Liebes Zukunfts-ich, kleines Damals-ich

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Wehmütig sehe ich mich auf dem verstaubten Dachboden um. Unter den gefühlten Massen Staub liegen all die Schätze aus meiner Kindheit, die Klamotten meiner ersten Kinder, mein Abiturzeugniss, die ganzen Familienalben von früher und ein paar meiner früheren Schulsachen.

Vorsichtig gehe ich über die knarzenden Holzdielen zu einer eher kleinen Kiste. Eine dicke Staubschicht wirbelt auf, als ich über den Holzdeckel streiche. Behutsam öffne ich die Kiste. Eine grüne Zeugnismappe mit eine Menge Stickern darauf liegt ganz oben auf dem Stapel in der Kiste. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Als ich die Mappe herausnehmen, rutscht ein Foto von einem kleinen Kind, dass mit einem Strahlen im Gesicht und einer verhältnismäßig riesigen Schultüte in der Hand, vor einer Tür mit der Aufschrift "1b".

Ich stecke das Foto wieder zurück nach hinten in die Zeugnismappe und blätter durch die kleine dünne Mappe. Erstaunlich gute Zeugnisse und manchmal auch mahnende Worte von den Lehrern zu meinen damaligen Tagträumen kommen mir entgegen. In der letzten befüllten Folie steckt noch ein Klassenfoto aus der sechsten Jahrgangsstufe. Grinsend schaue ich in die Kamera und zeige dem Mädchen vor mir Hasenohren. In die leere Folie danach stecke ich noch das Schultüten-Foto, bevor ich die Zeugnissmappe beiseite packe.

Als nächstes liegt einer Brief auf dem Stapel. Trotz der Zeit konnte ich noch immer dieses Parfüm riechen, von dem ich schon damals nicht einordnen konnte, ob einen Jungen- oder Mädchenparfüm war. Es war ein Liebesbrief von jemanden, der drei Klassen unter mir war. Allerdings erhielt ein Klassenkamerad von mir bereits zwei Wochen später auch einen Liebesbrief von der selben Person, sodass ich es nicht weiter ernst nahm und den Brief in einer Ecke meines Zimmers vergaß.

Ich lege den Brief auf die Zeugnismappe neben mir und greife nach einem Stapel mit einem Gummiband zusammengehaltener Fotos. Bilder von mir und meiner Schwester am Strand, ein Bild von mir und meiner Freundin, Fotos, die mein Freund und ich gemacht haben in unserem ersten Urlaub und ganz viele Fotos von Familienfeiern. Mein Lächeln wird nach jedem Bild ein kleines Stück größer, bis ich auch das letzte in meiner Hand halte. Ich im Kindergartenalter und ein gleichaltriges Mädchen sind darauf zu sehen. Wir lachen beide fröhlich grinsend in die Kamera und ihre langen braunen Töpfe fliegen durch die Gegend. Mein Blick wird ein Spur trauriger, als ich daran denke, wie schlimm es für mich war, als meine damals beste Freundin in der zweiten Klasse wegzog. Für mich glich es einem Weltuntergang und meine Eltern hatten es in diesen Wochen sehr schwer mit mir.

Um diesen Gedanken zu entfliehen lege ich auch dieses Foto ganz unten auf den Stapel und ziehe den Gummi wieder über den Stapel. Dann greife ich den nächsten Stapel aus der Kiste. Es sind sechs dünne Bücher, alle von mir damals mit meinem Namen versehen. Auf manchen der Seiten kann man einen Schokoeisfleck oder einen Abdruck einer gepressten Blume sehen. In einem der Bücher hatte ich irgendwann mal ein Stück Klarsichtfolie befestigt, um die Blumen dort zu sammeln. Vorsichtig lasse ich ein paar der Blumen in meine Hand gleiten und streiche über die getrocknete Oberfläche, sodass ein leises Knistergeräusch entsteht. Getrocknete Löwenzahnblüten, deren leuchtenes Gelb schon längst verblasst ist und ein paar ebenfalls verblasste Gänseblümchen. Ich erinnere mich, wie ich früher immer ganz viele von den kleinen weißen Blumen gepflückt habe, immer soweit wie möglich unten habe ich sie angeknipst mit dem Finger und zu meiner Mutter gebracht habe, damit sie mir einen Kranz daraus macht.

Ich lege die Blumen zurück in die Folie und auch die Bücher kommen auf den kleinen Stapel neben mir. In der Kiste vor mir liegt jetzt nur noch ein dicker weißer Umschlag mit vergilbten Rändern. Mit einer leisen Vorahnung ziehe ich die letzte Sache aus der kleinen Holzschachtel. Mit meine kleinen Taschenmesser schlitze ich vorsichtig die Brieflasche auf.

Ich drehe den Brief einmal um und herauskommen zehn Briefe, jeder von ihnen dein säuberlich mit damaliger Schönschrift mit Datum und Ort beschriftet. Ich breite sie vor mir aus und lasse meine Augen von Brief zu Brief wandern, auf der Suche nach dem mit dem frühsten Datum. Als ich ihn finde beschließe ich, die ganzen Briefe erst einmal nach Datum zu sortieren.

Twitch-OneshotsWhere stories live. Discover now