Heather POV

Ich schaue unzählige Male auf mein Handy. Platziere es in meinem Blickfeld und beobachte es immer wieder hoffnungsvoll. Es sieht ihm ähnlich, sich so sehr zurückzuziehen. Nichts, was mich überraschen würde. Dennoch erhoffe ich mir eine Nachricht. Einen Anruf. Ein Zeichen, das mir beweist, dass Ethan Recht behält. Dass er zurückkommt und wir uns nahestehen. Die Nacht war kurz. Wir haben stundenlang geredet. Immer wieder hat Ethan betont, wie sehr Joshua etwas an mir liegt und trotzdem sitze ich hier und zweifle daran. Ich habe Angst, es nicht kommen zu sehen. Ich möchte mich auf alles so gut es geht vorbereiten. Keine Überraschungen, die mir den Boden unter den Füßen wegreißen. Nicht schon wieder. „Du schaust wie sieben Tage Regenwetter." Seufzt Tascha als sie mir eine Tasse Tee auf den Schreibtisch stellt und sich schließlich gegenüber von mir an ihren Arbeitsplatz setzt. „Er hat dir doch auf deine Nachricht geantwortet. Konzentriere dich darauf." Ihr Versuch mich aufzumuntern ist nur von kurzem Erfolg gekrönt. Ja, er hat mir auf meine Nachricht am Morgen geantwortet. Mir ebenfalls einen schönen Tag gewünscht. „Aber er würde sich von sich aus nicht bei dir melden und darum geht es dir. Ich verstehe schon." Fügt Tascha hinzu und nippt an dem noch viel zu heißen Tee. Ich nicke schweigend und schaue aus dem Fenster. „Warum sprichst du ihn nicht einfach darauf an? Vielleicht hat er eine Erklärung dafür und deine Sorge verfliegt schneller als du gucken kannst." Ihre wachen Augen schauen mich hoffnungsvoll an. Ich kann es ihr nicht erzählen. Sie in all die Verstrickungen meines Lebens einweihen und glauben, sie würde damit zurechtkommen. Glauben, dass mir irgendwer außenstehendes ernsthaft helfen kann, tue ich schon lange nicht mehr und doch habe ich ihr zumindest davon erzählt, dass wir uns gestritten haben. Ihr berichtet, dass Zachary und Cash unerwartet zurückgekehrt sind und mein Leben mal wieder im Chaos versinkt. Doch so sehr sie es auch versucht, es nachvollziehen kann wohl nur jemand, der so ist wie ich. Ich, die in zwei Welten gleichzeitig lebt und ganz andere Probleme im Alltag bewältigen muss als ein Mensch. Manchmal sehne ich mich danach zu sein, wie Tascha. Und um genau zu sein, war ich das auch eine ganze Weile. Schließlich habe ich meine wölfische Seite weitestgehend aus meinem Leben ausgeschlossen. Zacharys Rückkehr hat das geändert. „Ich sage ja oft genug, wir müssen mal zusammen ausgehen. Den Kopf frei kriegen." Sie zwinkert mir auffordernd zu. Kopf frei kriegen. Frei vögeln trifft es wohl eher. Denn das ist bei Tessa schon immer die Lösung aller Probleme gewesen. Zugegeben, sie scheint sich damit gut durchs Leben zu schlagen. „Was ist die Alternative? Trübsal blasen?" Erweitert sie ihr Angebot an Möglichkeiten, als ich ihr keine Antwort schenke, und verschränkt die Arme vor der Brust. „Darüber reden." Erwidere ich, schließe den Laptop vor mir und werfe mir meine Jacke über. Feierabend. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll angesichts der Tatsache, dass ich mich nun wieder meinem Privatleben widmen muss. Aber aufschieben möchte ich ein Verlassen des Arbeitsplatzes ebenfalls nicht. „Fährst du mich noch kurz rum oder hast du es dir anders überlegt?" Kichert Tessa und gibt sich dabei mit erhobenen Händen geschlagen. Sie wird gleich morgen wieder alles daransetzen, mich zum Feiern zu überreden. So wie jedes Mal, wenn ich ihr von meinen Sorgen erzähle. Ich schmunzle. Sie ist und bleibt eben eine Frohnatur. „Wir müssen aber vorher die Jungs einsammeln." Erinnere ich sie an meine Verpflichtung des Tages vor der ich mich am liebsten drücken würde und bekomme, wie erwartet, ein eifriges Nicken. Ab dem Moment, in dem die Fahrertür zufällt, fahren meine Gedanken Achterbahn. Ob Cash gut zurechtgekommen ist? Wie es Bayan wohl am ersten Tag seines Bruders ergangen ist? Und halten sie sich an die Abmachung oder sind sie bereits über alle Berge? Ich lächle Tessa in regelmäßigen Abständen zu, während ich ihren Worten nur mit einem halben Ohr folge. Ich halte die Luft an als ich die Jungs an der Mauer lehnen sehe, die das Schulgelände umschließt. Immerhin sind sie nicht auf und davon. Es sieht aber auch nicht danach aus, dass sie sich einander angenähert haben. Im Gegenteil, während Cash sich angeregt mit zwei Mädchen unterhält schaut Bayan demonstrativ in eine andere Richtung und sieht alles andere als glücklich aus. Ich steige aus als ich den Wagen zum Stehen bringe, doch ehe ich etwas sagen kann ist Bayan bereits auf der Rückbank verschwunden. Cash verabschiedet die Mädchen eilig und schaut schüchtern zu mir rüber. „Wie war dein Tag?" Frage ich lächelnd und begnüge mich mit einem verunsicherten „gut". Die einst so selbstbewusste Art den Mädchen gegenüber ist innerhalb eines Wimpernschlags verflogen. Besorgt beobachte ich ihn dabei, wie er ins Auto steigt und frage mich, ob ich etwas falsch mache. Gerade als ich mich von dem Gedanken lösen kann und wieder einsteigen möchte, kommt ein Lehrer wild gestikulierend auf mich zu. „Ms. Malone, dürfte ich Sie einen Moment sprechen?" Höflich nickend gehe ich auf den Herrn zu, welcher sich gleich darauf als Vertrauenslehrer vorstellt. „Ich würde gerne mit ihnen über Bayan sprechen. Wie wäre es noch diese Woche?" Etwas überrumpelt stehe ich da und willige ein. „Er hat doch niemandem etwas getan?" Hake ich nach und atme erleichtert auf als der Lehrer den Kopf schüttelt. „Nein, machen Sie sich keine Sorgen. Er hat es momentan bloß etwas schwer." Ich nicke wissend und bedanke mich für das Engagement, ehe ich in den Wagen steige und Tascha sich bereits mit Cash unterhält. „Der erste Schultag und schon fliegen die Mädels auf dich. Davon habe ich in deinem Alter geträumt." Kichert Tessa und Cash kratzt sich verlegen am Hinterkopf. Bayan ignoriert meinen fragenden Blick durch den Rückspiegel und ich beschließe ihn in einem ruhigen Moment auf den ausgemachten Termin anzusprechen. Tascha und Cash unterhalten sich angeregt, bis wir sie an ihrer Haustür absetzen und so sehr mein Herz auch in Sorge um Bayan versinkt, so sehr freue ich mich über den erfolgreichen Tag von Cash. Seine Redseligkeit verschwindet zwar gänzlich als Tessa den Wagen verlässt, doch das trübt die Freude nicht. Dass er in meiner Anwesenheit mit einer fremden Person so ausgelassen spricht, ist für ihn ein großer Schritt. Seit er wieder zurück ist, habe ich ihn kaum reden hören und wenn, dann nur mit Zachary. Als wir auf den Hof fahren, steht eben dieser vor der Werkstatt und unterhält sich mit Ethan. Ein Bild, mit dem ich mich nur schwer anfreunden kann. Doch ich wische den Gedanken beiseite. Ich habe sie hier aufgenommen und auch wenn es sich nur um einen begrenzten Zeitraum handelt, haben sie eine derartige Abneigung nicht verdient. Dann hätte ich sie auch wegschicken können. Verdammt, Heather. Reiß dich zusammen und sei erwachsen. Ich habe den Motor nicht einmal ausgeschaltet, da ist Bayan bereits hinausgesprungen und stapft zum Wohnhaus. 

The Alpha And Me -Death Note-Where stories live. Discover now