Geschwisterliebe

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Schonmal einige Triggerwarnungen: CD, Gewalt, (sexueller) Missbrauch & "Bruderliebe" (Kein Inzest, auch wenn's arg so rüberkommt. Trust me.)



Ich tunkte mein Ei in den Haufen Ketchup am Rand meines Tellers und biss die oberste Hälfte ab, genau durch die Mitte des Eigelbs. Es war noch flüssig und lief mir übers Kinn.

David reichte mir stumm eine Serviette. Er hatte sein Frühstück noch nicht angerührt.

„Keinen Hunger?"

„Bin noch satt von gestern Abend."

Schweigen.

„Ich muss gehen." Er schob seinen Teller von sich, sah fahrig zum Fernseher.

Ich rückte sein Frühstück gerade wieder zu ihm zurück. „Iss was."

„Nein, ich-" Er schüttelte den Kopf. „Der Laden. Die Öffnungszeiten beginnen bald und-"

„Du öffnest um zehn und wir haben acht", unterbrach ich ihn. „Komm schon, wenigstens ein halbes Brötchen. Danach kann ich dich auch hinbringen."

Meine Worte schienen ihn nicht unbedingt zu überzeugen. Es dauerte eine ganze Weile, bis er eines der Gebäckstückchen in seinen Händen zerrupfte. Nur jeder dritte Brocken landete in seinem Mund.

Ich kommentierte sein Verhalten nicht, stand auf und bereitete ihm eine Tasse Tee vor. Schwarz, mit drei Löffeln Zucker und einem Schuss kalte Milch. „Hier."

Er nahm mir die Tasse ab, starrte den Inhalt an. „Danke. Hat alles sehr gut geschmeckt."

Wen wollte er bitte verarschen?

Ich schnaubte. „Du meinst das trockene Brötchen mit nichts?"

„Ja?" Er blinzelte. Manchmal mit dem linken Lid etwas zu spät, als wäre sein Gehirn damit überfordert, alle Bewegungen aufeinander abzustimmen. Es war niedlich, irgendwie.

„Na gut." Ich zuckte mit den Schultern. „Räumst du die Aufstriche in den Kühlschrank? Ich werf' die Spülmaschine an."

David tat, was ich ihm sagte. Er war sehr einfach gestrickt, was das anging.

„Bereit?" Keine zehn Minuten später warf ich ihm sein Sweatshirt zu.

„Isaiah?" Er drückte die Stoffjacke an seine Brust. „Du musst mich nicht fahren."

„Ist schon okay. Ich mach das gerne." Ich schnippte ihm gegen die Nase, er kräuselte sie, ein bisschen wie ein Kaninchen, bevor er mich von unten herauf anlächelte.

Ich lebte für diese Momente. Diesen Anblick. „Na los, gehen wir. Vielleicht können wir noch ein bisschen wischen, bevor die ersten Kunden kommen."

„Lieber nicht."

„Warum nicht?"

Er sah mich zweifelnd an. „Es ist sehr staubig."

Entstauben ist ja auch der Sinn hinterm Wischen." Ich schüttelte den Kopf. „Tu nicht so, als wärst du allergisch dagegen."

„Bin ich."

„Bist du nicht. Ich kenne deine Krankenakte."

Er schob die Unterlippe vor, sagte aber nichts mehr dazu. Meine Hand in seinem Rücken zwang ihn nach draußen.


Im Auto ging Davids erster Handgriff direkt ans Seitenfach der Tür. Dort lagerten meine CDs in einer abgewetzten, lila Mappe, weil das Autoradio zu alt war, um die Musik von meinem Handy abspielen zu können.

JudasWhere stories live. Discover now