohl niemals dran gewöhnen.

Es ist schon verrückt, dass es gleichzeitig 19 Jahre her ist und ich zum Zeitpunkt ihres Todes ebenfalls 19 Jahre alt war. Weitere Tränen verfolgten die eine. Ich hatte einfach keine Kraft dafür, um sie zu unterdrücken. Viel zu lange war ich die starke Tochter gewesen. Dabei hatte es sehr viel Schmerz in den letzten Jahren gegeben.

Der Tod war für meine Mama eher eine Erlösung. Sie hatte zwei lange schmerzvolle Jahre hinter sich, als sie kraftlos zu den Engeln ging. So sehr ich mich auch gefreut hatte, dass sie jetzt keine Schmerzen mehr hatte. So sehr vermisste ich sie ab dem Moment, als sie ihre Augen für immer geschlossen hatte. In den letzten Stunden ihres Lebens hatten Jule und ich an ihrem Bett gesessen und je eine ihrer Hände gehalten. Dafür bin ich bis heute sehr dankbar. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, aber ich glaube daran, dass diese Tatsache ihr das Gehen erleichtert hatte.

Mein Blick war immer noch auf die ersten Sterne gerichtet. Für einen Moment schloss ich meine Augen und stellte mir das wunderschöne Gesicht meiner Mama vor.

„Du wirst für immer in meinem Herzen sein, Mama!", schickte ich einen Gruß zu ihr nach oben. Ein Handkuss folgte. Nachdenklich ging ich weiter den Weg nach Hause. Wo mich sowieso niemand erwartete. Es hatte in meinem Leben noch nie viele Männer gegeben. Erst recht noch keinen, der mir so viel bedeutet hätte, um mich zu binden. Mein erstes Mal war mit einem Medizinstudenten, der denselben Kurs wie ich besuchte. Es hatte nicht nur höllisch weh getan, wirklich Spaß hatte ich dabei auch nicht gehabt. Danach hatte ich nicht wirklich das Bedürfnis verspürt, noch einmal einen Mann näher kennen zu lernen. Klar, es gab hin und wieder mal ein Essen mit irgendwelchen Bekannten oder auch mal ein Date. Aber es wurde nie etwas daraus. Meistens war es auch meine Schuld. Ich konnte einfach keinen Mann so richtig an mich heranlassen.

Ich bin mir sicher, meiner Mama würde das gar nicht gefallen. Zum Glück muss sie das ja nicht mehr mit ansehen. Meinem Vater war ich nach ihrem Tod ziemlich egal gewesen. Unser Verhältnis war nie so innig, wie mit Mama. Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass wir uns nach ihrer Beerdigung etwas hätten annähern können. Aber Nein, es war ihm sogar lieber gewesen, mich nicht zu sehen.

Ohne meine beste Freundin und deren Eltern hätte ich dieses Unglück wohl nicht schadlos überstanden. Jules Eltern sind in dieser Zeit so einfühlsam und voller Liebe für mich gewesen. Das werde ich Ihnen wohl niemals vergessen können. Bis heute behandeln sie mich, als wäre ich ihre zweite Tochter. Da Jule für mich immer schon wie eine Schwester ist, macht mir das absolut nichts aus. Ganz im Gegenteil, ich genieße es geradezu.

Es ist fast zehn, als ich nach Hause komme. Natürlich ist alles dunkel und niemand wartet auf mich. So ist es und so wird es wohl auch bleiben. Um etwas runter zu kommen, nehme ich ein Bad, nachdem ich alles verschlossen habe. Ich ziehe mich aus und gleite in das warme Wasser hinein. Es ist fantastisch. Ich möchte gar nicht mehr heraus steigen. Was natürlich nicht geht. Deshalb lasse ich das Wasser heraus, steige aus der Wanne und schlüpfe in meinen Bademantel hinein. Jetzt bin ich fast wunschlos glücklich und gehe in meine Küche. Aus dem Schrank nehme ich mir ein Glas und gieße mir etwas Erdbeerschaumwein ein. Es prickelt, als ich einen Schluck nehme. Normalerweise trinke ich keinen Alkohol. Doch heute ist einer dieser Tage, an denen man gar nicht anders kann. Weil ich morgen früh wieder raus muss, bleibt es auch bei dem einen Glas. Ich entscheide mich sogar dafür, bereits ins Bett zu gehen und stelle mein Glas auf den Nachtschrank. Es dauert auch gar nicht lange und schon bin ich abgedriftet ins Traumland ...

... Strahlend blaue Augen blicken mir entgegen, als mir Jared wie aus dem Nichts plötzlich gegenüber steht. Er hat nichts an. Oh mein Gott, er ist tatsächlich nackt.

Doch als ich an mir herunter schaue, werde ich erst nervös. Denn auch ich habe nichts an.

Ich fange an, zu zittern. Er kommt immer näher und legt seinen Zeigefinger gegen seine traumhaften Lippen. Daraufhin nimmt er meine Hand und ich folge ihm. Dabei ist es mir ganz egal, wohin er mit mir geht. Aber wenige Augenblicke später stehen wir im Sand ... wir befinden uns an einem wunderschönen Strand. Wow, das kann nur ein Traum sein. Er führt mich zum Wasser, dass im Licht der Sonne hellblau strahlt. Es ist alles so wunderschön hier: Er sowieso, der Strand, das Meer ... sogar ich. Alles viel zu schön, um wahr zu sein.

Jared nimmt mich auf seine starken Arme, trägt mich ins Meer hinein. Seite an Seite schwimmen wir und er lässt mich keine Sekunde aus den Augen. Doch dann dreht er mich so zu sich, dass sich unsere Körper berühren. Er ist so nah, dass sich unsere Lippen jeden Moment berühren könnten.

Aber dann werde ich ungeküsst wach ... 


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