Der Anfang vom Ende

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Fast arrogant zog er seine Augenbraue in die Höhe.

*Lilly*

Wie gebannt starrte ich ihn an. Lässig hatte er seine Hände tief in die Hosentaschen gesteckt. Sein Blick ruhte nach wie vor auf mir. Mein Körper entspannte sich augenblicklich, so als gäbe er mir Ruhe. Ruhe, die ich begehrte. Er strahlte diesen inneren Frieden für mich aus, Frieden, den meine Seele so dringend benötigte. Als würde mein Körper merken, dass ich ihn brauchte. Diesen Fremden. Und so kletterte ich zurück, über die Brüstung, schwang erst ein Bein hinüber, dann folgte das zweite, bis ich wieder auf der Straße der Brücke stand. Er hatte mich keine einzige Sekunde aus den Augen gelassen.

„Na endlich, ich wollte dir schon den Weg nach unten zeigen," er klang genervt. Seine Stimme wirkte hypnotisch auf mich. Sie war wie Gesang in meinen Ohren. Benommen starrte ich ihn an. Kurz musterte er mich. Dann verdrehte er die Augen und wandte seinen Blick ab. Sofort umhüllte mich wieder diese unsagbare Leere. Er setzte seinen Körper in Bewegung und war kurz davor in der Dunkelheit zu verschwinden. Panik überkam mich. Er konnte doch nicht einfach so gehen. „Hey, warte." Ich beeilte mich, ihn einzuholen. Er war verdammt schnell. Kurz, so schien es mir, überlegte er, doch dann blieb er stehen. Er ließ seine Schultern sinken.

„Was wird das?", er drehte sich nicht zu mir um. Ich musterte ihn, sein schwarzer Mantel schmeichelte seiner schmalen, drahtigen Statur. Als wäre er nur für ihn entworfen worden. Fast wirkte er zierlich, doch das täuschte. Auch war er einen guten Kopf größer als ich. Ich ließ meinen Blick über seine Rückenpartie wandern. Verdammter Mantel. Was war denn nur los mit mir? Er war ein Fremder und ich gaffte ihn an, als hinge mein Leben an ihm. Als wäre er meine Luft, welche ich zum Atmen brauchte. Als hätte ich zum ersten Mal die Sonne gesehen. Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf. „Ich habe keine Ahnung, was ich jetzt tun soll," flüsterte ich gegen den Wind. Ich starrte auf meine Schuhe. Wohin sollte ich gehen, wenn niemand auf mich wartete? Ich konnte nicht zurück. Da kletterte ich lieber wieder zurück auf die Brüstung. Ich überlegte. Stille legte sich über uns. Angespannte Stille. Da drehte er sich zu mir um.

Er fischte in seiner tiefen Manteltasche herum, zog eine Zigarette heraus und steckte sie sich zwischen die Lippen. Langsam schlossen sie sich um den Glimmstängel. Ich hätte schwören können, ein kleines Grinsen auf seinem Gesicht zu erkennen, aber so schnell wie es aufgetaucht war, verschwand es auch wieder. Ein zweites Mal griff er in seine Tasche. Mein Blick hing noch immer an seinen Lippen. Seinen perfekt geformten Lippen. „Hier, nimm, das hilft beim Denken". Überrascht starrte ich auf seine ausgestreckte Hand. Er hielt mir das Ende einer weiteren Kippe vorsichtig mit zwei Fingern hin. Ich griff danach. Sofort zog er die Hand wieder zurück. Direkt zündete ich sie an, steckte sie mir in den Mund und inhalierte den Rauch ausgiebig. „Es tut mir leid, das Alles." Die Worte drangen sanft und sehr leise zu mir. Mein Blick schoss wieder zu ihm. Minuten vergingen, Minuten, in denen keiner etwas sagte. Ich drückte meine Zigarette mit meinem Stiefel aus. Er tat es mir gleich. „Komm mit, oder lass es bleiben, deine Entscheidung, aber ich frag kein zweites Mal", er atmete hörbar aus.

Ich musste nicht lange überlegen.

Zwischen den WeltenWhere stories live. Discover now