Die Welt der Gefühle

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POV: Tikaani

Wer war ich? Wo war ich? War ich tot? Um mich herum war nichts, bloß eine, nicht endene Dunkelheit. Und eine Stimme. Sie klang vertraut und doch wusste ich nicht, wem sie gehörte. Sie rief einen Namen, immer und immer wieder. Der Name lautete "Tikaani". War das mein Name? Rief die Stimme mich? Die Stimme gehörte einem Jungen, da war ich mir ziemlich sicher. Einem Jungen in meinem Alter. Mein Gefühl sagte mir, dass ich ihn kannte, aber ich wusste nicht woher. Wie auch, wenn ich nicht mal wusste, wer ich selber war. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, um den Jungen, der meinen Namen rief, sehen zu können, doch ich schaffte es nicht. Es war, als hätte ich die Kontrolle über meinen eigenen Körper verloren. Kein Körperteil wollte mir mehr gehorchen. Ich versuchte es noch ein weiteres Mal meine Augen zu öffnen, doch auch diesmal klappte es nicht. Das musste ich akzeptieren, ob ich wollte oder nicht. Würde ich je wieder das Tageslicht sehen? 


POV: Carag

Was hatte ich getan? Wieso hatte ich Tiki betrogen? Wieso hatte ich den besten und liebsten Menschen in meinem Leben so etwas angetan? Wieso? Ich war so ein Idiot!!! Wegen mir war Tiki jetzt im Koma!!! Wegen mir lag Jeffrey jetzt im Krankenhaus mit einer gebrochenen Nase und einem verstauchten Ellenbogen!!! Wegen mir war meine lang erarbeitete Beziehung kaputt gegangen!!! Warum musste ich aber auch so dumm sein und auf meinen Adoptiv-Bruder Marlon hören!!! Er war derjenige gewesen, der gesagt hatte, dass ich und Tiki nicht zusammen passen würden. Er war derjenige gewesen, der mir vorgeschlagen hatte, ein anderes Mädchen zu küssen. Ein anderes Mädchen, was auch vergeben war. Wieso hatte ich auf ihn gehört?! Wieso?! Jetzt war alles weg. Meine Freunde, mit denen ich gerne herum alberte und denen ich zu 100% vertraute, redeten nicht mehr mit mir und taten so, als wäre ich nicht da. Und meine Freundin, die ich gern küsste und kuschelte, lag wegen mir im Koma. Und das schon seit anderthalb Wochen.

Jeden Tag ging ich ins Krankenzimmer, setzte mich neben sie und sagte zwischendurch ihren Namen, ihren wundervollen Namen, in der Hoffnung, dass sie aus dem Koma aufwachen würde. Manchmal hatte ich das Gefühl, sie würde mich hören, doch das Gefühl verschwand schnell wieder. Auch heute hatte ich 2 Stunden vor ihr auf einem Stuhl gesessen und sie einfach nur beobachtet. Es tat mir im Herzen weh, sie so zu sehen. Jeden Tag besuchte ich auch Jeffrey im Krankenhaus, wobei ich mir jedes mal eine Stunde lang Vorwürfe anhören durfte, was eine "Scheiß-Katze" ich denn sei. Diese Vorwürfe trafen mich schwer und tief in mir drinnen begang auch etwas kaputt zu  gehen, dennoch wollte ich ihn weiter besuchen. Ich sorgte mich ernsthaft um ihn, da es ihm seit dem Abendessen nicht wirklich besser ging und die Ärzte befürchteten, dass er durch die ständige Schreierei noch einen Herzinfakt bekommen und daran sterben könnte. Erzählt hatte es ihm aber keiner. Sonst würde er aufhören, jedes mal wenn ich kam, einen halben Aufstand zu machen. Auch bei Wing war es nicht viel besser. Jeffrey schrie auch sie an, wenn sie ihn besuchte und meistens kam sie dann weinend und am ganzen Körper zitternd zurück in die Clearwater High. Jedes mal wollte ich sie trösten, doch das hätte den Gerüchten, dass Wing und ich ein Paar waren, nur zugestimmt. 


POV: Wing

Was war bloß in mich gefahren? Wieso hatte ich das getan? Wieso hatte Carag das getan? Wieso hatte er mich geküsst? Wieso?! Wieso! Wieso!!! Dadurch war alles vorbei. Meine Beziehung war kaputt, meine Freunde waren weg. Sowohl Viola, als auch Lou hatten nach dem Abendessen kein Wort mehr mit mir geredet und mich einfach meinem Schicksal überlassen. Und auch die sonst so fröhliche und gesprächige Holly -meine Zimmernachbarin- würdigte mich keines Blickes mehr. Doch was mich am meisten bedrückte war, dass selbst Shadow -mein Zwillingsbruder- kein Wort mehr mit mir sprach. Früher hatten wir alles zusammen gemacht. Wir hatten zusammen unseren Eltern Streiche gespielt. Wir waren immer für einander da gewesen. Auch damals, als Shadow fast von einem Fuchs gefressen worden ist, habe ich ihn verteidigt und zu ihm gehalten. Und jetzt lies er mich einfach so im Stich, obwohl ich ihn nur mehr als dringend brauchte. Die Schule war die Hölle. Am Tag musste ich immer wieder komische, starrende Blicke und fiese Sprüche ertragen und nachts weinte ich pausenlos und bekam keinen Schlaf. 

Jeden Tag besuchte ich Jeffrey. Ich liebte ihn. Ich liebte ihn mehr als mich selbst. Doch die Liebe und die Beziehung zwischen uns schien er komplett vergessen zu haben. So als hätten sie nie existiert. Er sah schrecklich und doch so hübsch aus, wie es eben in einem weißen Krankenhausbett ging. Jedes mal aber schrie er mich an und brachte mich jedes mal bis an meine Grenzen. Wusste er denn nicht, wie es um seine Gesundheit stand? Hatte ihm niemand gesagt, dass sein Herz jeden Moment aussetzen könnte? Das er jeden Moment sterben könnte?


POV: Shadow

Wing tat mir leid. Sie tat mir so unfassbar leid. Seit dem Abendessen hatte ihr jeder den Rücken zugewannt. Niemand sprach mit ihr. Niemand tröstete sie, wenn sie nach dem alltäglichen Krankenhausbesuch bei Jeffrey heulend durch den Haupteingang kam. Es war einfach niemand da. Klar ich war auch hier und würde sie unfassbar gerne einfach in den Arm nehmen, sie trösten und ihr sagen, dass alles gut werden würde. Doch ich hatte Angst. Angst davor, was die anderen von mir denken würden. Angst davor, durch diese Aktion auch meine Beziehung kaputt gehen würde. Jedes mal, wenn ich mit meinem Freund Frankie unterwegs war, zog er schlecht über Wing und Carag -unserem früheren besten Freund- her und ich musste ihm jedes mal zustimmen, sonst hätte es nur unnötige Fragen gegeben. Doch tief in mir drinnen wollte ich einfach nur bei Wing sein und ihr als Bruder und bestem Freund gleichzeitig bei Seite stehen. Jeden Tag hörte ich die fiesen Sprüche, die die anderen ihr an den Kopf warfen und sah die komisch, starrenden Blicke, die Wing praktisch durchbohrten. Jeden Abend hörte ich, wie sie sich in den Schlaf weinte und Holly sich beschwerte, wieso sie solchen Krach machte. Und jedes mal wünschte ich, ich könnte irgendwas tun. Sollte ich Wing einfach mal in den Arm nehmen und dadurch meine eigene Beziehung aufs Spiel setzen? Ging Familie wirklich über Freunde? 


POV: Jeffrey

Wieso hatte Wing das getan? Wieso? Ich verstand es immer noch nicht. Aber noch weniger verstand ich, wieso Carag und sie mich trotzdem jeden Tag besuchen kamen. Und warum sie immer unglücklicher und besorgter aussahen. War es wegen mir? Ging es mir nicht gut? Niemand hatte mir gesagt, wie es um meine Gesundheit stand. Anscheinend schlechter als ich dachte. Vielleicht war es aber auch der stechende Schmerz in dem Bereich meines Herzens, um den sich die Ärzte sorgten. Oder auch was ganz anderes, wer weiß. Wie es Tikaani ging, wusste ich auch nicht. Das letzte Mal als ich sie gesehen hatte, ist sie vor meinem Augen in Ohnmacht gefallen. Hoffentlich war sie schon wieder aufgewacht. Ich wollte sie nicht auch noch verlieren. Ich habe schon zu viele Menschen in meinem Leben verloren. 






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