Prolog

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Schnell biss Louis in sein Brötchen, wischte sich mögliche Krümel aus dem Gesicht, spülte alles schnell mit einem Schluck Kakao hinab und eilte dann weiter.

Viele wurden nervös, wenn es zuging, wie in einem Bienenstock. Louis liebte das. Wenn alle beschäftigt durch die Gegend rannten. Wenn man zwischendurch keine Zeit hatte auf die Uhr zu sehen und man gedanklich voll bei der Sache war - das war seine Welt. Alles geben für die Patienten.
Das tat er.
Immer.

Seit drei Jahren arbeitete er jetzt schon auf dieser Station. Es war abwechslungsreich und spannend. Noch immer lernte er dazu.

So eben hatte er einen Mann behandelt, der von seiner Frau gekratzt worden war. Das mochte jetzt wenig spannend klingen. Aber die Frau war seit einer guten Weile als Werwölfin unterwegs. Im Normalfall passierte nichts. Die meisten Werwölfe waren selbst durch einen Biss gewandelt worden. Sie waren nur zu Vollmond ansteckend. Geborene waren selten, aber weitaus ansteckender
.
Es herrschte im Umgang mit Werwolfsverletzungen noch immer eine große Unsicherheit an allen Fronten. Gefühlt war es eine von Louis' Hauptaufgaben, einfach aufzuklären. Falschinfos zu vernichten und Erkenntnisse der Fachwelt so weiterzugeben, dass sie auch jeder verstand.

Louis hatte die tiefen Kratzer ordnungsgemäß gereinigt und behandelt. Vermutlich würde eine Macke davon übrig bleiben. Das war bei den meisten Verletzungen durch Werwölfe der Fall. Aber der Mann hatte bereits einige solcher Macken.
"Ich liebe sie. Da gehören die Macken eben dazu.", hatte der Mann gutmütig gelächelt. Seine Frau hatte sich so sehr geschämt, dass sie nicht mit ins Krankenhaus gekommen war. Vollkommen unnötig. Louis machte ihr keine Vorwürfe. Seit Jahren studierte er Werwölfe. Kratzer passierten. Es gab keinen Grund sich zu schämen.

Sobald er dem Mann alles Gute gewünscht hatte, hatte er im Personalraum in sein Brötchen gebissen, als auch schon wieder nach ihm verlangt wurde.

"Patient, männlich, 34, wurde gebissen. Im Dienst. Vermutlich von einem Geborenen. Patient ist nicht bei Bewusstsein.", bekam er, von Claire, seiner Assistentin in dem Fall, knappe Infos.

"Okay... Dann bitte ein Zimmer vorbereiten, Hormontherapie schonmal bereitstellen. Schauen wir uns das Mal an.", ordnete Louis an und öffnete schwungvoll die Tür.

Im Zimmer wuselten Morris und Milly herum. Zwei Pfleger.
Und dann erstarrte Louis für einen Moment, weil sein Block auf den Patienten gefallen war. Der Mann der da lag war kein Unbekannter. Scheiße. Wie lange hatte er den denn nicht gesehen?

"Mr Tomlin-"
"Entschuldigt. Wo ist die Bissstelle?", fragte er schnell und wandte den Blick ab. Patient war Patient. Scheiß egal, wer das war, dachte Louis mit zusammengebissenen Zähnen.

"Hier.", sprach Morris und schlug die Decke zurück. Die Kollegen aus dem Rettungswagen hatten den Arm bereits fachkundig verbunden. Dennoch musste Louis das nun öffnen. Man konnte, wenn man wusste, worauf man achten musste, erkennen, ob die Wunde infektiös war.
Allerdings gehörte das nicht zum medizinischen Standard, weshalb eine solche Überprüfung bisher nicht stattgefunden hatte.

Louis sah, als er sie freigelegt hatte, schon auf den ersten Blick, dass die Wunde infiziert war.
... Der Patient.. würde also von nun an als Werwolf leben müssen. Man konnte es nicht heilen, aber die Symptome wesentlich mildern. Inzwischen bekam man sogar Verwandlungen recht gut unterdrückt. Viele Betroffene erlebten die Wandlung als scherzhaft und fühlten sich in dem anderen Körper fremdgesteuert. Durch eine individuell abgestimmte Medikation konnte man die Wandlung unterdrücken und ohne Wolfsgebiss konnten auch keine Wolfsbisse ausgeführt werden. Ergo: ein ungewandelter Wolf konnte keine weiteren Wölfe per Biss erschaffen. Dadurch hatte die Krankheit weitestehend bekämpft werden können. Zu erkranken war längst nicht mehr so problematisch, wie noch vor einigen Jahren. Damals wurden Werwölfe diskriminiert, von höherer Bildung und generell sicheren Arbeitsplätzen ausgeschlossen. Ohne Unterstützung landeten Gebissene nahezu automatisch in prekären Verhältnissen. Besonders Dank der Weiterentwicklung des künstlichen Mondes und der daraus resultierenden einfacheren Erforschung der Werwölfe im gewandelten Zustand, war es heute möglich, dass es keine institutionelle Diskriminierung mehr gab. Natürlich gab es noch Ängste und Vorurteile in den Köpfen. Aber die wurden kontinuierlich weiter abgebaut.
Anders war es eben mit den Verletzungen. Da gab es viel Unsicherheit und Angst. Aber man machte eben den Verursacher nicht einfach zum Sündenbock.

"Im Dienst?", fragte Louis lauernd und erneuerte die Versorgung der Wunde. Wolfsbisse brannten in etwa so wie ein heißes Bügeleisen auf dem Unterarm. Entsprechend wurden sie gern großzügige mit Brandsalbe behandelt.
Der Mann vor ihm trug eine Intakte Schutzkleidung an seinem großen und sehr durchtrainiertem Körper. Allerdings waren eben die Unterarme freiliegend gewesen. Das wurde ihm zum Verhängnis.

"Ja. Voll im Dienst.", grinste Morris und Louis sah genau, dass auch Milly und Claire grinsten.
"Ach Schade...", seufzte Louis ergeben. Voll im Dienst hieß, dass der nicht nur auf dem Weg zur Arbeit in einen Werwolf gestolpert war. Für den Patienten machte es für die aktuelle Behandlung keinen Unterschied. Für den Arzt etwa zwei Stunden mehr Papierkram, weil ein Werwolfbiss, der Leben gerettetet hatte, als heldenhafter Akt gesehen wurde. Dafür musste alles schriftlich festgehalten und mit Fotos dokumentiert werden, weil sich das aufs spätere Rentenalter auswirkte, es mehr Urlaubstage und so etwas gab. Sowas gabs aber nur, wenn man seine eigene Gesundheit als Schutzschild benutzt hatte. Hatte dieser Af- Patient.

Der künstliche Mond war nicht nur ein Segen. Früher wusste man: Vollmond gleich Werwölfe. Kein Vollmond gleich keine Werwölfe. Ganz einfach. Richtige künstliche Monde waren streng limitiert und den Forschungseinrichtungen vorbehalten. Es gab drei in ganz England. Aber wie das eben so war, waren schneller Fälschungen aufgetaucht als man gucken konnte. Die Verwendung war ein Abenteuer. Manche brachten gar nichts. Aber es gab tatsächlich welche mit einem Effekt. Louis hatte schon Wölfe am helllichten Tag vor sich stehen gehabt. Es gab Exemplare, die die Konsumenten in alle möglichen Stimmungen versetzten. Nur wegen diesen illeglen Dingern war es überhaupt möglich, dass der Mann vor ihm vor weniger als zwei Stunden gebissen worden war. Elendes Zeug. Aber die Bekämpfung war schwer wie bei allem, was es nicht legal gab, von Leuten gewollt und in keinster Weise kontrolliert teuer verkauft wurde.

Louis trat schließlich zurück und ließ Claire weiter machen. Versuchte nicht, in das Gesicht seines Patienten zu sehen.

Nach einer Stunde, in der er weitere Patienten behandelt und einen entlassen hatte, wurde ihm gemeldet, dass der frisch Gebissene aufgewacht sei.
Louis hätte zu gern eine der Kolleginnen zu ihm geschickt. Aber die waren gerade alle ebenfalls beschäftigt. Mist.

Mit einem schwungvollen "Guten Tag", öffnete er die Tür.
"Gute- Ach, Scheiße. Das soll ja wohl ein Witz sein.", sprach der Mann sofort.
Louis seufzte. Natürlich hatte der ihn ebenso schnell erkannt, wie anders herum.

Ja, ich hoffe, ihr habt auf noch eine Lust... 🙈.
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

Biss - wird fortgeführt auf StorybanWhere stories live. Discover now