KAPITEL 11| NACKT

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                                    ?

»Gestern sind die beiden voll mit Schlamm und nass nach Hause gekommen. Beide sahen sehr erschöpft aus. Die sind auch oben eingeschlafen.« Ich bin mir sicher, dass die Schlampe wieder mal abgehauen ist. »Warum rufst du nicht an! Du wirst bezahlt, und dann will ich auch direkt wissen, was passiert!« Schreie ich, weil ich eine Gelegenheit verpasst habe. Ich hätte sie töten können. SCHEIẞE! »Das nächste Mal wirst du mich direkt  anrufen, ansonsten hast du eine Kugel im Kopf!« Ich schmeiße das Handy an die Wand. Meine Hände zittern vor Wut. Ich spüre meine Ader an der Stirn pulsieren. Ich muss mich beruhigen, sonst werde ich da reinspazieren und alle erschießen. Jemand macht meine Tür auf. Ich drehe mich um und will losschreien, aber als ich sehe, dass es meine Schwester ist und sie ängstlich zu mir schaut, beruhige ich mich. »Alles gut bei dir, Hermano?« (übersetzt: Bruder) fragt sie mich mit leiser Stimme. Meine Schwester ist anders als ich. Sie ist schüchtern und meistens ängstlich. Sie ist auch erst 16 Jahre alt. Ich liebe meine Schwester, das weiß sie auch. Aber genauso weiß sie auch, was ich machen würde, wenn ich weiß, dass ich sterben werde. Ich würde sie töten. Ich will sie immer glücklich und stark sehen und würde ihr so kein Haar krümmen. Aber ohne mich würde sie nur leiden. Meine Feinde würden sie leiden lassen. Ich werde es nie so weit kommen lassen. Wenn ich gehe, kommt sie mit. Ich strecke meine Arme zu ihr, damit sie zu mir kommt. Das tut sie auch und ich umarme sie ganz fest so, wie ich es immer mache. »Ja, alles gut, dulzura.« (Übersetzt: Süße)

                              ENRIC

Ich öffne meine Augen, weil etwas mein Gesicht kitzelt. Als ich meine Augen aufschlage, sehe ich in Clémences Gesicht. Na ja halbwegs. Ihre Haare sind auf ihrem Gesicht verteilt. Weil sie lange Haare hat, sind ihre Haare auch auf meinem Gesicht. Sie schläft noch. Ihr Atem ist regelmäßig und ihr Brustkorb hebt sich auch im gleichen Takt auf und ab. Ich schaue sie mir an und die letzte Erinnerung, als ich neben ihr aufgewacht bin, überflutet mich. Wie schlecht ich sie behandelt habe, obwohl sie nichts damit zu tun hat. Ich hasse mich dafür und daran wird sich nichts ändern. Ich werde mich dafür immer hassen. Federleicht streiche ich ihre Harre aus ihrem Gesicht. Sie sieht wunderschön aus. Ich liebe es, sie zu beobachten, wenn sie schläft. Für viele hört sich das sicher komisch an, aber das macht nichts. Ich schaue auf ihre vollen Lippen. Ich muss daran denken, wie sich die Linien immer hochziehen, wenn sie lacht. Bei diesem Gedanken muss ich leicht lachen. Früher dachte ich immer, dass ein Mensch sich nur einmal im Leben verlieben kann. Nur ein einziges mal. Mir war nicht bewusst, dass die Liebe einen immer wieder finden kann, egal was passiert. So sehr ich die Liebe hasse, liebe ich sie auch und deswegen ist Clémence mir sehr wichtig. Als mir zum ersten mal klar wurde, dass ich sie liebe, habe ich das Gefühl gehasst. Aber gleichzeitig war es auch so wunderschön es wieder nach all den Jahren zu fühlen. Das Gefühl, verliebt zu sein. Ich gebe Clémence ein Kuss auf ihre Nasenspitze. Plötzlich fängt sie an, zu grinsen. Hexe. Sie öffnet ihre Augen und schaut mich an. Dabei vergeht ihr Grinsen nicht. Dadurch fange ich auch an zu grinsen. Ich rolle mich auf sie und umarme sie ganz fest, damit sie sich nicht bewegen kann. Sie probiert, sich aus meinem Griff zu lösen, aber es funktioniert nicht. Jetzt schaut sie mich wütend an. »Lass mich sofort los!« sagt sie, aber ich grinse nur und drücke sie fester an mich. Dadurch spüre ich ihre Brüste an meine. Weil sie tief ein und aus atmet, werden sie noch ein Stück an mich gedrückt. Sie dreht ihren Kopf weg von mir, weswegen ich sie loslasse. Ich spüre, dass es in meiner Hose enger geworden ist. Ich sage ihr, dass ich duschen gehe. Natürlich frage ich sie, ob sie mitkommen will, aber wie immer schaut sie mich wütend an. Ich lache leise und gehe ins Bad. Ich mache mich frisch und verlasse das Bad nur mit einem Tuch um meinen Hüften. Meine Anziehsachen sind in meinem Ankleidezimmer. Als ich in mein Zimmer eintrete, sehe ich Clémence immer noch in meinem Bett liegen. Sie hat ihre Augen wieder geschlossen. Sie ist wieder eingeschlafen. Ich fange an zu grinsen, weil mir eine Idee eingefallen ist. Ich laufe auf sie zu und lasse dabei mein Handtuch auf den Boden fallen. Jetzt bin ich ganz nackt und stehe neben meinem Bett. Ich beuge mich runter, damit ich sie aufwecken kann. Als ich nach ihr rufe, öffnet sie ihre Augen und schaut mir ins Gesicht. Als ich mich richte, landen ihre Augen auf meinem Körper. Sie merkt, dass ich nackt bin und bekommt große Augen. »Warum zum Teufel bis du nackt!«, »Ich habe geduscht und dachte, du wärst schon unten, deswegen bin ich nackt.« obwohl ich nackt bin, schaut sie nicht weg von mir, was mich wundert. Ihre Augen sehen auf den Boden, wo das Handtuch liegt. Ich fange an, zu grinsen. »Ja, deswegen liegt auch ein nasses Handtuch auf dem Boden.« Höre ich sie hinter mir schreien. Ich lache laut und laufe dabei ins Ankleidezimmer. Ich ziehe mir eine graue Jogginghose und einen Pulli an, der schwarz ist. Meine Haare sind noch nass, aber das stört mich nicht. Clémence ist nicht mehr in meinem Zimmer. Ich hebe das Handtuch und werfe es in den Wäschekorb. Ich entscheide mich, nach unten zu gehen und Clémence zu finden. Heute werde ich mit ihr shoppen gehen, sie soll sich das kaufen, was sie will. Ja, ich wollte erst nicht, dass man sieht, dass sie bei mir ist, aber das ist jetzt anders. Sie war schon draußen und dann noch mit mir. Jetzt ist es schon zu spät. Ich bin mir sicher, viele haben sie schon gesehen.

CLÉMENCE DIONWo Geschichten leben. Entdecke jetzt