💥Adventure in Action: Charakter & Ästhetik💥

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Charakter

„Hallo Frau Michalek, schön sie wiederzusehen", sagte die Brillenschlange, wie jedes Mal, wenn ich ihr Büro betrat, auch wenn sie sich absolut nicht freute, dass wir schon wieder ein Meeting hatten. Es bedeutete nämlich, dass sie versagt hatte.

„Nennen sie mich doch bei meinem Vornamen. Ich bin Hazel."

„Sie müssen anfangen, sich bei Jobs zu bewerben, Hazel", sagte sie. ,,Es kann nicht sein, dass sie keiner als Angestellte haben möchte. Sie sind sportlich, haben etwas vorzuweisen und jung -25, wenn ich mich nicht täusche."

Sie rückt ihre Brille zurecht und ich lege ein Bein über das andere.

„Vielleicht liegt es daran, dass ich Polin bin und alle Angst haben, ich könnte sie bestehlen", scherze ich und sie verzieht das Gesicht. Scheinbar haben wir nicht denselben Humor. Ich lasse es mir aber trotzdem nicht nehmen, ein bisschen zu schmunzeln. Das eigentlich Lustige daran war, dass ich wirklich eine kleptomanische Neigung hatte; davon wusste sie allerdings nichts.

„Das glaube ich eher weniger. Ich habe den Eindruck, dass sie unmotiviert sind."

„Unmotiviert?"

Ich verschränke meine Arme vor der Brust.

„Wie kommen Sie auf die Idee?"

„Nun ja, laut ihrer Vorgeschichte sind sie auf eine Hauptschule gegangen und haben anschließend auf ein Gymnasium gewechselt und dort ihren Abschluss gemacht. Und um es nicht zu vergessen, danach haben sie Philosophie studiert. Einer der besten Lebensläufe, die ich von Menschen erhalten habe, die seit 2 Jahren arbeitslos sind, so wie sie."

Sie seufzte theatralisch und rückte ihre Brille zurecht.

„Kennen sie das Sprichwort, die Dümmsten sind die Schlausten?"

Ich begann mit dem Finger Kreise auf den Tisch zu malen, denn so langsam wurde mir unsere Unterhaltung wirklich ein wenig zu öde. Es ging sowieso immer um dasselbe. Wenn das Arbeitsamt mich nicht immer mit E-Mails und Anrufen bombardieren würde, dann würde ich hier vermutlich auch nicht sitzen.

„Dieses Sprichwort gibt es nicht."

„Ich habe es mir selbst ausgedacht. Wenn ich jemandem erzähle, dass ich seit zwei Jahren nicht arbeiten gehe, dann halten sie mich für dumm. Aber in Wahrheit lebe ich von deren Geld. Vom Staat."

Das Arbeitslosengeld allein würde mich natürlich nicht über die Runden bringen. Die kleinen Diebstähle trieben da schon um einiges mehr voran. Schon seit ich ein Kind war, hatte ich im Supermarkt immer etwas mitgehen lassen. Und im Laufe der Jahre – wie soll ich sagen – habe ich diese Fähigkeit perfektioniert.

„Ich halte die Tatsache, dass sie andere für sich arbeiten lassen, nicht unbedingt für schlau. Ich kann Sie nicht nachvollziehen. Viele Menschen hätten gerne die Form von Bildung, die sie genossen haben."

„Es ist mir ziemlich egal, was andere gerne hätten. Das, was mich interessiert, ist mein Wohlbefinden und ich fühle mich aktuell wohl, also sehe ich nicht ein, weshalb ich etwas verändern sollte."

„Das ist aber sehr egoistisch", stellt sie fest und ich verdrehe genervt die Augen.

„Das ist mir durchaus bewusst. Wenn sie mein psychologisches Gutachten gelesen haben, dann sollten sie wissen, dass das mit meiner sozialen Unfähigkeit einhergeht."

Sie seufzt erneut und schlägt den Umschlag, indem sich mein Lebenslauf befindet, vor sich zu, um ihn anschließend wieder in einer Schublade verschwinden zu lassen.

„Nun, damit unser Gespräch uns auch unter anderem Mal weiterbringt, habe ich mich umgehört und den perfekten Job für sie gefunden."

„Ach ja?" Gespannt lehnte ich mich in den Sessel und verschränkte die Arme vor der Brust. „Da bin ich jetzt aber gespannt."

„Sie sollen etwas stehlen."

Ungläubig starrte ich sie an und begann höhnisch zu lachen. Hatte sie das tatsächlich gerade gesagt?

„Sie machen Witze!"

Doch sie sah mich weiterhin ernst an und beugte sich über ihren Schreibtisch, ehe sie ihre Ellbogen darauf platzierte und ihre Finger ineinander verschränkte.

„Tatsächlich nicht."

„Und warum wählen sie ausgerechnet mich für diese Aufgabe?"

Sie ließ Luft durch ihre Zähne zischen und schmunzelte.

„Glauben Sie, mir ist es nicht aufgefallen, dass nach Ihrem letzten Besuch meine Computermaus verschwunden war? Es ist mir bis heute ein Rätsel, wie sie es geschafft haben, sie zu stehlen, ohne dass ich es gemerkt habe."

Ertappt fuhr ich mir durch meine langen schwarzen Haare und reusperte mich.

Mir war es kein Rätsel, denn es war eigentlich ganz einfach, das Teil zu stehlen: Die Maus war hinten im Computer eingesteckt und während ich ihr bei unserem Gespräch tief in die Augen sah, steckte ich sie unauffällig langsam aus. Als sie dann einmal wegsah, um auf die Uhr zu sehen, wie viel Zeit sie noch mit mir verschwenden musste, habe ich meine Chance genutzt und sie ausgesteckt und dann in meine Tasche eingesteckt.

Ich liebte es, zu stehlen. Es war die eine Sache, die ich besonders gut konnte, und mein Herz jedes Mal aufs Neue wild schlagen ließ. Das Adrenalin, die Kunst der Unauffälligkeit, genau das waren die Dinge, die ich niemals lassen könnte. Die Angst vor dem Erwischt werden löste Dinge in mir aus, die nichts anderes auslösen konnte.

Ihr Angebot klang verlockend. Ein Job, bei dem ich meine Leidenschaft nutzen konnte?

„Na dann schießen sie mal los. Was soll ich stehlen?"

Ich persönlich hoffte darauf, dass es irgendetwas sein würde, das funkelte. An besten ein Diamant. Dafür interessierte ich mich nämlich besonders.


Ästhetik

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