5 - Neue Erfahrungen

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Zwei Tage später hat sich meine sonnenverbrannte Haut etwas beruhigt. Obwohl ich schon fast 20 bin und mit meinen Eltern kaum noch etwas zutun habe, außer noch bei ihnen zu wohnen, haben sie sich ziemlich aufgeregt. Aber das passiert doch jedem mal, oder?

Nur die Sache mit Dario am Strand geht mir kaum aus dem Kopf. Diese Blicke.. geschweige denn seine Berührungen.
Nachdem ich mir diesen Moment nicht aus dem Kopf schlagen konnte, überlege ich nun, ob das an meinem neuen Mitschüler selbst oder an der Tatsache liegt, dass ich noch nie so angenehm berührt worden bin.

Und so liege ich mal wieder nachmittags auf meinem Bett und starre die Decke an. Mein Handy liegt noch offen in meiner Hand. Eben habe ich nach günstigen Wohnungen in der Nähe geschaut, denn bald möchte ich ausziehen und selbstständiger und vor allem selbstbestimmt leben.
Als mir mal wieder die schönen Augen meines spanischen Mitschülers vor den Meinen auftauchen, vibriert mein Handy provokant. Aufgeschreckt hebe ich die Hand und blinzle den Bildschirm an.

Ich befürchte schon meine Mutter, aber es ist gottseidank nur Sam. Natürlich geh ich ran.

,,Hey.", begrüßt mich mein bester Freund gut gelaunt.

,,Hi, was gibt's?"

,,Also mir ist total langweilig und wir haben sturmfrei und Emma meinte eben, sie geht mit Freundinnen shoppen."

Selbstverständlich weiß ich, dass das eine indirekte Aufforderung ist, mich mit ihm zu verabreden. Nicht, dass er scharf drauf wäre, was mit seiner Schwester Emma zu machen, aber sturmfrei ist sturmfrei, wieso nicht ausnutzen?

,,Wir können uns ja bei dir einen netten Abend machen, was kochen und eine Serie gucken.", schlage ich deshalb vor.

,,Und uns gegenseitig in den Armen halten wie immer? Quatsch, Lukas. Wir müssen endlich wieder raus und ein paar Weiber aufreissen!"

Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu:

,,Beziehungsweise Männer."

Amüsiert über seine Wortwahl seufze ich.
,,Also 1. rede nicht so über Frauen, stell dir vor jemand redet so über Emma. Und ja wir können auch raus gehen, aber an was hast du konkret gedacht?"

,,Wir waren eeeewig nicht in einem Club, wie wärs damit?"

,,Oh okay. Ja klar, aber dann brauche ich bisschen, um mich fertig zu machen.", meine ich.

,,Ich hole dich in 20 Minuten!", entscheidet Sam einfach, und ich komme garnicht dazu, noch etwas zu sagen. Sam legt auf und ich muss mich beeilen, denn so ungepflegt und unvorbereitet kann ich unmöglich ans ,,aufreissen" denken.

Also springe ich unter die Dusche und nehme kurzerhand eine lockere Jeans und ein weißes Tank-Top, obendrüber wähle ich noch ein offenes weinrotes Hemd.

Unzufrieden schaue ich in den Spiegel. Ich seh zwar überdurschnittlich gut gekleidet aus, wenn man das mit anderen Männern vergleicht, die sich Kleidungs-mäßig kaum Mühe für einen Diskothekbesuch geben. Allerdings sehe ich auch total hetero aus.

Nicht, dass ich wirklich gedacht hätte, dass heute groß was passieren würde. Oft hatte ich mir ausgemalt, wie irgendein heisser Typ auf mich zukommt und mich als seinen Flirt für den Abend oder gar Date auswählt. Aber jedes mal wurde ich enttäuscht. Allerdings war ich bisher nur in ,,normalen" Clubs.

Bisher hatte mir die gute Musik und Stimmung beim Feiern gereicht, auch hatte ich mich immer gefreut, wenn einer meiner Begleiter Glück hatte. Aber jetzt wollte ich auch mal drann kommen..

Ich zucke zusammen, als mein Handy klingelt. Sam ruft an, legt aber gleich wieder auf. Sein Zeichen, dass er gleich da ist oder schon am Gartenzaun wartet. Aber dann hätte ich sein Auto gehört.

Ihr müsst wissen, ich halte mich Freundeskreis-mäßig und auch schulisch eher in der Automobil- und Tuning Szene auf. Und da wäre es wirklich eine Schande, wenn man nicht über den lauten Motor hört, dass jemand da ist.

Schnell greife ich noch nach den wichtigsten Sachen:
-Handy
-Geldbeutel mit Bargeld und Perso
-Kondome
-Ohrstöpsel

Letzteres nehme ich mit, da ich bei manchen Clubgängen froh gewesen wäre, hätte ich diese bei mir gehabt.
Die anderen sind selbst erklärend.

Plötzlich höre ich draußen laute Motorengeräusche und kann diese auch sofort Sam's Auto zuordnen.

Schnell knipse ich alle Lichter aus und schaue zur Sicherheit, ob mir jemand auf dem Weg zur Haustür über den Weg laufen könnte. Ich habe schließlich keine Lust, meinen Eltern erklären zu müssen, wieso ich so aussehe und wo ich hin will. (Einer der Gründe, ausziehen zu wollen)

Alles safe. Schnell schlüpfe ich in meine Schuhe und sitze wenige Augenblicke später in Sam's Subaru.

Nach einer kurzen Begrüßung fährt mein bester Freund los und Richtung Innenstadt. ,,Weißt du, ich dachte wir gehen heute in einen bi Club. Da bin ich auch gut aufgehoben und du hast bessere Chancen, mal jemand kennenzulernen."

Überrascht schaue ich zu ihm. Mein Herzschlag wird plötzlich schneller. ,,Okay?", fragt Sam, als er von mir keine Antwort bekommt. ,,Achso, ja klar!", lächlte ich, nervöser werdend, als wir uns den bekannten Clubs nähern.

-

Der Club, den wir ansteuern, hat obendrüber ein kleines Regenbogen-Zeichen und daneben blinken nacheinander die Buchstaben für das Wort ,Bi' auf.
Wir werden reingelassen, und ich werde immer nervöser.

Mir schlägt nach wenigen Sekunden der Geruch nach Feiern entgegen. Nicht unbedingt ekelhaft, aber es hat den selben Effekt, wie wenn man alle Farben zusammenmischt. Es entsteht eine seltsame grau-braune Masse, die nicht als eigene Farbe identifizierbar ist. Und so ist es hier mit den Gerüchen von Parfüm, Haarstyle-Produkten, Alkohol und Schweiß. Normalerweise würde ich jetzt lockerer werden, mich sogar entspannen. Oft erwartet mich ja nichts. Ich sitze oft an der Bar, tanze oder unterhalte mich mit Freunden. Manchmal spreche ich auch kurz mit Frauen, denen ich entschuldigend mitteilen muss, nicht auf ihr Geschlecht zu stehen.

Aber statt mich zu entspannen oder ruhig zu bleiben, werde ich nervös und unsicher. Als ich das erste schwule Pärchen am Rand hemmunglos ineinander verschlungen rummachen sehe, ist es um mich geschehen. Hilfe suchend sehe ich mich nach Sam um, als wäre er mein großer Bruder an den ich mich halte.

Grinsend zieht er mich an die Bar und bestellt zwei Shots. ,,Beruhig dich erstmal.", meint er. Ich nicke nur und schaue mich weiter mit Blicken um. An sich wie jeder andere Club.. Nur besser. So etwas habe ich noch nie gesehen. Und ich habe gehört in richtigen Schwulen-Clubs soll es noch krasser hergehen. Wir trinken die Shots, und langsam spüre ich wie ich mich beruhige, aber neugieriger und vorfreudiger werde auf das Neue, Spannende was sich hier mir zu bieten scheint.

Sam verabschiedet sich irgendwann, er hat unter anderem Sorge, man hält uns für ein Pärchen. Stimmt, das habe ich garnicht bedacht.

Während Sam auf die Jagd geht, stehe ich auch auf und bahne mir den Weg zur Tanzfläche. Da habe ich bisher wenn überhaupt, am meisten Erfolg gehabt. Auch wenns nur ,,ungewollte" Kontaktsuchen von Frauen waren. Als ich zwischen einem lesbischen Pärchen, dass eng zusammen im Takt tanzt und einem älter aussehenden Mann Platz finde, taucht plötzlich ein mir bekanntes Gesicht, nur wenige, vielleicht fünf Meter, vor mir auf.

Dario.

My inner peace (boyxboy)Where stories live. Discover now