Kapitel 2

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Gina hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie plötzlich weiche Knie bekommen würde. Sie starrte auf ihre weiße Armbanduhr, um ja nicht zu früh oder zu spät zu ihrer allerersten Vorbesprechung in der Bar zu erscheinen. Eigentlich hatte sich doch alles so einfach im Bewerbungsgespräch angehört: Es wurde eine Stelle als Aushilfskraft zur Barkeeperin gesucht. Ein äußerst attraktives Angebot für die junge Studentin: Als Studentin ist man natürlich oft knapp bei Kasse, da kam die attraktive Bezahlung für den Nebenjob ihr nur gelegen. Außerdem kollidieren die Arbeitszeiten in der Bar nicht mit denen ihres Stundenplans. Eine Win-Win-Situation also. Gina war ja eh die schon immer die größte Partymaus ihrer Schulstufe gewesen. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten also. Außerdem... Sie strich sich elegant eine Strähne ihrer dunkelbraunen langen Haare aus dem Gesicht - Außerdem könnte sie gleichzeitig womöglich sogar ein paar sexy Männer in der Bar kennenlernen und mit ihnen flirten, ihre Nummer oder ihr Insta austauschen und so weiter. Oder vielleicht auch ein paar sexy Frauen oder direkt ein Pärchen? Da fiel ihr ein: Auf dem Weg zu ihrem neuen Arbeitsplatz kam sie an einem Fitnessstudio vorbei, gerade mal so vier Straßen von hier entfernt. Ui, dann würden hier in der Bar wohl auch ein paar durchtrainierte Kerle auftauchen. Ginas hellblaue Augen leuchteten auf bei dem Gedanken daran. Unwillkürlich entfuhr ihr ein riesengroßes Lächeln. Doch jetzt hieß es erstmal Fokus!

Ihre weiße digitale Armbanduhr zeigte nun exakt 17:29 Uhr an. Sie ging hinein. Ihre Beine zitterten noch immer bei jedem Schritt. Warum bloß war sie so verdammt angespannt? Eigentlich waren Bars und Klubs doch ihr zweites Zuhause. Naja, aber bisher nur als Gast. Noch nie zuvor hatte sie hinter dem Tresen gestanden und die Leute bedient. Aber sie konnte damals den Barbesitzer überzeugen. Herr Domaschke schätzte ihre Zuverlässigkeit und ihre Bereitschaft, sich im Vorfeld in die Thematik einzuarbeiten. Im Namen der Bar wurde sie zu Vorbereitungskursen geschickt, die Gina mit Bravour meisterte. Vor allem aber schätze Herr Domaschke ihre Erfahrung als Bar- und Klubgängerin sowie ihre offene Art. Aber dennoch ließ sich all die Theorie und ihre Erfahrungen nicht mit der Praxis hinterm Tresen vergleichen. Am Ende des Ganges empfing der Clubbesitzer die junge Studentin mit offenen Armen.

"Oh, Gina, perfekt pünktlich! Ich wusste doch, dass auf dich Verlass ist!"

Gina begrüßte ihn ebenfalls. Direkt anschließend führte Herr Domaschke sie durch eine Tür, die für die anderen Gäste der Bar geschlossen war. Kurz darauf fand sie sich auch schon hinter der Theke wieder.  Sie musterte die vielen Gläser in verschiedenen Farben und Größen, die Flaschen mit unterschiedlichsten alkoholischen Getränken und die alte Kasse interessiert. Ihr Chef erklärte ihr noch einmal genau die Regeln, doch Gina kannte diese durch die Vorbereitungskurse eh schon auswendig, weshalb sie den Ausführungen nur mit halber Aufmerksamkeit folgte. Abschließend fragte Herr Domaschke sie noch: "Und Gina, fühlst du dich bereit für deine erste Schicht bei uns als Barkeeperin?". Gina lächelte den älteren Herrn höflich an und nickte wortlos, obwohl sie innerlich immer noch angespannt und verunsichert war. Sie wagte einen erneuten Blick auf ihre Uhr: 17:48 Uhr. Noch einmal tief ein- und ausatmen. Ab 18 Uhr würden die ersten Gäste hier eintrudeln, gegen 19 Uhr würde es dann schon langsam voller werden. "Kopf hoch, Gina! Alles ganz entspannt!", munterte sie sich selber auf.

Gegensätze ziehen sich anWo Geschichten leben. Entdecke jetzt