Kalte Nächte, heiße...

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Als ich mich der verschneiten Eingangspforte von St. Rednor nähere, erkenne ich an den dunklen Fenstern schon von weitem, dass das Internat seine Türen bereits geschlossen hat. Trotzdem ziehe ich einmal probeweise an dem massiven Türknauf und seufze dann resigniert auf. Die dicke Eichentür bewegt sich keinen einzigen Millimeter.
„Es ist fünf Minuten nach 20:00 Uhr", murmle ich zu mir selbst und mache mich wohl oder übel auf den Weg in den Garten, „wenn das nicht Miss Andrew war, die um 19:59 Uhr schon mit dem Schlüssel in der Hand hinter der Tür gelauert hat, fresse ich einen Besen."
„Der würde dir aber nicht sehr gut bekommen."
Sophias amüsierte Stimme hinter mir lässt mich auf der Stelle überrascht herumfahren.
„Was du nicht sagst", erwidere ich mit hochgezogener Augenbraue und schiebe meine kalten Hände noch in Stück tiefer in meine Manteltasche. Der Abend mit Sophia auf dem Weihnachtsmarkt war ohne Zweifel wunderschön, aber so langsam ist mir wirklich richtig kalt und ich möchte nur noch unter die heiße Dusche und danach in mein warmes Bett.
Sophia hingegen, von der beißenden Kälte vollkommen unberührt, steht in einem dünnen Pullover und einer einfachen Jeans ganz entspannt vor mir.
„Und wohin gehst du jetzt?"
Ich nicke nur stumm zum weitläufigen Garten des Internats hinüber, der zu dieser späten Uhrzeit natürlich vollkommen im Dunklen liegt.
„Zum Geheimgang. Anders komme ich wohl nicht in mein Zimmer", antworte ich schulterzuckend und wende mich bereits zum gehen, als Sophia sanft nach meinem Arm greift und mich so aufhält.
„Du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass ich die Zeit hier ohne dich nicht genutzt hätte um von Miss Andrews den Schlüssel zu stibitzen", lächelt meine Freundin schelmisch und holt wie zum Beweis einen großen, messingfarbenen Schlüssel aus ihrer hinteren Hosentasche hervor.
Verblüfft sehe ich Sophia an und bin gleichzeitig mehr als dankbar, dass mir heute der gruselige Weg durch den stickigen Geheimgang offenbar erspart bleibt. Sophia war in der Tat bereits gute 30 Minuten früher als ich vom Weihnachtsmarkt verschwunden. Nur hätte ich nicht gedacht, dass sie danach noch in der Lage wäre vorausschauend mitzudenken. Es ist nicht so, dass Sophia gegen Ende unseres Besuchs vollkommen verwirrt war. Aber entgegen ihrem sonstigen Verhalten wirkte sie auf mich sehr gedankenverloren und zeitweise sogar extrem abgelenkt. Manchmal musste ich sie ganze drei Mal ansprechen, bevor die junge Frau darauf reagierte. Und so überrascht es mich einigermaßen, dass Sophia nun wieder so klar und ruhig wie eh und je vor mir steht.
„Ich dachte ehrlich gesagt, dass du erst mal Zeit für dich brauchen würdest um dich...zu sortieren", sage ich vorsichtig und nehme Sophia sanft den Schlüssel ab, den sie mir auffordernd hinhält, „wie geht es dir jetzt?"
Meine Freundin lächelt nur sanft und ihre warmen Finger berühren einmal kurz aber zärtlich meine Wange.
„Gut. Es ging mir heute Abend nie schlecht, ich war nur...vernebelt", entgegnet Sophia leise und tritt dann einen Schritt auf mich zu, „hat es dir Angst gemacht?"
Ich schüttle schnell den Kopf und umfasse Sophias schlanke Taille mit meiner freien Hand, sehe ihr tief in die Augen.
„Angst nicht direkt, aber am Ende unseres Ausflugs habe ich mir schon etwas Sorgen um dich gemacht. Du warst so...abwesend."
Sophia nicht zustimmend und beugt sich für einen kleinen Moment zu mir herunter, um mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen zu geben. Zu meiner Beruhigung ist die Berührung ihrer weichen Lippen so sanft und liebevoll wie immer.
„Das tut mir leid. Ich wollte nicht, dass du dich sorgen musst. Mir hat der Abend mit dir trotz allem sehr gut gefallen."
Sophias leise Worte lösen ein glückliches Kribbeln in meinem Bauch aus und ich lächle meine junge Freundin zärtlich an.
„Genau wie mir. Es war wunderschön mit dir durch die Menschen zu spazieren und einfach nur ein verliebtes Paar zu sein", sage ich sanft und lehne mich vor, um Sophia einen langen, liebevollen Kuss zu geben.
„Danke dir dafür", flüstere ich mit rauer Stimme gegen ihre Lippen und die junge Frau summt nur zustimmend.
„Sehr gerne. Aber jetzt lass uns schnell hinein gehen, deine Lippen sind schon ganz kalt", drängt mich Sophia sanft und führt mich an der Hand hinüber zu der großen Eingangstür.
Mit zitternden Fingern schließe ich gehorsam das uralte Schloss so leise wie nur möglich auf und die dicke Tür schwingt daraufhin mit einem tiefen Knarzen schwerfällig zurück. Schnell schlüpfe ich zusammen mit Sophia in das angenehm warme Gebäude hinein.
„Ich hoffe die Mädchen und Freizeitnonnen haben nichts gehört", flüstere ich meiner Freundin über die Schulter zu, doch Sophia schüttelt nur stumm den Kopf.
„Keine Sorge. Die meisten von ihnen bestaunen gerade das große Chaos in der Bibliothek."
An der Art wie Sophia das sagt, weiß ich sofort, dass sie hinter diesem Chaos stecken muss.
„Was zur Hölle hast du getan?", frage ich gespielt streng, während ich das schwere Portal wieder sorgfältig hinter mir verschließe.
„Sagen wir es so. Ein Kartenhaus aus Büchern zu bauen ist schwerer als es aussieht", grinst Sophia selbstbewusst und zwinkert mir einmal frech zu. Ich schüttle nur amüsiert den Kopf und gebe meiner Freundin lächelnd den alten Schlüssel zurück.
„Deine Ablenkungsmanöver werden immer kreativer aber Mrs Scott wird dich morgen persönlich erwürgen", necke ich sie spielerisch und da lacht Sophia leise auf.
„Wie gut, dass ich schon tot bin, sonst würde ich mir jetzt ernsthafte Sorgen machen", geht die junge Frau sofort auf meine Neckerei ein und zwinkert mir aufmunternd zu.
Ich jedoch nehme nur stumm Sophias Hand und verschränke schnell meine Finger mit ihren. Manchmal...manchmal mag ich es nicht daran erinnert zu werden, dass Sophia nicht ganz so menschlich ist, wie sie für mich scheint. Klar, das plötzliche Verschwinden und durch die Wand gehen sind natürlich alles andere als normale menschliche Eigenschaften, aber daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Womit ich mich aber nur schwer arrangieren kann ist die Tatsache, dass Sophias Unsterblichkeit sie immer ein kleines Stück von mir trennen wird. Und je älter ich werde, desto offensichtlicher wird diese Trennung werden.
„Mary?"
Ich schrecke augenblicklich aus meinen düsteren Gedanken auf.
„Ja?"
Sophia sieht mich aus sanften, grünen Augen warm an.
„Ich liebe dich."
Sofort schlägt mein Herz einen Tick schneller und ich spüre, wie mich ein angenehmes Gefühl durchflutet.
„Ich liebe dich auch, Sophia. Immer."
Ich habe kaum noch Zeit die Augen zu schließen, da treffen auch schon Sophias weiche Lippen auf meine und nur kurz darauf spüre ich auch schon die glatte Wand des Flurs in meinem Rücken.
Sophias Küsse sind langsam aber verlangend und sie machen es mir unmöglich noch länger über meine Sorgen nachzudenken. Und ich weiß, dass genau das Sophias Plan ist.
„Du kennst mich mittlerweile so gut...", murmle ich atemlos zwischen zwei intensiven Küssen und und muss mich wirklich zusammenreißen um meiner Freundin nicht in aller Öffentlichkeit ihren dünnen Pullover vom Leib zu reißen.
„Hmm...genau wie du mich", erwidert Sophia lächelnd und lässt ihre heißen Küsse gefährlich schnell meinen Hals hinunter wandern, bis sie am Kragen meines Mantels angelangt ist. Ihre schlanken Hände halten mich dabei bestimmt an meiner Hüfte fest und lassen mir so keinen Raum für eine Flucht.
„Liebling...wir sollten diese-... Aktivität...lieber auf mein Zimmer...verlegen", dränge ich meine Freundin sanft, während ihre anzüglichen Küsse und Bisse an meinem Hals mich zunehmend um den Verstand bringen. Mein armes Herz rast jetzt schon wie wild in meiner Brust.
„Oder wir suchen uns ein leeres Klassenzimmer", murmelt Sophia gedämpft an meinem Hals. Ich blicke sie daraufhin nur verblüfft an.
„Meinst du das ernst?"
Die junge Frau löst sich ein wenig von mir, ihre roten Lippen zieren ein schelmisches Grinsen und in ihren grünen Augen erkenne ich deutlich ihr Verlangen nach mir. Und es lässt frisches Feuer durch meine Venen schießen.
„So wahr ich hier stehe. Zufällig weiß ich, dass Olivia ihren Klassenraum nie abschließt. Also...?"
Ich zögere noch einen Moment. Einerseits lockt mich genau wie Sophia dieser aufregende neue Gedanke. Andererseits habe ich wirklich wenig Lust von Olivia oder Gott bewahre meinen Kolleginnen oder Schülerinnen bei...nun ja einer heißen Nacht mit Sophia erwischt zu werden. Dass das eine Katastrophe gäbe, ist vollkommen klar.
„Und wenn wir...eine warme Dusche zusammen nehmen?", frage ich unschuldig lächelnd und spiele anzüglich mit Sophias Fingern in meinen.
Die hübsche Frau mustert mich für einen Moment, dann gibt sie schließlich nach.
„Es ist erschreckend wie wenig du mir nach all den Monaten immer noch vertraust", schmunzelt sie und beißt einmal flüchtig in meine Unterlippe, bevor wir in einem weiteren leidenschaftlichen Kuss versinken.
„Es ist ja nicht so, dass du schon einmal Olivia vor lauter Knutschen überhört hast. Meine Sorge ist also berechtigt", gebe ich atemlos aber dennoch selbstbewusst zurück, was Sophia ein spielerisches Augenrollen entlockt.
„Das eine mal...außerdem hast du mich abgelenkt und Olivia hat sich angeschlichen. Das war nicht fair."
„Aber beim Sex wirst du dann weniger abgelenkt sein oder wie? Ich habe diese Diskussion haushoch gewonnen, Punkt", grinse ich frech und  stehle mir einen weiteren intensiven Kuss von Sophia.
„Fürs erste", erwidert die nur süffisant und ehe ich mich's versehe, hat sich mich auch schon mühelos hochgehoben.
„Aber jetzt testen wir erstmal, ob ich heute meinen Rekord im Dich-Ausziehen brechen kann! Die vier Sekunden stehen immer noch..."

1826 - Rückkehr auf St. RednorWhere stories live. Discover now