Epilog (2)

6 2 0
                                    

Peter

Er wachte verschwitzt und mit tierischen Kopfschmerzen in seinem Bett auf. Außerdem war ihm immer noch übel. Kein Wunder, er hatte sich gestern mit Roland getroffen und ihm seine Leidensgeschichte erzählt. Die Flasche Whiskey hatte seine Zunge gelöst. Pandora war vor drei Tagen endgültig aus dem letzten System vertrieben worden und die Normalität kehrte zurück. Das komplette Neuaufsetzen und Absichern zigtausender Server würde sich noch über Wochen hinziehen, die wichtigsten Systeme liefen jedoch wieder. Die neue politische und wirtschaftliche Elite gab Vollgas und war hoch motiviert, nicht erneut die gleichen Fehler zu begehen. Zumindest in dieser Beziehung hatten sie ihr Ziel erreicht. Aber um welchen Preis ...

Später am Abend hatte er Roland von seiner Affäre mit Camila berichtet und darüber philosophiert, wie er das mit Kristina und Hedda angehen sollte. Die ehemalige Journalistin hatte er seit seiner Rückkehr nicht mehr gesehen oder gesprochen. Sie machte ebenfalls nicht den Eindruck, dass sie ein entsprechendes Bedürfnis hatte. Von ihrer persönlichen KI erfuhr er, dass sie lebte und es ihr gut ging. Mehr nicht. Im Grunde war er froh drum. Neben ein paar heißen Nächten hatten sie eine Extremsituation durchlebt. Aber alles in allem glaubte er nicht, dass er sie wirklich liebte. Mit Kristina war das etwas anders. Sie kannten sich bereits seit Jahren, wenn auch nur über die VR, und sie hatten ein gemeinsames Kind in der realen Welt. Daher wollte er mit ihr darüber reden und reinen Tisch machen.

Aber seine Frau hatte ihn scheinbar ebenfalls in ihren Kontakten blockiert und ihre persönliche KI war nicht erreichbar. Auch auf seine schriftlichen Nachrichten bekam er keine Antwort. Dass Pandora sie erwischt hatte, daran glaubte er nicht. Sie hatte sich nie etwas zu Schulden kommen lassen, soweit er das beurteilen konnte. Wahrscheinlicher war, dass sie von seiner Behörde die schlimmsten Dinge über ihn gehört hatte. Das einzige wirklich schlimme Verbrechen, das er begangen hatte – Pandora mit einem tödlichen Auftrag auf die Welt loszulassen –, war nur einer Handvoll Menschen bekannt. Und keiner von ihnen konnte es verraten, ohne sich selbst zu belasten.

Spätestens nach dem Gespräch mit Roland, der ihm nochmals ins Gewissen geredet hatte, wollte er aber unbedingt mit Kristina sprechen und Hedda wiedersehen. Aufgrund der Untersuchung seiner Verwicklung in diese Ereignisse rund um Pandora sowie seiner eigenen Dienstaufsichtsbeschwerde über den spanischen Grenzschutz war er immer noch suspendiert. Aktuell durfte er mit niemandem außer der Innenrevision reden. Daher konnte er sich nicht schlaumachen, was man ihr über ihn erzählt hatte oder ob sie sich in der Behörde gemeldet hatte.

Zwei Stunden, mehrere Tassen Soja-Kaffee und diverse Kopfschmerztabletten später beschloss er, seinen Besuchsplan in die Tat umzusetzen. Kristinas physische Adresse kannte er, da er diese schon früher dienstlich abgefragt hatte, allerdings hatte er damals keinen vollen Zugriff auf ihre Akte bekommen. Daher wusste er im Grunde nichts über sie, außer dem, was sie ihm in der VR erzählt hatte, und dass sie keine Vorstrafen hatte. Am Ende buchte er sich einen Linien-Quadrokopter, der ihn über Stockholm nach Luleå bringen würde, und nahm ein Flug-Taxi zum Airport.

Am späten Nachmittag landete der Linienflieger, der nur Platz für acht Passagiere bot, auf dem Flugfeld des schwedischen Flughafens. Ihn erwartete schwülwarme Luft, als sich sofort die ersten „Knott", winzige schwarze Stechfliegen, auf ihn stürzten. Das warme Sommerklima in Kombination mit den regelmäßigen lokalen Überschwemmungen machte sie zu einer echten Plage, wie er während des Fluges erfahren hatte. Zum Glück hatte er an Bord ein Schutzmittel bekommen, das hoffentlich helfen würde.

Er ging zum Flugtaxi, das auf dem Flugfeld bereits auf ihn wartete. Hier waren das nicht die eleganten VTOL mit den verborgenen Düsen in den Flügeln, sondern einfache kleine Quadros. Das passte vermutlich zu den längeren Strecken und dem vielen Platz, den man hier in Schweden hatte. Während des etwas fünfzehnminütigen Fluges betrachtete er die endlosen, saftig-grünen Wälder und glitzernden Seen unter sich. Kristina wohnte abgeschieden mitten in diesem Gehölz. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie wenig er über ihr reales Leben wusste.

𝗙𝗔𝗞𝗘 𝗣𝗔𝗥𝗔𝗗𝗢𝗫 - Fake News war gestern ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt