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Daliah POV:
Mittlerweile war es Montag morgen, ich hatte das Wochenende mit Zoe bei meinen Eltern verbracht und war gestern Abend mit ihr zurück zu Ben gefahren. Wir hatten uns mal wieder heftigst wegen meines Abgangs von seiner Gala gestritten und der Abend hatte damit geendet dass er im Gästezimmer schlief.
Es war 05:00 in der früh und da ich mir sicher war, dass Zoe noch schlief zog ich mir meine Laufsachen an. Ich entschied mich für eine schwarze enge leggings und einen simplen Sport-BH. Leise schnappte ich mir einen Apfel aus der Küche und verließ dann das Haus.
Eine halbe stunde später hatte ich schon reichlich an Tempo zugelegt und lief gerade durch den Wald als mir eine Frau auffiel die gerade an der Gabelung abbog an welcher ich auch abbiegen musste. Ich könnte schwören dass es sich bei dieser Frau um Vanessa handelte, teilten wir jetzt auch noch die gleich laufstrecke oder was?! Als ich um die Kurve bog bestätigte mein Verdacht auf Vanessa sich immer mehr, also entschied ich diese Frau einfach zu überholen und noch weiter an Tempo zuzulegen bis sie mir nicht mehr hinterher kam, denn falls es sich wirklich um Vanessa handelte würde sie sich nicht so einfach abhängen lassen. Ich legte also einen kurzen Sprint ein und überholte die Frau, welche ich nun eindeutig als Vanessa identifizierte, da ich die Narbe erkannte welche sich von ihrem Nacken zwischen ihre Schulterblätter zog. Als ich dachte ich hätte sie abgehangen tauchte sie nun direkt neben mir auf. Eine weile liefen wir einfach schweigend nebeneinander her, um den See herum welcher so viele Erinnerungen für uns beiden trug. Wir legten immer wieder einen kurzen Sprint ein bis ich schließlich in meine Straße einbog und Vanessa weiter lief. Wir hatten die ganze Zeit über kein Wort miteinander gewechselt, aber es war keinesfalls eine unangenehme Stille gewesen die zwischen uns geherrscht hatte, nein. Es war eine Vertraute Stille.
Leise betrat ich das Haus und zog meine Schuhe aus, als ich jedoch die Küche betrat lehnte ein wütender Ben an der Kochinsel. „Wo warst du?" er klang keinesfalls erfreut, aber wunderte es mich? Nein, um ehrlich zu sein nicht. „Wonach sieht es denn aus?" fragte ich bissig und deutete an mir herunter. „Zieht man sich neuerdings so an wenn man laufen geht??" er kam nun immer näher und ich konnte deutlich riechen dass er getrunken hatte. „Was willst du mir damit sagen?" hinterfragte ich misstrauisch. Kaum hatte ich diese frage gestellt landete seine Hand klatschend auf meiner Wange. „Dass du dich nicht so anziehen sollst verdammt!" brüllte er mir entgegen und stürmte aus dem Haus. Ich war geschockt, ich sackte auf einem der Stühle zusammen und kämpfte mit den Tränen. Ja, wir stritten uns häufig, aber geschlagen hatte er mich noch nie. „Mama?..." ertönte Zoes ängstliche Stimme hinter mir, weshalb ich mir schnell die Tränen wegwischte. „Guten Morgen Liebling, hast du gut geschlafen?" murmelte ich gegen ihren Kopf als ich sie auf den Arm nahm. „Ist alles okay bei Papi und dir? Ich hab euch Streiten gehört... Schon wieder..." hakte sie nach ohne auf meine Frage einzugehen. „Ja liebes, natürlich ist alles in Ordnung." log ich damit Zoe sich keine Sorgen machte, Gott wie ich es hasste meine eigene Tochter anzulügen. „Aber Mama du blutest..." sagte Zoe nun und drückte mich ein wenig von sich weg da ich sie immernoch auf dem Arm hielt. Ich setzte sie ab und lief in das Gästebad das nicht weit von der Küche entfernt lag, und als ich in den Spiegel blickte erkannte ich tatsächlich einen blutenden Kratzer mitten auf meiner immernoch vom schlag geröteten Wange. Ben musste mit seinem Ehering über meine Wange gekratzt haben als er zugeschlagen hatte, wir trugen die ehemaligen Eheringe seiner frühzeitig verstorbenen Großeltern in welche jeweils von außen ein kleiner Diamant eingelassen war.
Ich desinfizierte gerade den Kratzer da tauchte Zoe neben mir auf, besorgt blickte sie mich an. „Mach dich fertig liebes, der Kratzer ist nichts wildes, ich bin beim laufen heute morgen wohl einfach von einem Ast oder so erwischt worden." beruhigte ich sie.
Während Zoe sich in ihrem Bad neben ihrem Zimmer fertig machte Duschte ich im großen Bad bevor ich mir eine beige Stoffhose und einen Dunkelblauen Ralph Laurent Kaschmir Pullover überzog. Ich föhnte meine Haare und lies sie in ihren natürlichen leichten Wellen über meine Schultern fallen während ich mir ein leichtes MakeUp auflegte. Als ich mir gerade meine Kette umlegte betrat Zoe angezogen und fertig gemacht mein Ankleidezimmer. „Ich bin fertig Mami!" rief sie voller stolz und ich betrachtete sie liebevoll. „Super mein Schatz, das hast du wirklich toll gemacht, ich bin stolz auf dich." sagte ich während ich sie weiter betrachtete, sie hatte es bisher noch nie geschafft sich komplett alleine fertig zu machen, obwohl sie dies immer gerne wollte. „Und jetzt runter in die Küche, was möchtest du Frühstücken?" fragte ich sie mit einem lächeln auf den Lippen.
Eine Stunde später hatte ich Zoe an ihrer Schule abgesetzt und war weiter zu meiner gefahren, ich parkte den Wagen und lief über den Parkplatz, auf welchen mich hier und da vorbeilaufende Schüler oder Lehrer grüßten, zum Lehrereingang.
Im Lehrerzimmer zog ich gerade meine Jacke aus da stand Olivia schon neben mir, "Mensch süße, was ist dir denn passiert?" plapperte sie los und drehte meinen Kopf sodass sie den Kratzer betrachten konnte. "Dir auch einen guten morgen Livi... Ich bin heute morgen beim laufen von einem Ast erwischt worden, sieht schlimmer aus als es ist." verharmloste ich die Situation, wie ich es hasst zu lügen. Olivia schien sich mit dieser Antwort zufrieden zu geben und so setzten wir uns auf unsere Plätze im Lehrerzimmer und redeten über das vergangene Wochenende.
Der erste Block verlief super, auch meine Schüler fragten mich nach dem Kratzer und ich tischte ihnen die gleiche Lüge auf wie allen anderen, mit welcher sie sich zufrieden gaben und gut mitarbeiteten. Gerade lief ich über den Flur zum Lehrerzimmer als draußen etwas meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es waren zwei Leute die sich prügelten, ein Junge und ein Mädchen. Und verdammt! Bei dem Mädchen handelte es sich um meine Schwester! Ich rannte zur nächsten Tür hinaus und erblickte Vanessa wie sie ebenfalls zur Tür nach draußen stürmte. "Auseinander!" rief ich als Alyssa dem Jungen, welchen ich als Jordan identifizierte, gerade einen Kinnhaken verpasste. Wütend griff ich meine Schwester an den Schultern und zog sie von dem Jungen weg, welcher soeben von Vanessa ergriffen wurde. "WAS FÄLLT DIR EIN ALYSSA?" fauchte ich nun wütend, während diese sich gegen meinen Griff wehrte. "Lass mich los Daliah! Man ich hab gesagt du sollst mich loslassen!" schrie sie und versuchte immer wieder auf den Jungen loszugehen, ich jedoch hielt sie so lange fest bis sie aufhörte sich zu wehren. Jordan hatte ein blaues Auge und einen geschwollenen Wangenknochen während Ally mit einer blutigen Nase davongekommen war. "Ich denke, wir bringen euch jetzt zum Direktor." schaltete Vanessa sich nun ein. "Ja, das sehe ich genauso." gab ich mit zusammengebissenen Zähnen zurück, während ich Ally schon in Richtung Rektorat zog.
Beide zusammen wollten nicht mit dem Direktor sprechen, weshalb dieser beschloss sich erst Jordans, und dann Alyssa's Perspektive anzuhören. Vanessa war mit Jordan geblieben während ich nun mit Ally vor dem Rektorat saß. "Was ist bloß in dich gefahren?!" fragte ich sie wütend. "Man entspann dich mal, ich hab dich doch nur verteidigt!" murrte diese zurück. "Verteidigt?! Ally wenn du willst dass ich dir hier raushelfe erzählst du mir besser ganz schnell was hier passiert ist!" raunte ich während ich mich bedrohlich vor ihr aufbaute. "Man er wollte sich an dich ranmachen! Ständig redet er von deinem Körper und schließt wetten mit den anderen Jungs ab ob er dich rumkriegt und dich ins Bett bekommt!" erklärte Ally mir nun während ich einfach fassungslos da stand. "Sag was Daliah, bitte." flehte sie nun fast. "Bah! Wie alt war er nochmal?" fragte ich sie schockiert. "15." meinte Ally nun. "Dieser kleine!- Ally, ich weiß es wirklich sehr zu schätzen dass du mich verteidigen wolltest, aber du hättest es mir einfach direkt erzählen müssen, du musst dich nicht für mich Prügeln, ich bin alt genug um auf mich selbst aufzupassen." bedankte ich mich in drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Ein paar Momente später wurden wir in den Raum gerufen welchen Vanessa und Jordan nun verließen. Während Alyssa dem Direktor das geschehen schilderte spielte ich noch einmal alle Begegnungen mit Jordan durch, und tatsächlich, er war es an meinem Start hier gewesen, der mich fragte ob meine Brüste echt waren. Dies ließ mich das Gesicht verziehen. „Nun, Jordan tischte mir zwar eine ganz andere Geschichte auf, aber deine klingt sehr viel glaubwürdiger, wenn ich das so sagen darf." riss Herrn Beringer mich gerade aus meinen Gedanken. „Und du, Daliah, was sagst du zu der Geschichte deiner Schwester?" fragte er nun mich. „Ich glaube ihr, ich lege mein Hand für sie ins Feuer dass sie die Wahrheit sagt. Und ich übernehme auch die volle Verantwortung für ihr Handeln." beteuerte ich ernst, jetzt hatte Alyssa es wirklich mehr als verdient dass ich sie Unterstützte. Herrn Beringer lies sich darauf ein nicht unsere Eltern zu informieren, da ich volljährig und als Notfallperson für Ally hier an der Schule eingetragen war. So verließen wir das Büro und trafen im Flur davor auf Vanessa und Jordan, wessen Eltern bereits informiert waren und gerade hitzig mit ihrem Sohn diskutierten. „Woher hätte ich denn wissen sollen dass die Schlampe da ihre Schwester ist?!" brüllte er nun förmlich und zeigte erst auf Ally und dann auf mich, während ich den Druck meiner Hand auf Allys Schulter verstärkte um dieser zu zeigen dass es besser wäre nicht wieder auf ihn loszugehen. Jordan und seine Eltern wurden zum Direktor gerufen während Alyssa zurück in ihre Klasse ging und ich mit Vanessa zurück blieb. „Daliah... ich.." begann sie das Gespräch, ich aber brachte sie mit einer gekonnten Bewegung zum Verstummen. Ich zog sie einfach in meine Arme und legte meinen Kopf auf ihrer Schulter ab. Sofort atmete ich ihr Parfüm ein und fühlte mich in mein 18- jähriges ich zurückversetzt.

Vanessa POV:
Wir lösten uns wieder voneinander und Daliah schaute beschämt auf den Boden und strich sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. „Danke..." hauchte ich nur, immernoch überwältigt von dem Gefühl sie wieder in meinen Armen zu halten, nie hätte ich es für möglich gehalten dass dies noch einmal passieren würde. „Ich ehm... Ich denke wir sollten mal einen Kaffee oder so trinken und.. über alles reden?..." während sie diese Worte aussprach blickte sie mir zögernd in die Augen. „Äh, ja.. ja klar." antwortete ich vorsichtig. Sie kramte in ihrer Hosentasche und zog schließlich einen Zettel heraus, welchen sie mir übergab. „Hier, schreib mir einfach oder so..." lächelte sie verlegen und lief dann in mir vorbei und verschwand hinter der nächsten Ecke. Gerade eben war sie keinesfalls mehr selbstbewusst gewesen, wenn ich es nicht besser wüsste würde ich sagen ich würde sie nervös machen, aber nein. Sie war eine gestandene Frau die ihr Leben voll und ganz im Griff hatte. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf meine Lippen als ich den Zettel, welchen sie mir gegeben hatte auseinander gefaltet hatte, sie hatte mir also wirklich ihre Nummer gegeben.
Mittlerweile war es 15:00 und ich war bereits seit einigen Stunden zu Hause, ich speicherte Daliah's Nummer ein und betrachtete erst einmal ihr Profilbild, so wie ich es auch schon bei ihrem Instagram- Profil getan hatte. Es war ein Bild mit ihr und einem
kleinen Mädchen welches sie überglücklich lächelnd auf dem Arm hielt. Es musste in dem selben Urlaub entstanden sein wie ihr Profilbild auf Instagram. Als ich das Mädchen deutlicher betrachtete erkannte ich die Ähnlichkeit, die sie zu Daliah hatte, es musste sich ziemlich sicher um ihre Tochter handeln. Dieses Bild versetzte mir mal wieder einen Stich ins Herz. Als ich wieder auf den Chat klickte stand dort „online" also entschied ich mich eine Nachricht zu verfassen.

V: Hey, hier ist Vanessa, wie du dir sicherlich auch schon denken kannst. Wollen wir uns heute Abend im Limit treffen und reden? Oder ist dir das zu spontan?

ich hatte mir die Nachricht sicherlich zwanzig mal durchgelesen bis ich sie schließlich abschickte. Es dauerte einige Minuten bis sie die nachricht las, dann schrieb sie, und dann ging sie wieder offline, und lies mich einfach auf gelesen. Eine riesige Enttäuschung machte sich in mir breit, einige Momente noch blickte ich auf mein Handy, doch es passierte nichts, also entschied ich mich dazu duschen zu gehen.
Als ich fertig angezogen und mit nassen haaren wieder nach meinem Handy griff hatte ich tatsächlich eine neue Nachricht von Daliah, sofort öffnete ich diese.

D: Hey Vanessa, entschuldige bitte dass du so lange auf meine Antwort warten musstest, aber ich musste mich um Zoe kümmern, sie ist heute beim Sportunterricht hingefallen und hatte ein paar Schmerzen. Ich muss gleich einmal mit meinen Eltern sprechen, ob Zoe heute Abend bei ihnen bleiben kann, aber ich denke das sollte kein Problem sein.

V: Oh man, hat Zoe sich etwas erstens getan? Gute Besserung an sie!

D: Danke, geb ich weiter! Aber nein, ist nichts schlimmes, nur ein blutiges Knie, wie das bei Kindern eben ist ;)
Und wegen heute Abend, passt dir 19:00?! würde Zoe dann vorher zu meinen Eltern fahren.

V: Ja, das passt mir. Bis später.

Auf diese Nachricht bekam ich keine Antwort mehr, aber wenigstens war ich jetzt erleichtert, sie hatte mich also nicht ignoriert, an Zoe hatte ich zugegebenermaßen garnicht gedacht. Und trotzdem hoffte ich inständig, dass Zoe sich wirklich nichts getan hatte. Und heute Abend wäre es so weit, ich würde endlich mit ihr über all die unausgesprochenen Dinge sprechen... Aber warum musste Zoe zu ihren Eltern? War Daliahs Mann nicht zu Hause? All dies waren fragen, zu denen ich vielleicht später meine Antwort erhalten würde.

Gestohlene Herzen Where stories live. Discover now