𝗙𝗔𝗞𝗘 𝗣𝗔𝗥𝗔𝗗𝗢𝗫 - Fake News war gestern ✔️

Epilog (1)

Camila

Sie blickte auf den fast leeren Marienplatz, auf dem ein Taubenschwarm vergeblich nach Futter suchte. Langsam kehrte die Normalität zurück. Die gröbsten Schäden an Gebäuden und in der VR-Cloud waren behoben, die Bewohner verschwanden wieder in ihren virtuellen Löchern. Über den Dächern schwirrten erneut die Drohnen, deren Produktion in Rekordzeit hochgefahren worden war. Der einzige Trost war, dass die künstlichen Intelligenzen, die sie steuerten, inzwischen generalüberholt und auf Herz und Nieren geprüft worden waren. Außerdem waren die Rechte der hinterhältigen Biester massiv beschnitten und die Verantwortung der steuernden Menschen deutlich erhöht worden. Immerhin.

Neben ihr saß Frederike am runden Kaffeetisch. Sie trug eine Sonnenbrille und ließ Eiswürfel in einem Aperol-Spritz kreisen. „Worüber denkst du nach?", fragte die Abteilungsleiterin des Verfassungsschutzes. „Es ist doch alles so gelaufen, wie du es dir gewünscht hast. Gut, es gibt einiges aufzuräumen, aber Pandora hat all die korrupten Säcke ihrer verdienten Strafe zugeführt und alle KIs wurden neu aufgesetzt." Die ältere Frau schien von den Ereignissen nicht sonderlich mitgenommen zu sein.

„Doch, schon. Allerdings um welchen Preis?", fragte Camila.

Sie blickte zu Josephine, die schreiend und mit ausgebreiteten Armen auf einen Taubenschwarm zustürmte. Die Kleine lebte vorerst als Pflegekind bei ihr, bis eine bessere Lösung gefunden war. Es war erstaunlich, wie schnell sich das Mädchen an das neue Leben in München gewöhnte.

Als sie mit Maria aus dem Wald kam und merkte, dass Pandora besiegt war, meldete sie sich sofort bei Frederike. Peters Chefin war der Kopf hinter der ganzen Aktion. Sie hatte den kompletten Plan ausgeheckt und Peter mit Camilas Hilfe dafür eingespannt. Ihr Ziel war es, die korrupte politische und wirtschaftliche Elite loszuwerden. Eigentlich sollten die Bonzen nur diskreditiert und ins Gefängnis geworfen werden. Die sehr endgültige Lösung, die Pandora gewählt hatte, und die massiven Kollateralschäden, die durch die ungeschickte Formulierung Peters entstanden sind, waren so nie geplant. Als die Verfassungsschützerin Camila für ihren Plan rekrutierte, war sie sofort Feuer und Flamme. Er bot ihr die einmalige Chance, die verhassten KIs auszuschalten oder zumindest in ihrer Macht einzuschränken und gleichzeitig die Story des Jahrhunderts zu schreiben. Das erste Ziel hatte sie am Ende erreicht, aber für eine eigene Story war sie zu tief involviert. Niemand hätte es ihr abgenommen und es hätte zu viele Fragen aufgeworfen.

Wie sich wenig später herausstellte, war es Maria, auf die es Pandora abgesehen hatte. Sie wurde wegen Fälschung von Chipkarten, Erpressung, Einbruch und einem halben Dutzend weiterer Delikte gesucht. Josephine, die keine lebenden Verwandten mehr hatte, bei dieser Verbrecherin zu lassen, war keine Option. Trotzdem hatten Camila und Frederike die Hackerin nicht den Behörden übergeben. Es war immer gut, jemanden zu kennen, den man später wieder um einen Gefallen bitten konnte. Das galt auch für Naïn.

„Wenn du mich fragst, war mir jeder Preis recht, um diese selbstgefälligen Arschlöcher loszuwerden", antwortete die ältere Frau mit etwas Verspätung. „Aber wie kommt es eigentlich, dass ich es bin, die auf einmal unsere Aktion verteidigen muss? Sonst warst du doch immer die harte Befürworterin, die meinte, wir müssten Kollateralschäden in Kauf nehmen, und ich war diejenige, die Zweifel hatte."

„Trotzdem. Wir haben Josephine ihre Eltern und ihr gewohntes Leben genommen. Nicht nur ihr. Tausenden von Kindern. Vielleicht sogar Zehntausenden. Ich weiß nicht, wie das zu rechtfertigen ist."

Camila fühlte sich deswegen wirklich beschissen, auch wenn die direkten Anweisungen an Pandora nicht von ihr kamen. Normalerweise war sie nicht von Selbstzweifeln geplagt. Aber Josephines Schicksal hatte ihre Perspektive grundlegend verändert.

Frederike dachte eine Weile über die Worte nach. Schließlich sagte sie: „Dann arbeite aktiv daran, dass so etwas nicht wieder passieren kann."

„Hm ... worauf willst du hinaus?"