Leid und ein Pakt

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Ich beschloss Ash, sobald er heute Nacht die Hütte betreten würde, davon zu erzählen.

*Lilly*

Er sah mich an, mit einem Blick, der mein Herz zersplittern ließ. Seine Lippen waren zu einer dünnen Linie geschürzt und seine Augen, mein Gott, sie sahen aus, als würde etwas in ihnen sterben. Sie hatten den Glanz verloren und ich hatte das Gefühl als stürze ich mit ihm in die Tiefe. Hätte ich geahnt, dass er mich so ansehen würde, wenn ich ihm von meinem Gefühl beobachtet zu werden und dieser mysteriösen Kälte, die manchmal nach mir griff und mir die Luft zum Atmen stahl, erzählte, dann hätte ich es nicht getan. Ich hätte geschwiegen wie ein Grab und mir so dieses erbärmliche Gefühl welches in mir wummerte, erspart. Und ich hätte ihm diesen Schmerz in seinen Augen erspart.

Etwas war mit ihm passiert, doch ich wusste nicht, was es war, das ihn so aus der Fassung brachte. Es schmerzte mich, ihn so zu sehen. Und doch war mir bewusst, dass ich es war, der dieses Gefühl in ihm ausgelöst hatte. Er wendete seinen Blick von mir und schritt im Wohnzimmer auf und ab, seinen Kopf starr und nachdenklich geradeaus haltend. Ich schwieg und folgte seinen rhythmischen Bewegungen mit meinen Augen, wartete, dass er etwas sagte. Die Minuten verstrichen, ehe er endlich die Stille mit seinen angespannten Worten durchbrach. "Du musst die Wahrheit erfahren, über mich und meine Welt. Über all das, was ich von dir fernhalten wollte." Seine Stimme summte in meinen Ohren und ich entspannte mich augenblicklich. Noch immer hatte er einen faszinierenden Einfluss auf mich und meinen Körper. Er beruhigte mich und ich war ihm dafür unheimlich dankbar. Er stoppte in seiner Bewegung und drehte seinen Oberkörper in meine Richtung.

"Es fing genauso an wie bei dir. Ich hatte eine Geliebte, eine Seelenverwandte. Wir waren füreinander bestimmt. Bis in alle Ewigkeit, doch sie wurde mir genommen." Er biss sich auf die Unterlippe und atmete tief ein, ehe er fortfuhr. Seine Fingerknöchel traten weiß hervor, als er seine Hände unterbewusst zu Fäusten ballte. "Ich wurde verraten und habe alles was mir je wichtig erschien, alles, wofür ich bereit war mit meinem Leben zu beschützen, verloren. Ich wurde ins Exil verdammt und fristete mein Dasein. Tag ein, Tag aus und die Jahrhunderte vergingen." Er fletschte gefährlich mit den Zähnen. Kurz machte mir dieser Anblick Angst, doch ich wusste, er würde mir nichts anhaben. Er starrte mir in die Augen, hoffte eine Regung, ein Gefühl in meinem Gesicht zu lesen, doch fand er nur Mitleid und Kummer in meinen Zügen.

Ich blieb still, wollte, dass er weitersprach. Ich hatte Angst, ihn zu unterbrechen und so seinen Redefluss zu stoppen und seine Geheimnisse niemals zu erfahren. Es fiel mir unheimlich schwer, ihn nicht mit tausenden Fragen meinerseits zu durchlöchern. "Weißt du, was das Schlimmste an dieser ganzen Sache war?" Er sah mir tief in die Augen, sein Kummer verschwand und machte der Wut Platz. "Das Traurige am Verrat ist, dass er nie von deinen Feinden kommt. Er kommt von denen, welche einem die Welt bedeuten. Von denen, denen man es nie zugetraut hätte, dass sie dazu fähig sein würden." Er schwieg einen Moment, versunken im tosenden Strudel seiner Gedanken. Er hatte mir etwas Wichtiges anvertraut und doch konnte ich es nicht einordnen. Er hatte mir Informationen gegeben und es fühlte sich an, als hätte ich Puzzleteile, welche ich nicht verbinden konnte. Ich konnte das Puzzle nicht lösen. Ich seufzte. Er hob seinen Blick und starrte aus dem kleinen Fenster. Mit langsamen Schritten ging ich auf ihn zu, ließ ihm die Wahl. Er konnte sich mir zuwenden oder wieder auf Abstand gehen.

Da sah er meine Bewegung aus dem Augenwinkel und ging einen Schritt zurück. Er wählte den Abstand und ließ mich erneut aufseufzen. Er sah mich traurig an. "Es tut mir leid, ich möchte nicht, dass du gehst, doch ich kann die Nähe zwischen uns nicht mehr dulden. Sie ist für uns beide nicht richtig." Seine Aufrichtigkeit berührte mich. "Eigentlich habe ich das hier schon viel zu lange geduldet." Murmelnd sah er auf seine Füße. Ich hielt in meiner Bewegung inne, doch nach einem kurzen Moment schritt ich weiter auf ihn zu. Er würde mich nicht vergraulen, niemals. Diesmal wich er mir nicht aus. Ich stand ihm direkt gegenüber und wollte ihn in meine Arme ziehen, ihm Trost spenden, ihm zeigen, dass ich für ihn da wäre, doch er ließ es nicht zu. Ich hoffte, man sah mir meine Verletztheit nicht an. Trotzig reckte ich ihm mein Kinn entgegen.

"Du kannst mich nicht retten, Lilly. Ich würde dich verlieren, wie sie auch und diesen Fehler werde ich nicht nochmal machen. Lieber strafe ich mich weiter, als dich zu verlieren." Leere trat in seine Augen. Als ich meine Hand hob, um ihn zu berühren, war er verschwunden. Innerhalb eines Wimpernschlages stand er in der Ecke des Zimmers, soweit weg von mir wie nur möglich. "Ich müsste etwas unmögliches von dir verlangen." Er sah mich nicht an. Seine Stimme war brüchig. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Seine Worte berührten mein Innerstes und ließen es schmerzen. Alles zog sich zusammen. Ich zwang mich, weiter zu atmen. "Was brauchst du, damit ich dir helfen kann? Wie kann ich dir diesen Kummer, dieses Leid und die Schmerzen nehmen?" Meine Stimme war nicht lauter als ein Flüstern, doch er nahm es wahr. Ich hatte Angst vor dem, was er sagen würde.

"Du musst einen Pakt schließen. Du musst einen Bluthandel mit einem Dämon schließen."

Zwischen den WeltenWhere stories live. Discover now