Kapitel 19.1 - Training

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Echo

Lange Schatten warfen ihre Spuren auf den Boden, als ich den Erdboden von Antylar erreichte. Viel geschlafen hatte ich zwar nicht, aber Merlin hatte mir den gut gemeinten Rat gegeben, so früh wie möglich für das Training aufzustehen. Kaz trainierte öfters neue Wyvern-Reiter und war deswegen auch etwas streng – als würde mich so etwas einschüchtern!

Die Spuren der gestrigen Feier waren noch gut zu erkennen: Die Tische und Sitzmöglichkeiten waren noch aufgestellt und feine Rauchspuren stiegen zum Himmel herauf. Manchmal, je nachdem in welche Richtung man sich neigte, konnte man sogar einen schwach leuchtenden Funken im verkohlten Holz erkennen. Die Nacht war nach der Zeremonie wirklich eine wunderbare Zeit gewesen, ganz wie Merlin es versprochen hatte. Natürlich hatten auch Fynch und Mikhael ein Bekenntnis ablegen müssen und auch wenn man es bei Fynch nicht gesehen hatte, so hatte ich gemerkt, wie ihm dieser Moment der völligen Aufmerksamkeit missfallen hatte. In seinem Inneren war Fynch immer noch ein Scalra und Scalras hielten sich in den Schatten auf, wo sie in Verborgenheit ihre nächsten Schritte planen konnten. Irgendwann würde sich Fynch von diesem Gefühl lösen und normal leben können, dem war ich mir sicher.

Sanft strichen meine Finger über meine Handfläche, die gestern Abend ein paar Tropfen Blut verloren hatte. Auch wenn der Schnitt nicht mehr da war, meinte ich ihn spüren zu können. Am Ende der Zeremonie hatte Kaileena meine Hand geheilt, mehr Blut müsste ich nicht verlieren, um meine Treue zu beweisen, dies sollten meine zukünftigen Taten tun. Welche Art von Taten sie meinte wusste ich nicht, aber ich bezweifelt, dass man irgendetwas großes von mir erwartete. Die Sternenkinder waren eine Gemeinschaft des Friedens, deswegen waren sie unser Ziel für eine sichere Zuflucht gewesen.

Seit wir die Baumsavanne erreicht hatten, fühlte ich mich auch sicherer, selbst in solch einer unbekannten Umgebung. Vielleicht lag es am Schutz der Bäume oder dem ständigen Blätterdach, das Blicke vom Himmel verdeckte. Es lag wohlmöglich auch an der Gewissheit, dass das Imperium hier nicht so einfach auftauchen konnte. Auch wenn die Kaiserin wusste, dass wir uns hier befanden, so konnte sie es sich nicht erlauben Patrouillen in die Baumsavanne zu schicken. Damit würde sie das angespannte Verhältnis zu den Sternenkinder zerstören und gegen den Friedensvertrag handeln, den ihr Vorgänger einst aufgestellt hatte. Und auch wenn Fynch und Mikhael nur schlecht über das verlogene und skrupellose Verhalten der Kaiserin sprachen, so würde sie bestimmt nicht anfangen dumm zu handeln.

Doch viel mehr beruhigte mich, das unwohle Gefühl verloren zu haben, welches mich die letzten Tage geplagt hatte und welches unter anderem für die Verluste von Caitlain und Ven-Gahn verantwortlich war. Mit dem Betreten der Baumsavanne, fühlte ich mich befreit vom Griff des Zeugens und fürchtete mich nicht mehr vor meinem eigenen Schlaf. Und dennoch herrschte tief in mir, noch immer eine gewisse Unruhe. Vielleicht, weil ich wusste, dass sich der Zeuge nicht an den Regeln des Imperiums halten musste. Er hielt sich an seine eigenen Regeln und musste niemanden um Erlaubnis bitten. Ich wusste, dass er nicht gänzlich verschwunden war und irgendwo auf seinem nächsten Zug wartete.

Die Frage war nur, wann wäre es soweit und würde ich dieses Mal vorbereitet sein? Ich wollte nicht noch jemanden verlieren nach Caitlain und Ven-Gahn, doch wie weit könnte ich dies beeinflussen? Das einzige was ich konnte, war mit aller Macht zu verhindern, dass mir noch weitere geliebte Menschen genommen wurden.

,,Da ist sie ja: Der dunkle Daegor," hörte ich eine spöttische Stimme rufen.

Überrascht drehte ich mich um und sah einen jungen Mann auf mich zukommen. Seit Kaz den bewusstlosen Fynch und die tote Caitlain in die Baumsavanne gebracht hatte, hatte ich ihn nicht mehr gesehen und selbst da hatte ich ihn dank seiner Fliegerhaube und der Schutzbrille nicht richtig erkennen können. Doch ich erkannte seine Stimme wieder und seine dunkle Lederjacke. Auf dem ersten Blick sah Kaz seinen zwei Brüdern nicht sehr ähnlich, auch nicht auf dem Zweiten. Er hatte nicht dieses besondere Leuchten in seinen graubraunen Augen und sein blondes Haar hob sich von den dunkleren Haarfarben von Kona und Merlin ab. Er war auch nicht so kräftig gebaut wie seine Brüder, doch seine Schultern stachen hervor und seine Unterarme wirkten unter den ledernen Ärmeln äußerst muskulös.

Daegor - Klinge und Kristall Where stories live. Discover now