Tag 5 - Grenzerfahrungen (1)

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 Peter

Er erwachte zwischen zerwühlten Bettlaken, auf die schräge Sonnenstrahlen durch ein halbgeöffnetes Fenster fielen. Der Duft von Camilas Parfüm hing in den fremden Kissen und die Betthälfte neben Peter war leer. Aus ihrem Wohnzimmer hörte er Klappern. Dieses Mal war es definitiv keine Halluzination. Erneut war die Nacht unendlich viel intensiver gewesen als jedes künstlich erzeugte VR-Erlebnis.

»Guten Morgen, Schatz! Ist der Langschläfer aufgewacht?« Sie kam herein und gab ihm einen Kuss. Sie hatte sich sein Hemd übergezogen, dass sie wie einen großen Morgenmantel trug. »Ich habe uns Frühstück bestellt und gedeckt. Noch ist der Kaffee heiß.«

Schatz. So nannte er Kristina. Schlagartig kehrte sein schlechtes Gewissen zurück, aber er verdrängte es erfolgreich. Was zählte, war der Moment. Außerdem hatten sie heute einiges vor. Sie wechselten ein paar Worte und setzen sich an den, dank eines Drohnen-Frühstückservices, reichlich gedeckten Tisch, um den weiteren Tagesablauf zu besprechen.

»Ich informiere gleich meine Chefin«, resümierte er ihre Pläne, »dass ich für ein paar Tage eine Auszeit brauche und mir dafür spontan Urlaub nehme. Die wird froh sein mich vorerst aus dem Weg zu haben.«

»In Ordnung«, meinte Camila, »in der Zwischenzeit organisiere ich uns Flugtickets nach Almería. Von dort fliegen wir mit einem Taxi bis Cabo del Gata. Wie müssen uns beeilen, die Abrissarbeiten sollen dort bereits morgen beginnen.«

Bei Kristina meldete er sich nicht. Er war sich nicht sicher, wie er das später alles geradebiegen sollte, aber für den Moment war es besser so. Sie erwartete eh nicht, dass er sich vor heute Abend rührte, da er sie aus dem offiziellen GovNet der Behörde nie anrief.

Wenige Minuten später fuhren sie zum neuen Airport südlich von München. Dieser war speziell für den privaten Quadrokopter- und VTOL-Flugverkehr vor fünfzehn Jahren erbaut worden. Der ursprüngliche Flughafen, weit oben im Norden bei Freising, war seit Ewigkeiten außer Betrieb. Ohne Massentourismus und internationale Großraumflugzeuge hatte sich die Anzahl der Flughäfen in der ZEU drastisch reduziert. Auch der nutzlose Hyperloop in Richtung Innenstadt, den man Mitte des Jahrhunderts als staatliches Prestigeprojekt gebaut hatte, war nach nur fünf Jahre wieder geschlossen worden. Genauso wie die modernisierte Münchener U-Bahn. Das waren heutzutage alles überflüssige Anlagen für Massentransporte, für die es keinen Bedarf mehr gab.

Auf dem Weg stoppten sie kurz bei ihm, um seine Sachen zu packen. Eine Stunde später saßen sie in einem Linien-Quadrokopter und flogen zusammen mit zwanzig Passagieren mit rund fünfhundert Kilometern pro Stunde in Richtung Südspanien. Gegen Mittag sollten sie in Almería ankommen. Das würde zeitlich knapp werden.

»Camila?«, wandte er sich an seine... was? Freundin? Geliebte? Affäre?

Die schmiegte sich an seiner Seite. »Was denn? Du schaust mich so seltsam an.«

»Ähm... nichts. Was ich dich fragen wollte: Wo kommst du eigentlich her? Also ursprünglich meine ich.«

»Hm... ob ich woanders gewohnt habe?«

»Na ja... schon.«

»Also, ich bin in Puchheim aufgewachsen. Meine Eltern haben vom Grundeinkommen gelebt. Bereits damals gab es zu wenige Jobs für zu viele Menschen in der ZEU.«

»Ah... und wo bist du geboren?«

»In München-Perlach, wieso?«

»Ich meinte eher, wo deine Eltern herkamen.«

»Aus Puchheim. Das habe ich doch gesagt.« Sie klang leicht genervt.

»Ja, also, ich dachte nur... eher deine Großeltern.«

𝗙𝗔𝗞𝗘 𝗣𝗔𝗥𝗔𝗗𝗢𝗫 - Fake News war gestern ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt