Kapitel 1

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Ich erwachte mit stechenden Schmerzen in meinem Rücken. Es fühlte sich an, als hätte mich jemanden von hinten erstochen. Es ist so dunkel, dass ich nichts sehen kann. Wie spät ist es überhaupt? Ich nahm mein Handy, um die Uhrzeit zu überprüfen. Es war 04:28 Uhr. Verdammt, ich habe eigentlich noch genügend Zeit zu schlafen, bevor die Arbeit wieder neben meinem Ohr wirbelt. Ich verstehe nicht, warum ausgerechnet ich in diesem verdammten Universum mit Rückenschmerzen aufwachen muss. Gestern schien noch alles perfekt. Man schätzt ja die Gesundheit erst, wenn man nicht mehr stabil ist. Schnell nahm ich ein Antibiotikum und setzte meine Hoffnung darauf, dass morgen alles besser wird und die Rückenschmerzen verschwinden. Um Mama und vor allem meinen strengen älteren Bruder, der alles hasst, was ihn weckt, nicht zu wecken, schaltete ich kein Licht an. Stattdessen nutzte ich meine Handy-Taschenlampe, um durch den Flur zu kommen. In der Küche trank ich schnell etwas und legte mich wieder ins Bett. Ich weiß, dass ich mein Bett früh am Morgen nicht verlassen möchte. Aus genau diesem Grund muss ich die zwei Stunden Schlaf, die ich noch habe, ausnutzen.

„Hava, hast du alles?" fragte meine Mama, bevor sie losfuhr, um sicherzugehen, dass ich wirklich alles dabei habe. An meinem ersten Arbeitstag hatte ich nämlich vergessen, alle meine Unterlagen mitzunehmen. Ich traute mich nicht, es meiner Mama zu beichten, und ließ sie einfach weiterfahren. Als ich dann dort ankam, behauptete ich, meine Unterlagen dabei zu haben, aber sie irgendwie nicht mehr finden zu können. Ja, ich weiß, dumme Idee, aber es hat geklappt. Am nächsten Tag durfte ich sie dann mitnehmen, da es sich um wichtige kopierte Unterlagen handelte. Ich beichtete alles meiner Mama am Ende der Woche.

„Ja, Mom, das war nur eine einmalige Sache. Ich werde nichts mehr vergessen", sagte ich und gestikulierte mit meinen Händen. „Hoffe ich." Da ich in einem Büro arbeite, muss ich natürlich auch entsprechend gekleidet sein. Am Anfang war es ungewohnt, aber mit der Zeit wurde es normal, jeden Tag hintereinander Jeans mit verschiedenen Blusen zu tragen. Um ehrlich zu sein, sehe ich damit nicht mehr wie 21 aus, sondern wie 25.

Es ist verdammt anstrengend, keinen Führerschein zu haben. Meine Familie drängt mich ständig, endlich damit anzufangen, aber irgendwie kommt der richtige Zeitpunkt nicht. Meine Schwester Merve, die mittlerweile verheiratet ist und ein Kind hat, sagte immer: „Vertrau mir, sobald du deinen Führerschein hast, bekommst du dein erstes Auto von mir." Genau deswegen will ich das auch machen. Wer würde schon diese wunderbare Gelegenheit verpassen wollen? Aber mein Problem ist die verdammte Zeit.

Mit meinem Rücken geht es mittlerweile wieder. Ich spüre keine Schmerzen mehr. Der Tag beginnt doch mal gut, oder? Nachdem ich ins Büro gekommen bin und all meine Kolleginnen begrüßt habe, fing ich mit meiner Arbeit an.

Einige Stunden später kam Lan zu mir. Wir kennen uns schon seit einigen Monaten, und sie ist mir wirklich sehr ans Herz gewachsen. Auch meine damaligen Freundinnen, mit denen ich mich immer noch aktiv treffe, verstehen sich gut mit ihr.

„Hi, H", nennt sie mich schon seit unserer Bekanntschaft mit dem Buchstaben H aus dem englischen Alphabet. Ja, H. „Hi, L."

„Wie läuft's?" fragte sie und stellte neben meiner Tastatur eine Tasse Kaffee ab. „Ich liebe dich dafür. Danke!" Das habe ich wirklich gerade gebraucht. „Zu deiner Frage, ich muss sagen, ganz gut. Muss noch einige Dokumente speichern und einige E-Mails verschicken. Und bei dir so?"

„Auch ganz gut. Steht unser Treffen mit Ada und Merve heute Abend noch fest?" Treffen? Stimmt, wir wollten uns alle heute Abend in einem Restaurant treffen.

„Eh... ja, natürlich", sagte ich, und sie sah mich irritiert an. „H, sag mir nicht, dass du es wieder vergessen hast?!" Ups. „Nein, wie kommst du darauf? Ich könnte niemals ein Treffen mit drei wundervollen Menschen vergessen." Sie schmunzelte. „Aha. Das muss ich den anderen heute Abend noch erzählen." Stopp, was, nein! „Ich hab's wirklich nicht vergessen. Wenn du es denen erzählst, fangen die wieder mit den blöden Spielen an." Ja, genau. Spiele. Da ich ein sehr vergesslicher Kopf habe. bestrafen sie mich immer mit einer Pflichtaufgabe, die ich dann wirklich durchziehen muss. Und ich meine wirklich eine krasse Pflichtaufgabe. Letztens haben sie mich bestraft, weil ich Adas Geburtstag vergessen hatte. Aber es war wirklich nicht absichtlich. Ich habe mich bei ihr hundertmal entschuldigt und ihr einen freien Wunsch gewährt. Und ja, sie hat es natürlich direkt ausgenutzt. Ich musste einen verdammten Tag lang alles tun, was sie wollte. Und ja, ich habe es wirklich durchgezogen.

Nach der Arbeit machte ich mich bereits für den Abend fertig. Meine Mutter weiß schon Bescheid, Papa ist noch nicht zuhause, das bedeutet, dass ich mich nur irgendwie wegschleichen muss, damit mein Bruder Ali mich nicht entdeckt. Ich nahm meine Schuhe und war dabei wegzugehen, als das Unglück zuschlug und mein Bruder meine Handgelenke festhielt.

„Ahah, wohin geht's? Gehst du auf eine Hochzeit oder was?" Das war's mit heute Abend. „Mama, Ali nervt", rief ich im Flur. Ich sah wieder zu ihm rüber und ließ meine Handgelenke von ihm befreien. „Mama weiß Bescheid. Ich gehe nur mit den Mädels etwas essen, mehr nicht." Er analysiert wirklich jeden Scheiß in meinem Gesicht. „Und deshalb diese braunen Locken, Lashes oder wie die auch immer heißen?" Die Lashes habe ich doch nur am Ende meiner Augenwinkel geklebt. Oh Gott, bitte hilf mir. „Danke, dass du bemerkst, dass ich gut aussehe. Kann ich jetzt gehen? Alle warten auf mich."

„Wer ist alles dabei?" Als ob er meine Freundinnen, mit denen ich seit Jahren abhänge, nicht kennt. „Wie immer. Lan, Merve und Ada."

„Da ist auch Ada?" Huh? „Ja, wieso?" fragte ich mit zusammengezogenen Augenbrauen. Er sah mich kurz an und ging fort. „Nur so", rief er dann doch am Ende des Flurs entlang.

Endlich war ich im Restaurant angekommen. „Na, sieh mal an, Hava ist da", hörte ich Merves Stimme. Alle drei standen auf und umarmten mich nacheinander. Als ich mich hinsetzen wollte, fing Lan an, in meine Richtung zu flüstern. „Tut mir leid, H, aber sie wissen Bescheid." Ist das ihr Ernst? Sie sahen mich alle an, als würden sie darauf warten, dass ich etwas sage. „Leute? Habe ich etwas verpasst?"

„Wir reden nicht groß, sondern sagen dir direkt, was deine Aufgabe ist", sagte Merve. Nein, nein, nein. „Hava, du musst deine Vergesslichkeit etwas unter Kontrolle haben. Wir wollen dir nur helfen. Nimm uns das alles nicht böse", sagte Ada sanft. „Doch, nimm es uns böse. Du musst daraus lernen und die Konsequenzen akzeptieren. Wir alle müssen das durchmachen, falls wir etwas falsches tun oder etwas Wichtiges vergessen", sagte Lan. Dumme Regeln. Ich rollte mit den Augen. „Schießt los", sagte ich genervt.

„Ihr seid doch alle verrückt. Nein! Ich mache so etwas nicht!"

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Was denkt ihr, was sie tun muss?

Korrigiert mich bitte, falls ihr irgendwo Fehlern entdeckt.

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