Kapitel 6: Erinnerungen

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Der junge Loki, ein Kind, das langsam ein Mann wurde, lief durch die Flure zu seinem Zimmer. Er kam grade an der mit Bildern beklebten Tür Thors vorbei, seinen Fund mit der Hand fest umschlossen. 
Thor und Loki waren im Gebirge klettern gewesen, weil Thor unbedingt ein Abenteuer gebraucht hatte. Loki war nur mitgekommen, weil sie früh genug aufgestanden waren, um den Sonnenaufgang von den Bergspitzen aus zu sehen. Er war nicht sentimental, oder so etwas, doch dieser Anblick war wirklich atemberaubend. Vater hatte es ihnen früher einmal gezeigt und seitdem hatte Loki es nicht wieder gesehen. Thor und er waren schon eine ganze Weile unterwegs gewesen, da hatte Loki in einer Höhle etwas glitzern sehen. Er ließ Thor weiter gehen, der nicht die Aufmerksamkeitsspanne hatte, um sich für so etwas zu interessieren. Loki dagegen näherte sich neugierig diesem klaren Funkeln. Als er näherkam, in die Dunkelheit, in die nur wenige Sonnenstrahlen schienen, erkannte er einen Edelstein zwischen all dem schwarzen Gestein. Loki holte seinen Dolch heraus, stemmte ihn auf der einen Seite gegen den Edelstein, so dass er auf der anderen Seite nach vorn gedrückt wurde und heraussprang. Loki schnappte sich ihn und wollte gerade in Gedanken an seinen Fund versunken die Höhle verlassen, da sah er noch ein Glitzern auf der anderen Höhlenwand. Auch diesen stemmte er heraus. Doch nun war sein Interesse geweckt und er lief tiefer in die Höhle, um nach einem Dritten zu suchen. Da ganz hinten schimmerte tatsächlich noch etwas in der Höhle. Er lief noch weiter, doch nun war es extrem dunkel. Doch je dunkler es wurde, desto mehr funkelten die Edelsteine, die er bereits gefunden hatte. Bald erleuchteten sie seinen Weg wie Fackeln, bis er den dritten Edelstein fand.
Da erreichte Loki seine unbeklebte Tür. Sein Zimmer, das er nun betrat, war von dem letzten Licht des Abends erleuchtet und von einem altmodischen, schlichten Kronleuchter an der Decke erhellt. Die Wände waren voll von Regalen, die voll schwerer, alter Bücher waren, so hoch aufgeschichtet, dass er eine Leiter brauchte, um an alle ranzukommen. Sein Bett stand dunkel auf der anderen Seite, erdrückt von dicken Kissen und flauschigen Decken. Sein Zimmer sah eher aus wie eine Bibliothek mit Waffenvitrine, als ein Kinderzimmer. Darin war es muffig und voller Staub, doch irgendwie mochte Loki das. Dieses kleine Zimmer bot ihm Zuflucht und Trost. Er würde um nichts in der Welt das große Fenster öffnen wollen. 
Er setzte sich auf den großen Sessel und betrachtete seinen Fund. Im Licht sahen die Edelsteine wunderschön aus, fast durchsichtig vor Reinheit. Der leicht violette Ton gab ihnen etwas Magisches. Wenn Loki jedoch seine Hand über sie legte, dann leuchteten sie in seinem Schatten wie Glühwürmchen in einer kalten Sommernacht. Sie mussten eine immense Kraft haben. Wenn Loki diese nur irgendwie kanalisieren könnte - wie viele Möglichkeiten würden ihm freistehen?
Doch kannte er die Geheimnisse der Edelsteine noch nicht und so ging er zu seinem Regal, schob ein paar Bücher beiseite und versteckte die drei Steine dahinter. Er schob die Bücher gerade zurecht, da stürmte Thor durch die Tür zwischen den Regalen, die sein mit Lokis Zimmer verband. ,,Da bist du ja endlich, wie habe ich mich gelangweilt, ohne meinen kleinen Bruder.", er wuschelte seinem sehr genervten kleinen Bruder durch die Haare, ,,Jetzt komm, irgendetwas Spannendes wird hier ja wohl irgendwo passieren und das kann ich mir nicht entgehen lassen, sonst sterbe ich noch vor Langeweile!" Loki stöhnte und warf theatralisch den Kopf in den Nacken. ,,Los jetzt, sonst hetzte ich den Henker auf dich.", drohte Thor. ,,Der Henker ist seit fünfhundert Jahren arbeitslos.", konterte Loki. ,,Aber für mich würde sie bestimmt noch mal aus dem Ruhestand zurückkehren.", gab Thor an, ,,Ich kann dir ja mal meine Ausgabe von ,den fantastischen Abenteuern des Henkers' ausleihen, welche sie höchstpersönlich für mich signiert hat." Loki verdrehte übertrieben die Augen. Als wüsste er das nicht längst, als hätte Thor nicht schon tausende Male mit dieser Ausgabe angegeben. Während sich in Lokis Zimmer die Bücher stapelten, gab es in Thors Zimmer einen Stapel auf seinem Nachttisch. ,,Die fantastischen Abenteuer des Henkers" (In dem sich die Autorin ausschließlich als Henker und nicht als Henkerin bezeichnet, um ihren Vorgängern ebenbürtig zu sein und nicht extra behandelt zu werden, nur weil sie eine Frau ist, weswegen man sie allgemein auch als Henker bezeichnet, um ihrem Wunsch gerecht zu werden. Oder um nicht unter ihrer Axt zu landen.), ,,Walküren und ihre Pegasoi" (fünfzig Seiten voller Spannung, die Thors Lebensziel prägten) und ,,Geschichte der Asen", letzteres aber auch nur, wegen Vater. Von diesen drei war erstere der ganze Stolz Thors. Wenn Loki dagegen an all die Erstausgaben der Alten Lady oder die Werke hoher Wissenschaftler, die alle seine Bücher signiert hatten, dachte, konnte er sich ein überhebliches Lächeln nicht verkneifen. 

Genau dasselbe Lächeln lag nun auf Lokis Lippen, als er den Tresor öffnete, Darin lag der Schwarze Tesserakt und die drei Edelsteine. Eigentlich waren sie gar keine Diamanten, sondern feste Energiebündel, wie er herausgefunden hatte. Zum Kern Asgards hin, findet man sie vermehrt. Er hatte sie nur dort oben im Gebirge finden könne, da der vermeintliche Berg ein stiller Vulkan ist und die drei Steine mit der Lava an die Oberfläche geschossen hatte. Loki wusste nicht, warum er sich so plötzlich an diesen Tag in seiner Kindheit erinnert hatte. Vielleicht lag es an den alten Regalen. Als er erwachsen geworden war und aus dem kleinen Zimmer in sein jetziges Gemach ziehen durfte - ein Geburtstagsgeschenk! - hatte er die Regale mitgenommen und in sein angrenzendes Arbeitszimmer stellen lassen. Vielleicht aus Sentimentalität, wahrscheinlicher jedoch, weil es einfach praktischer war. Loki griff nach den Steinen und wog sie in seiner Hand. Er erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem er sie gefunden hatte, doch er hatte sich lange daran nicht mehr erinnert. Er hatte die Steine lang nicht mehr benutzt, doch jetzt war es so weit. Sie hatten diese unglaubliche Eigenschaft, den Schwarzen Tesserakten zu aktivieren, wofür er sie heute brauchte. Kurz glitten seine Gedanken zurück an den kleinen Thor. Auch diesem Jungen, der unter seiner Decke von Kriegerinnen las und sich vorstellte, eine von ihnen zu sein, nahm er heute die Krone weg. Doch er hatte kein Mitleid mit dem Jungen, so wie dieser nie Mitleid mit ihm gehabt hatte. Und er tat es nicht für sich, sondern für das Volk.
Als er aus seinem Gemach trat, wartete vor der Tür sein treuer Diener. Der junge Mann trug Lokis Symbol mit Stolz, doch Loki kannte sein wahres Motiv für den Gehorsam. Angst. Angst vor Loki und von dem, was er wusste. Loki hatte die Erfahrung gemacht, dass Angst die Leute am längsten auf seiner Seite behielt. Loki hatte seinen Diener am Ende einer Schlacht auf einem fernen Planeten getroffen. Damals war er der Sklave eines hohen Offiziers gewesen. Ein Offizier der Gegner, ein besiegter Mann, der seine Wut an seinem Sklaven ausließ. Als Loki den Sklaven fand, stand er mit einem blutigen Messer über seinem erstochenen Herrn. Er hatte nicht in Ketten leben wollen. Doch nun besaß Loki die Macht ihn an Odin zu verraten, der ihn für Mord und Gehorsamsbruch eingesperrt hätte. Stattdessen entschied sich der junge Mann, Loki treu zu dienen. Und das tat er. In allem, was dieser von ihm verlangte. Er sah, dass es so weit war. Sein Herr hatte die Steine hervorgeholt. Jedoch hatte er keine Ahnung, wie lang sein Meister diese bei sich behalten würde.

An Asgardian LadyWhere stories live. Discover now