Tödliche Nebelschwaden

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*Levi*

Vor einem verrosteten Gartentor blieb ich stehen. Es bot sich mir ein heruntergekommener Anblick. Es würde diesmal recht einfach werden. Grinsend stieß ich das kleine Tor mit meiner Hand auf und ging die von Unkraut überwucherte, zweispurige Einfahrt hinauf. Die Haustür war nicht abgeschlossen und so trat ich ein. Ich stand in einem kleinen dunklen Flur. Meine Nase verziehend, der Geruch nach Alkohol und abgestandener Luft war sehr penetrant, folgte ich dem Weg nach rechts. Es war ein Wohnzimmer. Ein sehr unordentliches, dreckiges Zimmer. Bierdosen und leere Flaschen standen wahllos auf dem fleckigen Teppichboden und dem runden Couchtisch.

Auf dem Sofa lag schnarchend eine Person. Sie war in einem schmutzigen, grauen Unterhemd und kurzen, abgetragene Hosen eingeschlafen. Ich lehnte mich zu ihm herunter. Alkoholatem schlug mir entgegen. Er war so wehrlos. Es würde leicht werden. Ich hatte das Pochen gefunden. Es hatte mich direkt hierhergeführt, zu ihm. Ich hob meine Hand, öffnete sie, kleine dunkle Nebelschwaden entstanden. Zielstrebig suchten sie ihr Ziel. Sie hüllten ihn ein, wanderten an der schlafenden Person entlang, jeder Zentimeter seiner Haut wurde von ihnen berührt und doch war ich nicht zufrieden. Die Nebelschwaden stoppten und zogen sich wieder in meine Hand zurück. Angestrengt versuchte ich zu verstehen was das bedeutete. Das Pochen hatte mich hierher geführt, es irrte sich nie. Und doch, so schien es, war dieser Mensch vor mir der Falsche. Unendliche Wut staute sich in mir auf. Das durfte nicht sein. Ich war meiner Erlösung so nahe. Ich knurrte.

Ich sah mich um. Das Wohnzimmer mündete in einer kleinen weißen Küchenzeile mit Mikrowelle und angrenzendem Bad. Hatte ich etwas übersehen?
Ich lief zurück in den Flur und folgte den Treppenstufen hinauf. Das erste Zimmer zu meiner linken war ein Schlafzimmer. Es schien dem alten, ungepflegten Schnarchenden zu gehören. Wo war seine Frau? Doch es sah so aus, als lebte er hier allein. Da stach mir eine weitere Tür, direkt neben dem Treppenaufgang ins Auge. Fast hätte ich sie übersehen. Vor mir lag ein weiteres Zimmer, es war jugendlich eingerichtet. Doch auch dieses war leer.
Wütend stakste ich die Treppen hinunter. Ich machte mir keine Mühe mehr, leise zu sein.

„Wach auf, du elender Säufer." Ich war sauer.
„Muss ich mich wiederholen? Mach deine dämlichen Augen auf." Der Mann vor mir öffnete sie endlich. Er schien verdutzt zu sein. „Wie kommst du hier rein?" Seine Sprache war undeutlich, seine Zunge schwer. Mühsam hievte er sich hoch, saß nun halbwegs gerade auf dem schmutzigen Sofa. Sein dicker Bierbauch war zu sehen, sein Hemd war hochgerutscht. Ich rümpfte erneut meine Nase. „Hör zu. Ich werde nicht mit dir diskutieren. Wem gehört das zweite Schlafzimmer?" Forsch sah ich ihn an, blickte in zwei verwirrte braune Augen. Ich seufzte laut auf. Die Zeit verstrich und ich wurde ungeduldig. „Dann muss ich das hier wohl etwas beschleunigen." Wiederholt hob ich meine Hand und kleine Rauchwolken erschienen. Sie waberten kurz in der Luft. Warteten auf mein Signal. Seine Augen waren vor Schreck weit aufgerissen.

„Also, zweiter Versuch, wer wohnt noch hier?" Er sah mich nur verdattert an. Wütend öffnete ich meine Hand. Der Nebel suchte sich seinen Weg zu ihm, hinauf zu seinem Mund und nahm ihm die Luft, welche er so dringend benötigte. Ein lautes Röcheln drang an meine Ohren. Ich schloss meine Finger, langsam, um das Gefühl meiner Macht mit jeder Faser auszukosten. Finger für Finger. Als ich meine Hand zur Faust ballte, zogen sich die Waben wieder leicht zurück und Luft strömte in seine Lungen. Er hustete und erbrach sich. Der Geruch von Erbrochenem erfüllte den Raum. Ich seufzte erneut genervt auf. „Meine Güte. Sieh dich an. Du hast es nicht mal auf den Teppich geschafft. Bravo. Du bist so erbärmlich." Gehässig zeigte ich mit einem Nicken auf sein Hemd welches nun noch widerlicher anzusehen war. Noch immer keuchte er und pumpte Luft in seine Lungen. „Ich hab keine Ahnung wo das dreckige Miststück hin ist. Ist einfach abgehauen." Er spuckte und hustete mir die Worte abgehakt entgegen. Ich rollte mit meinen Augen. Das hier war eine Sackgasse. Ich durfte keine Zeit verlieren. „Hm. Schade. Dann bist du von keinem Nutzen mehr für mich."

Bevor er auch nur reagieren konnte, schnürte ich ihm endgültig die Luft ab. Die Nebelschwaden wurden dicker, legten sich wie ein Seil um seinen Hals und drückten zu. Ich machte auf dem Absatz kehrt, ich war hier fertig. Ich blendete die Geräusche seines verzweifelten Todeskampfes, seine erstickten Laute, sein Gurgeln und seinen anschließenden dumpfen Aufprall, welcher sein schwerer Körper verursachte als er das Bewusstsein verlor, aus. Es war nichts Neues für mich. Es wurde langweilig.

Mit dem Zufallen der morschen Haustür war das Schicksal des Mannes besiegelt. Ich schloss sie in dem Moment, indem auch sein Herz seinen letzten Schlag vollbrachte.

Zwischen den WeltenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora