Krampfhaftes Lächeln

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Doch ein dumpfes Geräusch ließ sie mich ein weiteres Mal erschrocken öffnen.

*Lilly*

Kurz war ich mit der folgenden Situation überfordert. Mein Blick huschte hektisch durch den großen Raum, auf der Suche nach der Ursache des dumpfen Geräusches. Da blieben sie in der Mitte des Raumes hängen. Vor meinen Augen bot sich mir ein erschreckendes Bild. Der Fremde war auf dem hölzernen Boden zusammengesackt, krümmte sich stark vor Schmerzen und atmete zitternd heftig ein und aus. Sein Brustkorb senkte sich schnell auf und ab. Auf beiden Beinen kniend presste er seinen linken Arm fest um seinen Oberkörper. Aus ihm war jegliche Farbe gewichen. Mit der anderen Hand schien er sich auf dem dreckigen verstaubten Boden abzustützen um nicht vollends umzukippen.

Die salzigen, kleinen Schweißperlen in seinem Gesicht reflektierten leicht das Tageslicht, wodurch sie wie kleine Juwelen im Licht funkelten. Die winzigen Reflexionen waren subtil aber scharf, sie folgten akribisch der Linie seiner Schläfen und hinterließen eine feuchte Spur auf seiner hellen Haut. Es bildete sich eine weitere Perle welche sich mit der letzten an seiner Kinnpartie verband und anschließend einen einzigen kleinen, nassen, dunklen Fleck auf dem hölzernen Untergrund hinterließ. Aber schnell wurde aus dem kleinen unscheinbaren Tropfen auf dem Boden ein immer größer werdender Fleck.

Da keuchte er erneut schmerzerfüllt auf und biss sich auf die dünnen Lippen. Ein kleiner Blutstropfen quoll aus der Wunde, welche seine Zähne auf seiner weichen Unterlippe verursacht hatten. Er zitterte wie Espenlaub. Sein Gesicht war geisterhaft weiß. Nun verwandelte sich sein qualvolles Keuchen in ein leises anhaltendes Stöhnen. Instinktiv machte mein Körper einen kleinen Satz nach vorne, wollte zu ihm eilen und ihm so die Hilfe beschaffen die er augenscheinlich so dringend benötigte. Doch in diesem Moment blickte er zu mir auf. Seine Augen waren voller Tränen, sein Gesicht vor Schmerz verzogen. Erschrocken stoppte ich sofort wieder in meiner Bewegung. Wie angewurzelt stand ich da. Sollte ich ihn einfach in Ruhe lassen? Sollte ich doch zu ihm gehen? Was, wenn ich damit die Situation für ihn noch unangenehmer machte? Ich war unschlüssig.

Als hätte er mein Zögern bemerkt öffnete er seine Lippen, leckte sich fast provozierend langsam den kleinen Bluttropfen fort. Da drang seine gepresste, dunkle Stimme zu mir.
„Nun komm schon her", flüsterte er da angespannt. Auf seinen zusammengepressten weißen Lippen erkannte man ein leichtes, schmerzvolles Grinsen, so als würde er versuchen seinen Schmerz zu unterdrücken und in dieser grotesken Situation in welcher er sich befand, tatsächlich etwas zu lächeln. Sein Körper war krampfhaft angespannt, jede einzelne Kontur seiner Muskeln war erkennbar.

Überfordert kam ich langsam näher. Ich kniete mich in sicherem Abstand zu ihm herunter. Seine Augen schienen dunkler als sonst. Angespannt konzentrierte er sich darauf, ruhig und gleichmäßig zu atmen. „Was ist los mit dir?", murmelte ich hilflos und ließ meine Arme kurz vor ihm in der Luft schweben. Sein ganzer Körper war zum Zerreißen gespannt. Er schien unheimlich zu leiden. Innerlich versetzte es mir ebenfalls einen kleinen Stich. Ich sah seine stark pulsierende Schlagader an seinem vor Schweiß glänzendem Hals hervortreten. Da erfolgte ein weiteres dumpfes Geräusch, er ließ sich nun vollends auf den Boden sinken. Ich tat es ihm gleich. Innerlich zog es in mir alles zusammen. Ich wollte nicht, dass er leidet. Innerlich litt ich mit ihm. Wollte ihm die Schmerzen nehmen. Doch nur wie sollte ich das anstellen? Ich hatte ja nicht eine Ahnung was ihm fehlte. Wie konnte ich ihm da schon helfen? Ich sah ihn abwartend an, ließ meine Arme wieder in meinen Schoß sinken.

Meine Augen huschten über die zusammen gefallene Person vor mir. Seine schwarzen, langen Haarsträhnen lagen feucht in seiner Stirn welche vor Anspannung kleine Fältchen bildete. Gedanklich versuchte ich mich zu beherrschen sie nicht mit meinen Fingern zurück an die richtige Stelle zu streichen. Seine schmalen Schultern hoben und senkten sich rhythmisch zu seiner schnellen Atmung.  Sein dünnes Shirt war fast komplett vollgesogen von seinem Schweiß und wies dunkle Flecken auf. Seine schwarze Jeans wurde von einem elegant und verdammt teuer aussehenden Gürtel an Ort und Stelle gehalten. Sie schmiegte sich eng um seine langen, muskulös aussehenden Beine. Meine Gedanken schweiften leicht ab. Ich schüttelte meinen Kopf. Versuchte die verruchten Bilder ganz nach hinten in meinen Kopf zu verbannen. Dafür war später noch genug Zeit. Mein Blick glitt wieder in sein Gesicht zurück.

Da streckte er erneut seine Hand aus, wollte wieder meine Wange berühren. Ich zuckte erschrocken zurück und starrte ihn stirnrunzelnd an. „Nun komm schon her, du wolltest mir doch helfen", grummelte er zwischen zusammengebissenen Zähnen leise vor sich hin.
Wie konnte ihm das nur helfen?

Fragend zog ich meine Augenbrauen zusammen doch war gewillt, seiner seltsamen Bitte Folge zu leisten.

Zwischen den WeltenWhere stories live. Discover now