kapitel eins - aerosol-junkies & bahnbullen

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scherzhafte selbstbezeichnung einiger sprayer
&
polizist, der im dienst einer bahngesellschaft steht

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DAS KLAPPERN IN DER SPRÜHDOSE klang wie das Ticken einer Uhr, die einen Countdown herunterzählte

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DAS KLAPPERN IN DER SPRÜHDOSE klang wie das Ticken einer Uhr, die einen Countdown herunterzählte. Je öfter die Mischkugel gegen die Wände aus Aluminium und Weißblech schlug, je lauter sie die Stille der Nacht störte, desto ruckartiger warf Jimin Blicke über seine Schulter, hinein in die neblige Dunkelheit, die über dem Oncheoncheon waberte.

Der Fluss dümpelte vor sich hin, warf das Mondlicht noch träger zurück als die Sichel am Himmel es absonderte, von finsteren Wolken verdeckt und Regen ankündigend. Dongnae, eben. Bevor der verschlafene Stadtteil aufwachte, wären seine Vandalen schon davon und die Mauer entlang der Oncheoncheon-ro pink gesprüht.

Aus der Ferne sahen die Paintings pink aus, hieß das. So wie er den Graffiti-Künstler kannte, dürfte die gähnende Einsamkeit hier seine Synapsen zu etwas Anspruchsvollerem angespornt haben als ein einfaches Street-Bombing, sonst wäre er längst schon fertig und hätte nicht bereits die dritte Dose angebrochen.

Jimin hatte die Hände in die Hosentaschen geschoben, wippte vor und zurück auf den Fußballen, damit sein Kreislauf nicht in den Keller kippte.

Für eine Aprilnacht herrschten nur noch laue neun Grad und seine rote College-Jacke wurde vom Gestank der Innenstadt regelrecht perforiert. Hinter seinem Mund-Nasen-Schutz rümpfte er die Nase, bemitleidete sie um ihre Hilflosigkeit, den Ausdünstungen eines schmutzigen Abwasserkanals ausgeliefert zu sein.

Er hatte Myeon darum gebeten, an dem Piece mitzuarbeiten, aber der erfahrenere Writer hatte in der U-Bahn nur über seinen Vorschlag gelacht.

„Du bist noch ein Toy", hatte er gelächelt, als sie die Station verlassen hatten, den Rucksack gestrafft, das verräterische Klattern der Spraydosen darin mit einem heiteren Pfeifen übertönt. Jimin mochte den Szenebegriff für blutige Anfänger nicht. „Nächstes Mal darfst du vielleicht biten, aber dieses Mal stehst du wieder Wache."

Biten. Auch jetzt konnte Jimin über die Art, wie sein Lerneifer vertröstet worden war, nur die Augen verdrehen.

In ihrer Szene praktizierten Amateure die geringwertige Kunst der Nachahmung von Styles und Tags etablierterer Künstler. Anfänger, die beim Kopieren erwischt wurden, waren genauso angesehen wie gern gesehen und wurden den Schandfleck des Biter-Seins nur schwer wieder los. Jimin wusste, dass er lernen musste; dass er den Unterschied zwischen Fat-, Skinny- und Soft-Caps noch nicht so makellos verstand wie ein Myeon, der so oft zwischen den Ventilen wechselte wie ein Schulkind zwischen Buntstiften. Er wollte seinen Unmut durch mehr zum Ausdruck bringen als das Seufzen, das seinen Mund in regelmäßigen Abständen verließ. Aber da er sich glücklich schätzen konnte, als Toy überhaupt in eine Crew, den Zusammenschluss von Writern, aufgenommen worden zu sein, hielt er gezwungenermaßen die Klappe und verbiss sich alle ungeduldigen Kommentare, die auf seiner schlagfertigen Zunge auf ihren Einsatz warteten.

A.C.A.B. ʸᵒᵒⁿᵐⁱⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt