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Albert und ich schlenderten an einem sonnigen Frühlingstag durch die gepflegten Wege, umgeben von einer bunten Traube der Adelskreise, die den Nachmittag im Park genossen. Der Frühling hatte sein Hoch erreicht und während die Blumen in voller Pracht erblühten, gab es vielerlei Spekulationen über mögliche Verbindungen in der adligen Gesellschaft.

In seinem eleganten Anzug, strahlte Albert eine gewisse Selbstsicherheit aus und bot mir galant seinen Arm an. "Elizabeth, wie wunderbar, dass wir uns heute hier im Park treffen konnten. Die Natur spiegelt die Schönheit des Moments wider, finden Sie nicht auch?"

Ein Lächeln spielte um meine Lippen und ich nickte zustimmend. "In der Tat, Albert. Der Park ist zauberhaft, besonders an einem so herrlichen Frühlingstag."

Wir tauschten Höflichkeiten aus, sprachen über belanglose Themen und genossen die Idylle des Parks. Doch während unserer Unterhaltung bemerkte ich die Blicke der anderen Parkbesucher, die uns aufmerksam beobachteten. Manche tuschelten leise und sorgten dafür, dass ich mich unwohl fühlte. Meine Hände schwitzten und mein Magen zog sich zusammen.

Inmitten unseres Spaziergangs trafen wir auf Amalia. An ihrer Seite begleitete sie Philipp, der Marquess und ein Bekannter meines Bruders, der erst seit kurzem wieder in der Stadt war. Lord Philipp hatte die letzten Monate in Spanien verbracht, bevor er bald das Amt seiner Familie übernehmen sollte. Sein Wissen über die fremde Kultur war beeindruckend.

Albert und Philipp tauschten sich über diverse Bildungen und Städte aus, als Amalia mich beiseite zog. Ihr Gesicht war von Verwunderung gezeichnet.

"Elizabeth, es freut mich wirklich, dich so glücklich in Alberts Gesellschaft zu sehen. Das ist neu, oder irre ich mich?", flüsterte sie, ihre Augen funkelten vor Neugier.

Ich konnte ihr nicht die Wahrheit sagen. Vor allem nicht hier und nicht jetzt, aber es freut mich, dass mein schauspielerisches Talent überzeugend war. "Mein Herz hat seine eigenen Wege gefunden. Ich habe meine Meinung geändert."

Amalia hob überrascht die Augenbrauen. "Das ist wundervoll, Elizabeth! Doch, was hat dich dazu bewogen? Vor nicht all zu langer Zeit wolltest du noch einen anderen Weg einschlagen."

Ein kurzes Zögern durchzuckte mich. "Manchmal ändern sich eben die Perspektiven, Amalia. Albert hat seine Qualitäten, die ich zu schätzen weiß. Er wäre ein guter Gatte, sollte er überhaupt um meine Hand anhalten."

Ich sah zu Albert herüber und konnte einen ernsten Gesichtsausdruck erkennen. Scheinbar sprach er gerade über wichtige Angelegenheiten. Amalia nahm meine Hand in ihre und flüsterte weiter. "Elizabeth, sei ehrlich mit mir. Warum dieser plötzliche Sinneswandel? Ich kenne dich gut genug, um zu spüren, dass mehr dahintersteckt."

Ein schwerer Seufzer entwich meiner Brust. "Amalia, es sind komplizierte Umstände. Ich muss lernen, mit ihnen umzugehen."

Sie schien meine Worte zu akzeptieren, obwohl Skepsis in ihren Augen lag. Wir kehrten schließlich zu den beiden Herren zurück und ich verstrickte mich wieder in die Höflichkeiten der adligen Welt. Nach unserem ausgedehnten Spaziergang durch den malerischen Park brachte Albert mich und die Zofe Emily, die als Anstandsdame überall mit dabei war, wohlbehalten nach Hause.

"Es würde mir eine große Freude bereiten, Sie und Ihre Familie morgen Abend bei uns zu Gast zu haben, Elizabeth", sagte Albert mit einem höflichen Lächeln.

Ich spürte die erwartungsvollen Blicke meiner Geschwister, die an der Tür standen. Freude flackerte in ihren Augen auf, als ich mich zu ihnen umdrehte. Sicher sahen sie schon die festlich geschmückten Tische vor ihrem inneren Auge, dazu den möglichen Antrag, den sich alle so herbei sehnten. Und auch ich konnte nicht leugnen, dass ein Teil meines Herzens auf dieses Abendessen hoffte - darauf, dass Albert den ersehnten Schritt wagen und um meine Hand anhalten würde. Ein solcher Schritt würde nicht nur mein Leben, sondern auch das meiner Familie nachhaltig verändern.

Die Realität kollidierte jedoch mit meinen innersten Wünschen. Wie konnte ich nach etwas streben, was ich tief in meinem Herzen nicht wollte? Die paradoxe Situation ließ mich nachdenklich werden, während ich Albert höflich für die Einladung dankte. "Vielen Dank für Ihre Einladung, Albert. Ich werde meine Familie informieren. Wir freuen uns schon auf den morgigen Abend."

Die Worte verließen meine Lippen mit einer Leichtigkeit, doch in meinem Inneren rangen Zweifel und eine tiefe Unsicherheit. Der Gedanke an eine Ehe mit Albert Collingwood fühlte sich an wie ein Kompromiss mit meinem eigenen Glück. Eine Entscheidung, die nicht von Herzen kam, sondern von äußeren Einflüssen diktiert wurde.

♕♕♕

Der Abend des lang erwarteten Dinners bei den Collingwoods war gekommen. Daheim wurde ich von unserer Zofe in ein festliches Kleid gehüllt. Während sie meine langen Locken kunstvoll drapierte, spielte ich nervös mit meinen Händen. Die eindrucksvollem Räume der Collingwoods würden uns heute Abend empfangen und ich sollte in vollem Glanz erscheinen - als Repräsentantin der Familie Lancaster und womöglich als zukünftige Angetraute von Albert Collingwood.

Emily sprach mir mit einem Lächeln auf den Lippen Mut zu. "Sie sehen bezaubernd aus, Miss Elizabeth. Dieser Abend wird zweifellos unvergesslich."

Ihre Worte klangen wie Balsam für meine aufgewühlte Seele, doch die Wahrheit lag tief verborgen unter dem Gewand und den wertvollen Schmuckstücken, die ich trug. Die nach außen spiegelnde Fassade konnte nicht die Tatsache verbergen, dass ich mich verloren fühlte - ein Spielball, gefangen in einem Konflikt aus Pflicht und persönlichem Glück.

"Danke, Emily. Du machst das wunderbar." Mein Lächeln war aufrichtig, es galt ihrer besonderen Art und ihrer makellosen Arbeit. Als sie die letzten Handgriffe vornahm, spiegelte sich Skepsis auf meinem Gesicht wider. Emily, als loyale Bedienstete unserer Familie, spürte anscheinend die Unsicherheit in der Luft, auch wenn sie die genauen Hintergründe meiner Bedenken nicht kannte.

"Miss Lancaster, wenn ich so frei sein darf - Sie sehen heute aus, als tragen Sie die ganze Welt auf Ihren Schultern. Stimmt etwas nicht?", fragte sie besorgt.

Ich atmete tief durch, während sich mein Herz schwer wie Blei anfühlte. "Es ist nichts, Emily. Nur das übliche Lampenfieber vor einem solch wichtigen Abend."

Ein leiser Zweifel lag in ihren Augen, als würde sie ahnen, dass meine Worte mehr verhüllten als offenbarten. Doch sie nickte respektvoll. "Sollten Sie jemals das Bedürfnis verspüren, darüber zu sprechen, stehe ich Ihnen stets zur Verfügung, Miss."

Ich bedankte mich für ihre aufmerksamen Worte und lächelte sie höflich an, doch die Wahrheit konnte ich selbst kaum in Worte fassen. Der Kampf zwischen den Erwartungen und den wahren Gefühlen für Henry Jefferson schien seinen Höhepunkt zu erreichen.

Und es gab nur einen Sieger.

Royal Escape (ONC 2024)Where stories live. Discover now