Tag 7 - Strahlende Begegnungen (4)

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Kopfschüttelnd las er die rote Schrift auf dem schwarzen Display: »Grenzübertritt für die ZEU-ID von Peter Hessler verweigert.«

Verflucht. Mäuser war scheinbar wieder ein Schritt schneller als er. Der Innenminister hatte seine ID sicherlich mit der gleichen Begründung wie bei seinem dienstlichen Zugang sperren lassen. Eine offizielle Einreise in die Schweiz konnte er sich abschminken.

Nochmals schaute er sich genauer die Landkarte an und fuhr mit dem Finger über die Grenzlinie. Das Gelände des CERN, insbesondere die Verwaltung, die wissenschaftlichen Gebäude und das Kontrollzentrum lagen fast komplett in der ZEU. Perfekt. Diese offiziell zu betreten wäre somit kein Problem.

Das Restaurant, das der Professor vorgeschlagen hatte, lag in einem Vorort von Genf und damit auf der anderen Seite der Grenze. Am liebsten hätte er den Mann zu Hause besucht, aber dessen Privatadresse kannte er nicht. Und wenn er formell an der Rezeption des CERN anklopfte, konnte er ihn ebenso direkt über die VR kontaktieren. In jedem Fall wüssten seine Kollegen, die ihn jetzt sicherlich auf Schritt und Tritt beobachteten, mit wem er sich treffen würde. Diesen Zeitpunkt wollte er so weit wie möglich hinauszögern, um den Überraschungsvorteil zu nutzen. Daher hatte er sich auch jede Recherche in der Cloud zu dessen Person verkniffen.

In diesem Moment lachte er laut auf, als ihm die Lösung seines Dilemmas einfiel.

Das VTOL flog einen weiten Bogen über die sanften grünen Höhenzüge des Jura Gebirges hinter der Stadt. Der Genfer See glitzerte in der späten Nachmittagssonne. Nur vereinzelt sah er Boote einiger unverbesserlicher Enthusiasten, denen es nicht reichte, rein virtuell über das Wasser zu gleiten. Die Schweizer waren schon ein eigenwilliges Völkchen. Kurz darauf landete sein Fluggerät auf dem Dach einer bekannten Hotelkette in unmittelbarer Nähe der CERN-Verwaltung – auf der französischen Seite. Das Check-in im Hotel verlief ohne Probleme, zumindest konnte er mit seiner ZEU-ID noch bezahlen.

Eine Stunde später begab er sich auf eine halbstündige Wanderung über die steinigen Feldwege hinter dem CERN in Richtung eines Genfer Vorortes, der bereits in der Schweiz lag. Sommerliche Wiesen mit kniehohen Gräsern, summenden Bienen und rotem Klatschmohn, ließen beinahe vergessen, dass er in diesem Moment ein illegaler Einwanderer mit einer klaren Mission und kein harmloser Tourist war. Sein VR-Headset sowie sämtliche Smartdevices hatte er zurückgelassen.

Als er hinter der Autobahn über die grüne Grenze schritt, schoss sein Puls in die Höhe. Es passierte – nichts. Theoretisch könnte man ihn per Satellit oder aus einer hochfliegenden Drohne observieren, aber er spekulierte darauf, dass er noch nicht als Staatsfeind Nummer eins galt. In der Schweiz dürfte es für die ZEU-Behörden schwierig werden, ihn zu verfolgen, da sie dafür ein Amtshilfegesuch stellen müssten. Da Mäuser allerdings auf dem internationalen Parkett wie ein fleißiges Mammut das Porzellan zerbrach, herrschte aktuell diplomatische Eiszeit.

Gegen neunzehn Uhr kam er mit müden Beinen bei seinem Ziel an, das Bernd ihm via Drohne mitgeteilt hatte. Vor einem indirekt beleuchteten, bungalowartigen Bau erstrecke sich ein ausladender Parkplatz für Fahrzeuge und Senkrechtstarter. Die Stellplätze waren bereits zu einem guten Teil belegt. Zwei manngroße 3-D-Displays priesen es als Burger-Restaurant im amerikanischen Stil an, das tatsächlich echtes Fleisch servierte. Zu horrenden Schweizer Preisen weit jenseits dessen, was er sich normalerweise mit seinem kleinen Beamtensold leisten konnte. Nobel ging die Welt zugrunde. Er zuckte mit den Schultern. Ohne Smartdevices hatte er eh kein Geld dabei, der Professor würde ihn einladen müssen.

Kurz darauf betrat er den in rotem Leder gehaltenen Gastraum mit Bildern von Oldtimern, Cowboys und amerikanischen Nummernschildern an den Wänden. Ihm stieg bereits der Geruch von Holzkohle und gebratenem Fleisch in die Nase. Beides waren Todsünden in der heutigen Zeit, aber das Restaurant war gut gefüllt. Eine weibliche Bedienung, deren Outfit mit Petticoat im Stil der 1950er ein echter Hingucker war, fragte nach seiner Reservierung. Kurz darauf brachte sie ihn zu einem Ecktisch, an dem der Prof bereits genüsslich ein Bier schlürfte.

𝗙𝗔𝗞𝗘 𝗣𝗔𝗥𝗔𝗗𝗢𝗫 - Fake News war gestern ✔️Where stories live. Discover now