Kapitel 4: Unwissenheit schützt niemanden

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Nur vage vernahm er die Rufe und die Hektik der Menschen um ihn herum die versuchten so schnell es ging ins Trockene zu gelangen. Sein Blick hing noch immer an der Keksdose die der Herzog einfach zurück gelassen hatte und dem Keks den er hatte fallen lassen als dieser ihn berührte. 
Es war eine reine Schutzreaktion die für den anderen mehr als unverständlich gewesen sein musste, doch er konnte nicht zulassen dass dieser ihm zu nah kam. Er hätte schon viel früher eingreifen müssen um die Sache zu unterbinden...

Neuvillette war stets beherrscht doch in diesem Moment rang er um Fassung. Der Regen prasselte unaufhörlich und der aufkommende Sturm würde der Bevölkerung übel mitspielen wenn er sich nicht schon bald wieder unter Kontrolle bekam.

Doch er konnte nicht. Sein Gesicht war verzerrt und jegliche Bemühungen etwas an seinem Gemütszustand zu ändern würden fehl schlagen. 
'Noch habe ich Zeit', dachte er heimlich für sich. 'Noch könnte ich ihm nach und ihn aufhalten um das Missverständnis zu klären', aber war es überhaupt ein Missverständnis?

Hatte er sich nicht selbst geschworen die Augen vor dem unvermeidlichen zu verschließen und auf Abstand zu bleiben? Er wusste es war eine ausgesprochen leichtsinnige Idee den Tag mit dem Herzog zu verbringen, aber nachdem er sah wie mitgenommen der andere aussah, konnte er seine Einladung nicht ablehnen. Tatsächlich schlug sein Herz höher bei dieser Idee, aber er durfte es nicht außer Kontrolle geraten lassen.

Wieso nur? Wieso musste es dich treffen?

Durchnässt von oben bis unten da auch die Sonnenschirme, die an jedem Tisch waren, den Regen nicht abhalten konnten, stand er auf und machte sich auf den Weg zum Palais Mermonia. Er hätte nicht gedacht dass er an seinem einzigen freien Tag seit langem freiwillig dorthin gehen würde, aber vielleicht würde ihn die Arbeit ablenken und am Ende wäre alles wie immer. Jeder würde weiterhin seine Wege gehen und wenn erst mal etwas Zeit vergangen ist würde keiner von beiden mehr an diesen Tag denken. 

An den Tag wo er so viele neue Seiten an dem Dunkelhaarigen kennen lernen durfte. Wo er ganz offen mit ihm reden und sein Lächeln aus nächster Nähe betrachten konnte und die kleinen Lachfältchen die sich an seinem Mund bei jedem Lachen bildeten. 
An den Tag wo er eine kleine Stelle an seinem Kinn bemerkte an der er sich wohl beim rasieren geschnitten haben musste.
An den Tag wo die Augen des anderen noch heller strahlten als die Reflexionen der Sonne auf den klaren Gewässern Fontaines.
An den Tag an dem sein eigenes Drachenherz schneller schlug als gewöhnlich, jedes mal wenn er in die klaren blauen Augen seines Gegenübers sah. 

Es war eine Lüge.

Egal wie viele hundert Jahre noch vergehen würden, so wusste er dass er diesen Tag niemals vergessen könnte, so wie alles was mit Wriothesley zu tun hatte. Er würde darüber hinweg kommen müssen um seiner selbst Willen und dem Wohle Fontaines, doch wie konnte er dies bewerkstelligen wenn der Herzog ihn so ansah?
Die Gefühle die er verspürte waren nur ein Trugbild. Geschaffen durch das Schicksal welchem er nicht entfliehen konnte. Diese Tatsache musste er sich immer und immer wieder vor Augen führen um mit dem Schmerz, der sein Herz fest im Griff hatte, umgehen zu können.

Noch immer lagen Wriothesleys letzten Worte schwer in seiner Brust und er konnte nicht aufhören auf seine Hand zu starren. 
Wriothesley hatte recht mit dem was er sagte. Er selbst war es der ihm diese Hand damals entgegen streckte um einem unbekannten Jungen wieder auf die Beine zu helfen. Seine großen Augen, die so viel mehr schon gesehen hatten als ein Kind in seinem Alter es hätte tun sollen, starrten ihn mit einem hohen Maß an Vorsicht und Misstrauen an. Als der Junge den Blick vom Iudex abwand konnte er einen Hauch Scham erkennen. Egal wie oft Neuvillette darüber nachdachte, er konnte nicht aus machen was ihn dazu bewogen hatte an diesem Tag anzuhalten und ihm aufzuhelfen. Auf den Straßen gab es dutzende Kinder die kein Zuhause hatten und im besten, oder vielleicht auch schlimmsten Fall, im 'Haus des Kamins' landeten.

A Mate for Eternity (Genshin Impact)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt