Kapitel 2

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Lustlos schob Charlotte die Kartoffeln auf ihrem Teller hin und her. Nicht nur, dass sie seit dem Unfall permanent schlechte Laune hatte, nein, wenn sie sich nicht bewegte hatte sie auch keinen Hunger. Also verbrachte sie die Mittagspause, die Hendrik ihr freigegeben hatte, in einem kleinen Essensraum, mit einem Teller Bratkartoffeln, den sie eigentlich gar nicht wollte. 

Seufzend scrollte Charlotte einfach durch Instagram, sah einfach nach, was ihre Freunde so taten, während sie bereits den dritten Tag in diesem grauen Klotz verbrachte, Hendrik ihr Übungen auftrug und sie sich durch Nico Schlotterbeck beobachtet fühlte und ihn deshalb regelmäßig ankeifte. Wenn man vom Teufel sprach - als Charlotte auch nur mit einer Silbe an den Innenverteidiger gedacht hatte, schob er sich bereits in ihr Sichtfeld und nahm selbstverständlich ihr gegenüber Platz. 

Charlotte nickte ihm nur abwesend zu, während sie weiter auf ihr Handy sah. Tatsächlich waren momentan nicht wirklich viele Spieler in der Reha, sodass sie irgendwie ein stummes Abkommen getroffen hatten, miteinander abhängen zu müssen, um nicht allein rumzustitzen. "Es ist unhöflich während des Essens aufs Handy zu schauen." Gab ihr Gegenüber schon wieder zum Besten, weshalb die Blonde theatralisch ihre Augen verdrehte. "Es ist mindestens genauso unhöflich mit vollem Mund zu sprechen." feuerte Charlotte daraufhin zurück, bevor sie aber doch ihr Smartphone beiseite legte, und weiter ihre Kartoffeln hin und her schob, damit aber sein Grinsen ignorierte, dass sich auf sein Gesicht geschlichen hatte. 

"Hast du keinen Hunger?" versuchte er erneut ein Gespräch zu beginnen, woraufhin Charlotte einfach nur den Kopf schüttelte, was ihn anscheinend wenig befriedigte. "Weißt du, so funktioniert das nicht." Nico sah die Blonde resigniert an, die daraufhin von ihrem Teller aufsah, den Kiefer fest aufeinander gedrückt. "Was?" keifte sie deshalb den Innenverteidiger an, der sein Besteck ordentlich auf den Tisch legte. 

"Ich glaube keiner findet es besonders cool hier, also warum machst du es mir so schwer?" Charlotte verzog bitter ihr Gesicht, starrte den Blonden einfach nur an, bevor sie tief durchatmete. "Du hast leicht reden. Du bist in zwei oder drei Wochen wieder hier raus." Feindselig funkelte sie den Fußballer an, dessen Gesicht daraufhin eine rötliche Farbe annahm. Vermutlich hatte Charlotte ihn damit nun doch etwas sauer gemacht. 
"Ich kann nichts dafür, dass dir das passiert ist. Mich zu verurteilen, weil meine Verletzung kleiner ist, ist unfair, findest du nicht?" Sauer funkelte er sie durch seine dunkelbraunen Augen an, fiel ihr auch direkt wieder ins Wort, als Charlotte auch nur ansatzweise den Mund öffnen wollte. "Du gibst mir noch nicht einmal eine Chance, dich kennenzulernen. Glaub mir, ich wäre auch lieber mit Freunden hier, statt mit dir festzusitzen." 

Für einen Moment sah Charlotte ihn vermutlich etwas schockiert an, bevor ihr Gesicht einen harten Ausdruck annahm, sie ihr Besteck auf den Tisch knallte und so schnell es eben mit den Krücken ging den Tisch verließ. Ihr war selbst bewusst, dass sie ihre eigene Unzufriedenheit die ganze Zeit auf den Mannschaftskollegen ihres Bruder projezierte und das alles andere als fair war. Allerdings konnte sie es auch überhaupt gar nicht abstellen. Erschwerend hinzu kam eben einfach, dass er ein Fußballer war, weshalb er im Allgemeinen bereits bei ihr unten durch war. 

Tränen bahnten sich einen Weg über ihre Wange, weshalb sie anhielt, um sie hektisch wegzuwischen, dabei direkt in Hendrik lief, der sie besorgt ansah. "Charlotte." entgegnete dieser ihr nur erschrocken, bevor er sie an ihrer linken Schulter berührte, und väterlich auf sie hinab sah. "Soll ich Marco anrufen?" fragte er sie sanft, und die Blonde war noch nie so froh gewesen, dass Hendrik sie so gut einschätzen konnte, ohne sie zu kennen. Erschöpft nickte sie einfach nur, obwohl sie ein schlechtes Gewissen hatte, ihren Bruder aufzuscheuchen, aber hier würde sie sich am heutigen Tag nicht mehr beruhigen können. 

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"Lotti, für ihn ist das auch nicht leicht." Marco hatte sich aufmerksam angehört, was ihre Probleme waren. Erst zum Schluss war sie zu ihrem Leidensgenossen Schlotterbeck gekommen und was zwischen ihnen passiert war, weil sie bereits befürchtete, dass Marco ihr eine Standpauke halten könnte. "Ihm geht es doch auch nicht gut mit seiner Verletzung, hast du daran schon mal gedacht?" Charlotte biss sich auf die Unterlippe, während sie auf ihre Hände sah, die in ihrem Schoß lagen. Wenn Marco das so sagte, schämte sie sich sogar ein wenig für ihr Verhalten. Vielleicht hatte sie ihm doch Unrecht getan. 

"Er ist Fußballer." Gab sie zerknirscht zu, weshalb Marco ihr mitfühlend seine Hand auf die ihre legte. "Ich bin auch Fußballer." Gab er mit einem kleinen Lächeln zu, woraufhin Charlotte aber nur den Kopf schüttelte. "Das ist was anderes, du bist mein Bruder." Wieder biss sie sich auf die Lippe, kaute bereits darauf herum, denn irgendwie war das Gespräch ihr mittlerweile unangenehm geworden. "Du bist doch auch mit Fußballern befreundet, was ist denn das Problem an Nico? Kai, Declan, Jule? Und das sind ja nur die Wichtigsten." Charlotte sah ihrem Bruder kurz direkt ins Gesicht, bevor sie wieder ihren Blick senkte. Für einige Momente musste sie darüber nachdenken, was sie nun sagen könnte, am Besten sogar so, dass ihr Bruder sie verstehen würde. 

"Die kenne ich ja auch schon lange...ich bin Fußballern gegenüber...misstrauisch geworden." wieder kaute sie auf ihrer Unterlippe, bevor Marco sie zwang, ihn anzusehen. "Niemand zwingt dich mit ihm befreundet zu sein. Aber du solltest fair sein und ihm eine Chance geben. Mehr will ich gar nicht." Resigniert atmete die Jüngere einmal tief durch. Wenn sie in sich hinein hörte, hatte ihr Bruder natürlich Recht mit dem was er sagte. Wie sie das jetzt anstellen sollte, war ihr aber selbst nicht bewusst. Denn stur war sie zu allem Übel ebenfalls. 

"Ich hab' das aber ganz schön verbockt." Knetete sie nervös ihre Hände, weshalb Marco ein kleines Glucksen entfuhr. Er wusste ja, dass sie stur war. Er war ja genauso, weshalb er sie kurz an sich drückte. "Pass auf, er kommt die Tage einfach mal zum Fifa spielen vorbei, okay?" 

Charlotte atmete durch, bevor sie dem Vorschlag, trotzdem etwas widerwillig, zustimmte. Ihr Bruder hatte natürlich, wie so häufig, Recht mit dem was er sagte. Sie war wirklich unfair gewesen, wenngleich sie ihre Laune nicht nur an Nico ausgelassen hatte, sondern an Jedem, der ihr irgendwie über den Weg gelaufen war. Allerdings hatte es Nico wohl am Schlimmsten erwischt, obwohl sie ihn vielleicht sogar zu früh verurteilt hatte. 

As I Am || Nico SchlotterbeckWo Geschichten leben. Entdecke jetzt