Zwischen Traum und Kaffeearoma

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„Das hättest du lieber nicht sehen sollen."

*Lilly*

Schweißgebadet schreckte ich hoch. Kurz war ich desorientiert, ließ meine braunen Augen hektisch durch das kleine Zimmer gleiten. Nur langsam beruhigte sich mein viel zu schneller Herzschlag. Ich saß kerzengerade in meinem Bett, die blaue dünne Bettdecke war von mir gerutscht und lag ausgebreitet neben mir auf dem Boden. Ich ließ meine Augen schnell über meinen Körper gleiten. Er steckte in einem hellen, kurzen Pyjama, es war derselbe, welchen ich gestern in Badezimmer gefunden und für mich beansprucht hatte. Vorsichtig fuhr ich mit meiner Hand meinen Arm entlang, doch es schien alles in Ordnung zu sein. Ich zog mir kurzerhand ungeschickt mein Oberteil über den Kopf. Da waren keine Verletzungen, da war kein Blut an mir oder meiner Kleidung. Es war nur ein schrecklicher Traum gewesen. Ein Alptraum. Meine Atmung beruhigte sich, wurde wieder kontrollierter. Ich fuhr mir mit meiner Hand quer übers Gesicht. Es hatte sich alles so verdammt real angefühlt.

Ich bändigte schnell mit meinen Fingern und einem Haargummi, ihn trug ich immer um mein linkes Handgelenk, meine widerspenstigen strohigen Haare, welche von der unruhigen Nachtruhe durcheinander geraten waren und stand auf, versuchte die Erinnerung des Traumes von mir abzuschütteln. Er war grausam gewesen, regelrecht verstörend, doch es war nicht real gewesen, das wiederholte ich, wie ein heiliges Mantra in meinem Kopf. Und doch hatte er sich für mich so verdammt echt angefühlt. In diesem war ich mit unzähligen Verletzungen übersäht gewesen. Tiefe Furchen hatten jeden Zentimeter meiner vernarbten Haut, wie ein groteskes Muster, geziert. Rotes, dickflüssiges, warmes Blut tropfte an mir hinunter und hinterließ große Flecke auf dem Fußboden. Es war mein eigenes, frisches Blut gewesen.

Nur der Gedanke daran ließ mich erneut erzittern. Kopfschüttelnd fuhr ich mit meinen Händen über meine Oberarme, versuchte das klamme Gefühl in mir loszuwerden und verließ mein Zimmer auf Zehenspitzen, ich wollte niemanden wecken, doch wie sich kurze Zeit später herausstellte, war meine Sorge unberechtigt gewesen. Ash lehnte gutgelaunt an der kleinen, rot lackierten Küchennische. Es schien als hätte er auf mich gewartet. Ich musterte ihn. Lässig lehnte er mit seinem Oberkörper an der schwarzen, aus Stein angefertigten Küchenplatte. Seine Gesichtszüge vollkommen entspannt. Er sah umwerfend aus. In seiner Hand hielt er eine kleine schwarze Tasse, aus welcher Dampf emporstieg. In der Luft lag ein intensiver Duft nach frisch gebrühtem Kaffee, der sich mit den aufsteigenden Dampfschwaden langsam im Raum verteilte. Das Aroma der dunklen, kräftigen Bohnen war voll, erfrischend und angenehm in der Nase und vertrieb die abgestandene, verbrauchte Luft der Nacht. Ich seufzte. Wie gern würde ich doch einen tiefen Schluck des morgendlichen Elixiers erhaschen, meine Lippen damit benetzen und meine Kehle hinunterspülen.

Ash grinste, so als hätte er meine Gedanken gelesen und streckte mir ganz selbstverständlich die kleine dampfende Tasse entgegen. Dankbar wollte ich sie ihm abnehmen, streckte meine Hand danach aus. Doch als ich sie berührte, ließ ich sie im nächsten Moment auch schon vor fürchterlichen Schmerzen wieder los. Wir beide zischten plötzlich laut und gequält auf. Ich hatte das Gefühl, ein Blitz würde durch meine Finger schießen, angefangen von meinen Fingerspitzen, sich über meine Hände ausbreitend und mir anschließend meine Haut bis auf die Knochen versengend.

Zuerst dachte ich, ich hätte mich an der Hitze der dünnwandigen Kaffeetasse verbrannt. Doch dann realisierte ich, dass diese nur warm temperiert war. Ich runzelte die Stirn und rieb mir meine Fingerspitzen. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie sich Ashs Blick regelrecht in mich brannte, tief in meine Seele hinein. Er schien sichtlich angespannt. Noch immer starrte ich auf die Tasse und erkannte, dass ich nicht nur diese berührt hatte, ich hatte auch seine Hand mit der Spitze meines linken Zeigefingers berührt. Die Erkenntnis traf mich und auch ihn im gleichen Moment wie ein Schlag. Er wandte sich von mir ab, knallte die Tasse auf die Küchenplatte, doch es war zu spät. Er knurrte laut, doch konnte er das Folgende nicht mehr aufhalten. Verschiedene Bilder flitzten vor meinen inneren Augen wie Geschosse vorbei, löschten die Alptraumhaften der gestrigen Nacht aus meinem Gedächtnis und ersetzten sie durch andere, detailliertere Bilder. Bilder von Ash. Angestrengt versuchte ich die Zusammenhänge zu bilden. Kurze Momente später lösten sie sich auf, sie waren verschwunden. Ich zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. Was war das denn gewesen?

Sein Blick haftete fast abwartend ruhig auf meinem sommersprossigen Gesicht, analysierte jede Bewegung, jede noch so kleine Regung. Doch als ich mit schreck geweiteten Augen realisierte, was er getan hatte, veränderte sich sein Blick. Der ruhige Ausdruck in ihnen verpuffte, machte Platz für einen Todesblick. Ich sah ihm an, dass er unter seiner Fassade kochte. Das dies hier nie geschehen sollte. Dass er wusste, dass ich die richtigen Schlüsse gezogen hatte. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und sprach mit klopfendem Herzen das unausweichliche aus.

„Du hast meine Erinnerung manipuliert?"

Zwischen den WeltenWhere stories live. Discover now