Tag 8 - Alles auf eine Karte (3)

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Jacques

Ruckartig zog Jacques seinen Kopf zurück in den Schatten, als erneut das Sirren einer Drohne die Stille durchschnitt. Nur dank des überhängenden Sandsteinfelsen am Rande eines ausgetrockneten Flussbetts waren er und Ruhan die letzten zwei Stunden unentdeckt geblieben. Sie lagen auf dem Bauch in der Finsternis des kühlen Felsens und warteten.

Nach der Zerstörung des Militärroboters war der Großteil ihrer Mitgefangenen kopflos durch den Steinbruch in die Hügel geflohen. Hatte er sich eingebildet, eine Art Anführer für die Gruppe zu sein, so wurde er eines Besseren belehrt: Niemand interessierte sich für seinen Vorschlag, zunächst das Lager nach Wasser und Essen zu durchsuchen. Zu groß war die Angst, dass weitere Wachen in den Baracken lauerten und zügig Verstärkung eintreffen würde. Zu groß der Drang, den Ort ihres Martyriums zu verlassen und die Freiheit zu suchen. Wer wollte es ihnen verdenken?

Allein zurückzubleiben war ebenfalls keine Option. Daher hatten sie sich darauf beschränkt, den Toten die brauchbare Ausrüstung wie Handfeuerwaffen, Wasserflaschen und Energieriegel abzunehmen und der fliehenden Gruppe als Nachhut zu folgen. Zum Abschluss hatten sie sich Pistolen, Funkgeräte sowie Zangen eingesteckt, mit denen man den Klingendraht eines Zauns zerschneiden konnte. Einen konkreten Plan hatte Jacques nicht.

Hinter dem Steinbruch erstreckte sich eine hügelige Landschaft, die sich wie Wellen in die Ferne zog, bis sie von einem höheren Gebirgszug begrenzt wurde. Die Vegetation, wenn man sie denn so nennen wollte, bestand aus knorrigen maximal drei Meter hohen Bäumen und dornigen Sträuchern. Ähnlich wie er es aus Cabo del Gata kannte. Daher nahm er an, dass sie sich immer noch im wüstenähnlichen Bereich nordöstlich von Almería aufhielten. Seine Hoffnung war, dass sich ein zweites Lager, in dem die Frauen und Kinder interniert waren, im nahen Umkreis befand. Rein aus logistischen Gründen würde das Sinn machen.

Nachdem sie die ersten zwei- oder dreihundert Meter hinter sich gebracht hatten, entdeckten sie von einer Hügelkuppe winzige Punkte am südlichen Horizont, die auf sie zuschossen. Drohnen. Offenbar war ihre Flucht registriert worden und ihre Häscher hatten beschlossen, jetzt doch auf ihre moderne Technik zurückzugreifen. Ein paar Dutzend Flüchtlinge, die in der europäischen Presse von den Ermordungen im Lager berichteten, dürften sich nicht gut machen. Er wusste noch immer nicht, warum man ihnen das überhaupt angetan hatte. Aber inzwischen kannte er die ZEU-Technik gut genug, um sich nicht der Illusion hinzugeben, dass sie den fliegenden Spähern entkommen könnten. Vermutlich würden Helikopter oder Geländewagen in Kürze folgen, um die flüchtige Herde wieder einzusammeln. Und was die dann mit ihnen anstellen würden ... darüber wollte er nicht spekulieren. Für die anderen, die einzeln oder in kleinen Gruppen davonrannten, war es Anlass genug, endgültig in Panik zu verfallen und ihr Heil in der Flucht zu suchen.

Das ausgetrocknete Flussbett, dass nur bei einem der seltenen Regenfälle Wasser führte, war ein Glücksfall. In einer ausgespülten Kurve fand sich ein tiefer Felsüberhang, vergleichbar einer kleinen Kaverne, in die sie zu zweit hineinkrabbelten und sich versteckten. Solange keiner ihrer Jäger dem Flusslauf auf Augenhöhe folgte, waren sie vor der Entdeckung aus der Luft sicher. Auch Spuren hatten sie auf den Felsen und Steinen keine hinterlassen.

»Oh, Mann«, flüsterte Ruhan, der neben ihm lag, »wann geben die endlich auf?«

»Je ne sais pas, die Drohnen können sie im Grunde endlos kreisen lassen. Aber«, beruhigte er seinen Kameraden, »die Salauds haben uns wahllos umgebracht. Selbst wenn sie wissen, wer alles im Lager angekommen ist – was ich bezweifle –, einen Überblick, wer tot im Graben liegt, haben die nicht. Nach einer Weile werden sie es also aufgeben. Wir brauchen nur Geduld. Und wir liegen hier zum Glück im kühlen Schatten.«

»Insha'Allah ...«

Ein paar Minuten schwiegen sie, während das wespenähnliche Sirren der Drohnen über ihren Köpfen die einzigen Geräusche waren. Vor ihm lag eine der erbeuteten Pistolen auf den Steinen. Sollte sie hier jemand entdecken, würde er sein Leben zumindest teuer verkaufen.

𝗙𝗔𝗞𝗘 𝗣𝗔𝗥𝗔𝗗𝗢𝗫 - Fake News war gestern ✔️Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon